1938: Der Terrornovember der Legionäre (3)

Teil 3: 1938 gab es in ganz Rumänien eine Häufung von ideologisch motivierten Hassanschlägen, die vor allem Juden im Visier hatten

(Fortsetzung vom 27.11.)

Aufgrund ihrer Untersuchungen konnten die Behörden die Legionäre identifizieren, die den blutigen Terroranschlag mit Handgranaten im Temeswarer Gemeindetheater bei vollem Saal – die Zuschauer waren überwiegend Juden, Sidy Thal bestritt ihre Vorstellung auf jiddisch – am 26. November 1938 verübt hatten. Vier Personen waren beim Granatenanschlag getötet, sieben verletzt worden. Der Attentäter war Ferdinand Ghedeon, ein ethnisch Deutscher aus dem Südbanat (Ferdinandsberg/heute Oțelu Roșu), der zur Orthodoxie übergetreten war und Mitglied der Eisernen Garde wurde.

Das Begräbnis von drei der Opfer des Attentats von Temeswar – Barthold Eckstein, Serena Hirsch und Izidor Segal – fand am 28. November 1938 statt. Der Geheimdienst Siguranța hat die Beerdigung aufmerksam verfolgt und unter strenge Beobachtung gestellt. Er hielt fest, dass etwa 1000 Personen zum Begräbnis gekommen waren und dass der Rabbiner sich in seinen Abschiedsworten im Rahmen der Begräbniszeremonie davor hütete, Anspielungen an politische Aspekte der Bluttat zu machen. Am 30. November folgte die Beerdigung von Simon Hirsch, des vierten Opfers des blutigen Temeswarer Anschlags.

In den Berichten der Behörden zur Bluttat kommt auch die „Atmosphäre der Besorgnis“ zur Sprache, die in den Reihen der Temeswarer jüdischen Bevölkerung nach dem Anschlag geherrscht hat. Auch finden sich hier die ersten Zusammenfassungen der Untersuchungen, noch bevor diese endgültig abgeschlossen waren. Denn das Sammeln von Informationen und deren Zentralisierung ging weiter, ebenso wie die Identifizierung von Verdächtigen, deren Verhöre, und die Registrierung der Aussagen der Zeugen. Es werden Tatbestände rekonstruiert, Hausdurchsuchungen vorgenommen, einschließlich in der deutschen Buchhandlung von Temeswar – wo von den Fahndern der Polizei verbotenes Nazi-Propagandamaterial gefunden wurde.

Im Fadenkreuz der Fahnder befindet sich zu Beginn der Untersuchungen ein Student, Mitglied der Eisernen Garde, gebürtig aus Großkomlosch/Comloșul Mare, Vasile Jebeleanu, sowie ein anderer Student (des Polytechnikums), Mitglied der Legion des Erzengels Michael, Oreste Totoescu. Erst am 10. Januar 1939 meldet der Leiter des Büros Temeswar des Geheimdienstes Siguran]a der Generaldirektion der Polizei in Bukarest, dass es der Siguranța gemeinsam mit der Militär- und bürgerlichen Staatsanwaltschaft gelungen sei, „die Urheber des Attentats mit Sicherheit und endgültig“ zu identifizieren. Im Bericht steht nun ausdrücklich, dass „der faktische Täter“ („autorul material“), also „derjenige, der den Anschlag unmittelbar ausgeführt hat, indem er die zwei Handgranaten in den Saal geworfen hat, Ghedeon Ferdinand ist, Schlosser im Eisenbahndepot CFR von Temeswar, geboren in der Gemeinde Ferdinand (heute die Stadt Oțelu Roșu), Landeskreis Severin, Sohn der Eltern Florian und Carolina Lenhardt, ethnisch deutschen Ursprungs, 32 Jahre alt, verheiratet, ein Kind“.

Als „Komplizen und moralische Täter“ werden im Bericht der „Student Fleschin Petru, III. Jahrgang Mechanikabteilung, Stănescu Petru, Student, III. Jahrgang Bergbauabteilung, beide von der Polytechnischen Schule in Temeswar, und Popa Ioan genannt, ein ehemaliger Schlosser der Eisenbahnwerkstätten CFR Temeswar, von wo er entlassen wurde, weil er eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten wegen Legionärstätigkeit absitzen musste, nachdem die Partei ‘Totul pentru Țară’, deren Mitglied er war, aufgelöst wurde.“ Popa sei zu verängstigt gewesen, um direkt am Anschlag teilzunehmen, hatte aber weitere zwei Handgranaten und zwei Schusswaffen versteckt, die später bei der Hausdurchsuchung von der Polizei gefunden wurden. Von Popa weiß man, dass er wiederholt an ähnlichen Aktionen beteiligt gewesen war, denn er wurde in seiner Haftzeit u. a. für Verhöre nach Klausenburg geschickt. Ghedeon und Stănescu wurden der Staatsanwaltschaft in Temeswar übergeben. Aus den uns zugänglichen Dokumenten geht nicht hervor, dass einer von ihnen (oder beide) gerichtlich verurteilt worden wären. 

Hingegen weiß man heute, dass in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1939, unter dem Vorwand, dass sie versucht hätten, durch Flucht einer Polizeieskorte zu entkommen, eine Gruppe Legionäre von der Polizei einfach erschossen wurde. Unter den Erschossenen befanden sich auch Ioan Popa, Petre St²nescu und Petre Fleschin, aber auch alle, die als Täter und/oder Mittäter beim Attentat auf die Synagoge von Karlsburg/Alba Iulia dabei waren. Über diese Exekution der Legionäre durch Erschießung und ohne jedwedes gerichtliches Urteil erfuhr geraume Zeit später die in Ungarn erscheinende Zeitung „Szabad Szó“. Indem sie reelle Informationen mit Gerüchten kolportierte, die zum Vorfall von Huedin im Siebenbürgischen Erzgebirge und in Westrumänien im Umlauf waren, behauptet die ungarische Zeitung in ihrer Ausgabe vom 12. März 1939, dass „die Legionäre mit mehreren Schüssen getötet wurden“ und präzisiert: „Übrigens waren unter den Getöteten sieben Bombenattentäter, von denen fünf Studenten des Temeswarer Polytechnikums waren, der sechste war ein Temeswarer Mechaniker/Installateur und der siebente war ein Schwabe, ein Bauer.“

In rumänischen Veröffentlichungen der Nachwendezeit wird die Erschießung von Inhaftierten/Gefangenen bei Huedin erwähnt, die in der Nacht des 13./14. Februar 1939 geschehen ist, wobei sechs Namen genannt werden: Petre Fleschin, Petre Stănescu, Ioan Popa, Zenovie Borzea (manchmal auch: Zenovie Borza), Petre Aurel Hodrea, Victor Gruiță. Bis heute konnten wir keinen offiziellen Bericht zum Mordfall der Polizei von Huedin ausfindig machen. 

(Übersetzung und Bearbeitung: W.Kremm)