„Alte Möbel erzählen Geschichten“

Interview mit der Restauratorin Adela Chivărean (The Wood Doctor)

Adela Chivăvrean in ihrer Werkstatt in Weidenbach. Foto: privat

Interview mit der Restauratorin Adela Chivărean (The Wood Doctor)

Ob die Kommode aus dem Haus der Großmutter oder die bemalte sächsiche Holztruhe aus dem Jahr 1800, die schon vier oder fünf Wohnzimmer gewechselt hat- viele Leute bergen wahre Schätze in ihren Häusern und Wohnungen. Doch wenn diese Schätze anfangen, Schäden aufzuweisen, wissen viele von ihnen nicht, was sie damit tun sollen. „Auf keinen Fall wegwerfen!“, meint die Restaurateurin Adela Chiv²rean, die aus ihrer Leidenschaft einen Beruf gemacht hat.

Außer einer weißen Ikea-Kommode ist kein einziges Möbelstück in ihrem Haus neu. Sie mag altes Geschirr und besitzt so viele Teller, dass sie nicht mehr in den Schrank hineinpassen.

Seit acht Jahren betreibt Adela in Weidenbach eine Restaurierungswerkstatt für Holzarbeiten unter der Marke „The Wood Doctor“ (deutsch: Der Holz-Doktor). Denn Holz ist lebendig. Und so wie ein Arzt das Leben eines Menschen retten kann, so kann auch ein Holz-Doktor ein wertvolles Möbelstück retten und dadurch sein Leben verlängern.

Über ihre vielen Projekte, über den Alltag als Restauratorin aber auch über die Fehler, die man als Eigentümer von alten Gegenständen auf keinen Fall begehen sollte sprach mit Adela Chiv²rean die KR-Redakteurin Elise Wilk.

 

Du hast bisher hunderten von alten Gegenständen ein neues Leben geschenkt. War Restaurateurin schon immer dein Traumberuf?

Als Kind habe ich mir gewünscht, Innenausstatterin zu werden. Ich habe mir vorgestellt, dass ich mit einer Mappe unterm Arm herumlaufe, so wie in amerikanischen Filmen. Doch das entspricht nicht der Realität. Die Leidenschaft für alte Gegenstände und Möbelstücke kommt mit Sicherheit aus meiner Familie. Meine Eltern haben alte Gegenstände gesammelt, die sie auf Flohmärkten kauften. Ich habe in einem Haus gelebt, wo es keine zwei identischen Teller gab. Ich bin praktisch umgeben von alten Gegenständen aufgewachsen, und deshalb habe ich heute ein besonderes Auge für diese Objekte.

Nach Abschluss des Șaguna-Lyzeums habe ich zuerst Philologie (Deutsch-Englisch) und anschließend Holzingineurwesen an der Transilvania-Uni in Kronstadt studiert. Es folgten zwei Masterstudiengänge- Interkulturelle Kommunikation und Möbelrestauration und Öko-Design. Ich war mit verschiedenen Studien-Mobilitäten in Irland, Portugal und Österreich unterwegs. In Österreich habe ich ein Praktikum in der Werkstatt meines Mentors, dem Vergolder, Bildhauer und Maler Werner Campidell absolviert. Er war der Mensch, der mir eine Richtung gab und dank dessen ich meinen Weg finden konnte. Er hat mir viel Vertrauen geschenkt und zu mir gesagt: „Du solltest unbedingt Restaurateurin werden“.

Dann bin ich zurück nach Rumänien gekehrt. Ich hatte keinen Job. Und dann habe ich angefangen, Möbelstücke von Freunden zu restaurieren und nach einer Zeit hat sich ein kleines Portfolio zusammengetan.

Dann entstand im Jahr 2015 die Marke „The Wood Doctor“. Wie kamst Du auf die Idee mit dem Namen für dieses Startup?

Ich habe mir den Namen ausgedacht und das Logo entworfen. „The Wood Doctor“ kommt davon, dass die alten Möbel für den Restaurator wie Patienten sind. Es ist wie bei einem Krankenhausbesuch: die kontaminierten Möbelstücke verbringen eine Zeit im Quarantänen-Raum, dann werden sie mit injizierbaren Substanzen behandelt und am Ende wird eine Verschreibung ausgestellt (die Restaurierungsakte).

Im selben Jahr wurde auch die Werkstatt in Weidenbach eröffnet. 2019, genau vor der Corona-Pandemie, konnten wir mit europäischen Fonds eine neue, größere Werkstatt aufmachen. Ich glaube, dass Holz ein lebendiges Material ist. Wenn es richtig konserviert, gepflegt und geliebt ist, kann es sehr lange leben.

Wer sind deine Kunden?

Ich arbeite meistens für Unternehmen- also Vereine und Stiftungen. Oder für Kirchen, das sind meine Lieblings-Arbeitsorte. Ich habe in der Schwarzen Kirche aus Kronstadt gearbeitet, in den evangelischen Kirchen aus Petersberg, Malmkrog, Keisd oder Weidenbach, wo ich verschiedene Objekte restauriert habe. Ich mag die Gemälde in den Kirchen. Während ich dort arbeite, habe ich das Gefühl, dass ich sehr nahe am Künstler bin, der diese Gemälde geschaffen hat. Einmal habe ich sogar den Fingerabdruck des Malers auf einer Ikone gesehen. Der wertvollste Gegenstand, den ich restauriert habe, kommt auch aus einer Kirche. Es war eine Statue des Heiligen Anton aus dem 16. Jahrhundert.

Ich habe auch Privatkunden, die alte Gegenstände besitzen, die ihnen sehr am Herzen liegen. Zur Zeit restauriere ich die Schlafzimmermöbel einer Frau aus Alba-Iulia, aber ich habe auch Kunden aus Kanada. Dabei versuche ich, folgende Idee zu vermitteln: alte und wertvolle Gegenstände sollten zu einem Spezialisten gebracht werden. Mit dem „do it yourself“-Trend bin ich nicht einverstanden. Es gibt viele Videos im Internet, wo behauptet wird, dass man Möbelstücke selbst restaurieren kann, dass alle es tun können. Nein, nicht alle können das. Falls man keine Spezialisierung in diesem Bereich hat, kann man den Wert von alten Gegenständen nicht richtig erkennen und man macht Fehler.

Wie sieht ein Arbeitstag in deiner Werkstatt aus?

Eigentlich ist es kein Arbeitstag, denn wenn Du liebst, was du tust, musst du keine einzige Stunde in deinem Leben arbeiten. Unsere Werkstatt ist sehr gut organisiert. Während des Sommers arbeiten wir an Gegenständen, die unter freiem Himmel restauriert werden können (Türen, Holztore), damit wir die Substanzen, die wir verwenden, nicht einatmen müssen. Im Herbst, Winter und Frühling wird in der Werkstatt an kleineren Gegenständen und Möbelstücken gearbeitet. Und dann gibt es noch Tage, wo außerhalb gearbeitet wird.

Welche Gegenstände sind am schwersten zu restaurieren?

Die Holztore, weil sie so groß sind und sehr viel Arbeit damit verbunden ist. Es ist ein Job, der auf Social Media sehr spannend scheint, aber das ist nicht immer so, weil man viel Staub einatmet und das Haar und die Nägel bei der Arbeit beschädigt werden. Und wenn ich einen großen Gegenstand restaurieren muss, der ganz oft benutzt wurde und wo hundert Mal eingegriffen wurde, und dabei oft Fehler gemacht wurden, dann ist dieser schwerer zu reparieren.

Es gibt sicherlich viele Leute die alte Möbelschätze besitzen, aber kein Geld für die Restaurierung haben. Was sollten sie in diesem Fall tun?

Restaurierung ist keine günstige Dienstleistung. Für diejenigen, die es sich nicht leisten können, biete ich ein kostenloses Beratungsprogramm an- online auf Social Media, oder sie können mich telefonisch aufsuchen. Ich erkläre ihnen dann, wie sie auf den Gegenstand aufpassen können. Und wenn er nicht zu stark beschädigt ist, kann ich ihnen zeigen, wie sie ihn eigenständig reparieren können- unter Aufsicht, natürlich. Ich helfe ihnen gerne, alles was sie tun müssen ist, mich zu kontaktieren. Die hohen Kosten sollten die Leute nicht abschrecken. Falls mir die Gegenstände gefallen, gibt es einen Rabatt. Und ich habe auch ein Programm mit 20% Rabatt für Möbelstücke, die von Haustieren beschädigt wurden. Ich habe selbst Hunde, also weiß ich, wie es ist.

Welche andere Programme gibt es noch?

Letztes Jahr hatten wir einen Monat lang „Tag der offenen Türen“ bei der Werkstatt. Jeder, der interessiert daran war, wie das Leben eines Restaurators aussieht, konnte vorbeikommen. Und es sind sehr viele Leute gekommen- wir hatten sogar sechs, sieben Besucher pro Tag. Diese Aktion will ich unbedingt wiederholen. Denn es sind viele Leute, die mir schreiben, die auf Besuch kommen. Ich hatte auch Holzindustrie-Studenten im Praktikum. Ich bin ein Mensch, der gerne alleine ist und auch gerne alleine arbeitet, aber manchmal ist es schön, auch anderen einen Einblick in deine Arbeit zu zeigen.

Sagen wir, jemand hat seine alte Truhe restauriert. Was muss er nachher machen, damit sie so lange wie möglich in einem guten Zustand bleibt?

Ich erkläre meinen Kunden, mit welchen Substanzen sie die Truhe reinigen können und mit welchen nicht. Und es ist sehr wichtig, an welchem Ort im Haus diese Truhe aufbewahrt wird. Es soll kein feuchter Ort sein, und auch zu viel Sonnenlicht wird ihr schaden. Ebenfalls müssen sie aufpassen, nicht zu viele Sachen in die Truhe hineinzulegen. Wenn man die Truhe weiterhin verwenden will, ist es klar, dass sie schneller beschädigt sein wird. Sie steht ja nicht wie im Museum hinter einem Band, und niemand berührt sie, sondern sie wird benutzt. Und mein Ratschlag ist, diese alten Gegenstände so wenig wie möglich zu benutzen. Wenn du eine Truhe aus dem Jahr 1850 hast, solltest du deinen Fernseher am besten nicht darauf stellen.

Was ist der größte Fehler, den man mit alten Gegenständen machen kann?

Zu erwarten, dass ein komplett neues Möbelstück aus der Werkstatt kommt. Denn ein Restaurator sollte so wenig wie möglich eingreifen. Er darf bei seiner Arbeit nicht kreativ sein- also sollte er keine Änderungen machen. Auf keinen Fall sollten zum Beispiel alte Schränke in einer anderen Farbe gestrichen werden. Ideal ist es, wenn man gar nicht erkennt, dass an einem Gegenstand Eingriffe gemacht wurden.

Also wie bei Schönheitsoperationen.

Genau.

Neulich war ich in einer Pension, wo an allen Wänden alte schwarz-weiß Portraits der Familie der Besitzer an den Wänden hängen. Und in allen Zimmern befinden sich Gegenstände aus anderen Zeiten- Telefone mit Drehscheiben, Bügeleisen mit Kohlefach. Doch am schönsten sind die alten Möbel. Dieser sogenannte Vintage-Trend gibt es aber nicht nur in Pensionen oder Cafes, sondern auch in Privatwohnungen. Vielleicht hat man die Schränke von Ikea satt?

Ja, denn neue Möbel und Dekorationsgegenstände gibt es überall und sie kommen schneller aus der Mode als alte Stücke. Jeder hat Schränke von Ikea, und alle Wohnzimmer mit neuen Möbeln sehen gleich aus. Alte Möbelstücke aber sind einmalig. Und was am Schönsten an ihnen ist- alte Möbel erzählen eine Geschichte.

Deshalb ist es manchmal schön, wenn man die Kratzer auf den alten Truhen, Stühlen oder Kommoden auch nach der Restaurierung noch sehen kann.

Kontakt: 0740276972/ adela@drwood.ro