Der Mut von Ordensschwester Maria Alexandra Rabong

Die Notre-Dame-Schulen waren einst die besten Mädchenschulen im Banat

Schwester Maria Alexandra Rabong hatte 1942 mit einem entschlossenen „Nein!“ auf die Frage geantwortet, ob die Notre-Dame-Schulen zur Deutschen Volksgruppe übergehen. Foto: Diözesanarchiv Temeswar

Die Notre-Dame-Klosterkirche in der Temeswarer Josefstadt. In den Gebäuden rundherum war einst der Schulkomplex der Notre-Dame-Schwestern untergebracht. Foto: Zoltán Pázmány

Notre Dame: Diesen Namen verbinden die Banater Deutschen mit den herausragenden Mädchenschulen der Zwischenkriegszeit im Banat. Nur wenige wissen jedoch, dass in einer Zeit, in der die Deutsche Volksgruppe alle deutschen Schulen, staatliche wie konfessionelle, kontrollieren wollte, die Notre-Dame-Mädchenschulen die einzigen deutschen Schulen im Banat waren, die 1942 der nationalsozialistischen Organisation nicht ausgeliefert wurden. Dazu hatte sowohl die Tatsache beigetragen, dass die Notre-Dame-Schwestern die rumänischen Vorschriften für Privatschulen umgesetzt hatten, aber auch eine Nonne, die sich als Provinzialoberin an der Spitze der Notre-Dame-Schwestern befand und den Mut hatte, der Deutschen Volksgruppe ein entschiedenes „Nein!“ zu sagen: Maria Alexandra Rabong.

Der Notre-Dame-Orden blickt auf eine jahrhundertealte Geschichte zurück und selbst die Anwesenheit der Schwestern im Banat reicht bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Den Orden der Armen Schulschwestern Unserer Lieben Frau hatte der Bischof der Tschanader römisch-katholischen Diözese, Alexander Csajághy, im Jahr 1858 aus Deutschland hergeholt. Die Schulschwestern aus München hatten einen besonders guten Ruf, ihre pädagogischen Methoden kannte und schätzte der Bischof. Sie riefen im Banat die erste deutsche konfessinelle Schule für Mädchen ins Leben. 

Am 8. Oktober 1858 kamen also sechs junge Schulschwestern nach Temeswar und fanden Unterkunft im Innerstädtischen Kloster - das Gebäude gleich gegenüber des Hunyadi-Schlosses - das am 10. Oktober 1858 eingeweiht wurde. Anwesend war auch die Ordensgründerin, Mutter Theresia von Jesu Gerhardinger, eigens aus München angereist. Die Lehrtätigkeit begann in Temeswar bereits einen Tag nach ihrer Ankunft, am 11. Oktober. Die Ordensschwestern waren in einer städtischen Elementarschule mit drei Klassen beschäftigt, das Interesse seitens der Schülerinnen war aber so groß, dass die Schwestern eine für sie bestimmte Wohnung als Unterrichtsstätte zur Verfügung stellen mussten. Der Nachfolger Bischofs Csajághys, Bischof Alexander Bonnaz, sorgte in seiner 29-jährigen Amtszeit dafür, dass die Schulschwestern ihre Mission im Banat fortsetzen. Ihm ist es zu verdanken, dass die ersten zwölf Filialen im Banat eröffnet wurden.

Am 28. September 1860 übergab der Gemeinderat von Temeswar die Mädchenschule und die Kleinkinderbewahranstalt (Kindergarten) der Fabrikstadt, die im Haus Nr. 387 untergebracht waren, dem Orden. Die neue Schule wurde am 21. Oktober 1860 eröffnet, es folgte, nur eine Woche später, die Filiale in Perjamosch. Die pädagogischen Tätigkeiten der Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau verbreiteten sich im gesamten Banat und waren am Anfang ausschließlich deutsch. Der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867 bedeutete auch für die Schulen der Armen Schulschwestern eine große Umstellung. Wenn zu Beginn Ungarisch nur als Fremdsprache obligatorisch war, so mussten im Laufe der Jahre sämtliche Schulfächer auf Ungarisch unterrichtet werden, was die Schulwestern dazu brachte, die Sprache zu erlernen. Untereinander sowie in außerschulischen Gesprächen pflegten die Notre-Dame-Schwestern weiterhin die deutsche Sprache.

Die Schulschwestern zogen am 1. August 1881 in das im Renaissance-Stil errichtete Mutterhaus in der Temeswarer Josefstadt. Der Komplex umfasste ein Volksschulgebäude, einen Kindergarten, die Höhere Tochterschule u.a. Verwaltungsgebäude, aber auch eine imposante Klosterkirche, die am 8. Oktober 1895 durch Bischof Alexander Desewffy eingeweiht wurde. Die Armen Schulschwestern griffen überall ein, wo ihre Unterstützung gefragt war, so etwa in der Mehala, in Detta, in Großsanktnikolaus, Pankota oder Arad. Während des Ersten Weltkriegs wurde ein guter Teil der Schulen in Reservespitäler umgebaut, wobei zahlreiche Schulschwestern in den Pflegedienst traten. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs verblieben von den insgesamt 32 Ordenshäusern im historischen Banat zehn bei Ungarn, drei gingen an Serbien und die restlichen 19 an Rumänien, davon waren sieben in Temeswar angesiedelt. Die Armen Schulschwestern trugen in großem Maße zur Deutschtumsbewegung im Banat bei, denn schon nach dem Ersten Weltkrieg stellten sie den Unterricht so rasch wie möglich wieder auf Deutsch um.

Im Jahr 1931 wurde ein bedeutender Moment in der Geschichte der Notre-Dame-Schwestern verzeichnet. Der Orden feierte das 50-jährige Jubiläum seit seiner Anwesenheit in der Temeswarer Josefstadt. Große Feierlichkeiten fanden am 2. Mai 1931 statt, sogar König Carol II. besuchte die Klosterkirche in der Josefstadt in Begleitung des Ministerpräsidenten Nicolae Iorga, als Gastgeber fungierte der damalige Temeswarer Bischof Augustin Pacha. Zu diesem Anlass wurde Schwester Maria Alexandra Rabong, Provinzialoberin der Armen Schulschwestern, mit dem Verdienstkreuz ausgezeichnet, als Dank und Anerkennung für die Tätigkeit der Ordensschwestern. 

Im Josefstädter Gebäudekomplex entfalteten mehrere Lehranstalten ihre Tätigkeit: - das 1874 gegründete Mädchengymnasium mit deutscher Unterrichtssprache, das vier Klassen umfasste und 214 Schülerinnen, die von 12 Lehrkräften betreut wurden; - die 1881 gegründete röm.-kath. Lehrerinnen- und Erzieherinnenbildungsanstalt mit deutscher Unterrichtssprache, die drei Klassen umfasste und im Schuljahr 1936/37 von 78 Schülerinnen (12 in der Sektion für Erzieherinnen) besucht war, die von 16 Lehrerinnen betreut wurden; - die Übungsschule der röm.-kath. Lehrerinnenbildungsanstalt mit deutscher Unterrichtssprache, besucht von 79 Schülerinnen und betreut von 2 Lehrerinnen; - die röm.-kath. Mädchenvolksschule (sieben Klassen) mit ungarischer (1881) und deutscher Abteilung (1921), besucht von 316 Schülerinnen und betreut von sieben Lehrerinnen; - der röm.-kath. Kindergarten (1890) mit ungarischer und deutscher Abteilung und insgesamt 80 Kindern, betreut von jeweils einer Lehrerin; - die röm.-kath. Mädchen-Fortbildungsschule (1891 gegründet) mit rumänischer und deutscher Abteilung, mit insgesamt 60 Schülerinnen (davon 30 Deutsche); - das röm.-kath. Lyzeum oder die einstige Höhere Tochterschule (1892 gegründet). 

Die Armen Schulschwestern nahmen in ihren Einrichtungen nicht nur röm.-kath. Mädchen auf, sondern die Schulen waren für Mädchen aller Konfessionen offen, laut Archivdokumenten.  

Nicht die Magyarisierungs- und Rumänisierungsversuche sollten jedoch den Klosterschulen der Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau die meisten Probleme bereiten. Die Deutsche Volksgruppe, deren Einfluss auf die Banater Deutschen immer größer wurde, verbreitete eine gottlose Weltanschauung. Dies beschäftigte die Verantwortlichen seitens der konfessionellen Schulen immer mehr. Es war auch für die Schülerinnen der Klosterschulen verpflichtend, an den Treffen der Deutschen Jugend, der Jugendorganisation der Deutschen Volksgruppe, teilzunehmen. Nachdem die Deutsche Volksgruppe Ende 1940 zur juristischen Person öffentlichen Rechts anerkannt wurde und die sogenannten „völkischen Schulen“, die alle deutschen Kinder besuchen mussten, ins Leben rief, war es auch um die Klosterschulen schlecht bestellt. 

Die Lehrtätigkeit der Schulschwestern wurde von den Nationalsozialisten auf die Schippe genommen, ihre Lehrmethoden als altmodisch dargestellt. Mit Hilfe der Medien versuchten die Aktivisten der Deutschen Volksgruppe, die Banater Deutschen vom christlichen Glauben zu entfernen und natürlich auch die Klosterschulen in ein schlechtes Licht zu stellen. Die Repressalien gegen die Eltern, die ihre Mädchen in die Notre-Dame-Schulen schickten, paarten sich mit der ständigen Propaganda gegen die Ordensschulen. Dennoch schafften es die Schulschwestern, ihre pädagogische Tätigkeit – auch wenn unter großem Druck - weiterzuführen. So wurde weiterhin Religion an den Notre-Dame-Schulen unterrichtet und es wurden trotz des aufsteigenden Nationalsozialismus auch die traditionellen Wallfahrten nach Maria Radna unternommen, zum bedeutendsten römisch-katholischen Wallfahrtsort des Banats.

Es musste dann ganz konkret beschlossen werden: Auf einer Sitzung der Schulleitungen sollte abgestimmt werden, ob die katholischen Schulen der Volksgruppe übergeben werden, woraufhin die Provinzialoberin der Armen Schulschwestern, die Nonne Maria Alexandra Rabong, mit einem schrillen „Nein!“ reagierte. Die Klosterschulen wurden dank ihres entschlossenen Einsatzes nicht der Deutschen Volksgruppe ausgeliefert, sie wurden also von der Vereinbarung Bischof Augustin Pachas mit den Leitern der Deutschen Volksgruppe ausgelassen. Alexandra Rabong (1880 – 1951), gebürtig aus einer deutschen Bauernfamilie aus Orzydorf, war mit 22 in den Orden der Armen Schulschwestern eingetreten, hatte nach Lehrertätigkeiten in Lippa und Debrezin den Weg nach Temeswar gefunden, wo sie zunächst als Direktorin der Handelsoberschule der Notre-Dame-Schwestern fungierte und zwischen 1928 und 1948 Ordensprovinzialin für ganz Rumänien war. Ihr war es also zu verdanken, dass die schulischen Einrichtungen der Ordensschwestern in der Zeit, in der die Deutsche Volksgruppe das Sagen über die deutschen Schulen Rumäniens hatte, sich allein verwalten durften, weiterhin nach den Regelungen des Partikularschulgesetzes von 1925, und eigentlich nach den Vorschriften, die für alle staatlichen Schulen in Rumänien galten. Eine Lehrerinnenbildungsanstalt, ein Lyzeum und fünf Notre-Dame-Untergymnasien blieben weiterhin als Ordenseinrichtungen im Betrieb und hatten lediglich vor dem Bildungsministerium und der dem Ministerium untergeordneten Direktion für den Privat- und konfessionellen Unterricht zu verantworten. 

Ab 1943 verschlechterte sich die Kriegslage im Banat. Am 16. und 17. Juni 1944 fielen die ersten Bomben auf Temeswar, bis schließlich am 3. Juli 1944 der Gebäudekomplex in der Josefstadt von einer Bombe getroffen wurde. Niemand kam ums Leben, jedoch standen Lyzeum und Internat in Schutt und Asche. Laut einem Informationsschreiben Nr. 18/1945, am 26. November 1945 an den Generalschulinspektor versandt, waren im Schuljahr 1944/45 im röm.-kath. Mädchenlyzeum in der Innenstadt 81 Schülerinnen, in vier Klassen, eingeschrieben. Am Lyzeum wurde auf Deutsch unterrichtet, zumal die große Mehrheit – 70 Schülerinnen – deutscher Nationalität waren. 

Fest steht also: Da die Klosterschulen nicht der Deutschen Volksgruppe ausgeliefert wurden, wurde an diesen Schulen – unter äußerst schwierigen Bedingungen, aber doch kontinuierlich – weiterhin auch auf Deutsch unterrichtet. 

Im November 1944 begann das Schuljahr am Gymnasium in der Josefstadt in ungeheizten Klassenzimmern, aber immerhin gab es wieder Schulverkehr. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der Notre-Dame-Schulkomplex in Temeswar große Probleme. Während des Kriegs wurde der zweite Stock des Gebäudes in der Josefstadt komplett zerstört. Auch viel Schulmaterial ging verloren. Dennoch funktionierte das Lyzeum schon 1947 mit zehn Klassen, davon die 1. und 2. Klasse als Parallelklassen. Insgesamt 467 Schülerinnen unterschiedlicher Nationalitäten und Konfessionen besuchten im Schuljahr 1947/48 die Temeswarer Schule, „eine wahre demokratische Schule, wo kein Unterschied zwischen Volk und Glaube gemacht wird“, hieß es in einem Bericht eines Temeswarer Schulinspektors vom 7. Juni 1947. 

Das als Sanatorium für die Schulschwestern verwendete Marienheim in der Fabrikstadt wurde im September 1944 von den russischen Truppen geplündert und in ein Lazarett umgewandelt. Die Russen übernahmen auch das innerstädtische Kloster, die erste Niederlassung der Armen Schulschwestern, wie auch das Kloster in der Fabrikstadt. Ein Teil des verbliebenen Gebäudekomplexes wurde als Lazarett genutzt, dann als Sammellager für Volksdeutsche, die nach Kriegsende in ihre Heimat zurückgekehrt waren, bis zum 26. März 1946, als daraus eine russische Schule wurde. Die Schulschwestern hatten nur das einstige Internat mit den Nebenräumen als Unterrichtsstätte. 

Doch es sollte nur drei Jahre deutlich schlimmer kommen: Die antikonfessionellen Maßnahmen von 1948 und insbesondere die antimonastischen Maßnahmen von 1949, die die Mönche und Nonnen aus ihren Klöstern vertrieben oder sie zwangen, ihre Ordensgewänder abzulegen, bedeuteten das Aus für diese Orden in Rumänien. Damals waren auf dem Gebiet der Temeswarer Diözese 28 Filialen des Notre-Dame-Ordens im Betrieb, wobei der Orden in Rumänien etwa 420 Mitglieder zählte. In jenen Jahren gingen die deutschen konfessionellen Schulen des Banats komplett zu Grunde. 

Heute gibt es, seit 2002, in der Temeswarer Josefstadt einen Notre-Dame-Kindergarten neben der Klosterkirche, der von drei Schulschwestern und mehreren weltlichen Mitarbeitern betreut wird. Nach der Wende von 1989 konnte der Orden einigermaßen wieder Fuß fassen in Rumänien und ist seitdem wieder offiziell auch in Temeswar präsent.