275 Jahre Burgtheater auch im 235 Jahre erfahrenen Hermannstadt

Auch zum 30. Mal in Folge verspricht das FITS seinen Zuschauern Ausnahmequalität

Constantin Chiriac (rechts) in seiner Hauptrolle, die nicht mehr weiter erklärt werden braucht. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Von Musik begleitete Drohnen-Spektakel zum Start und Schluss am späten Abendhimmel, und zur Eröffnung ein Konzert auf nicht mehr und nicht weniger als sieben Orgeln in der evangelischen Stadtpfarrkirche: Dienstag, am 25. April, wurden im Foyer des Radu-Stanca-Theaters die Eckdaten und ausgesuchte Spitzentermine der 30. Auflage des Internationalen Theaterfestivals Hermannstadt/Sibiu (FITS) vom 23. Juni bis 2. Juli 2023 beworben. Natürlich von Constantin Chiriac, für den die Jubiläumsedition der traditionell zehntägigen Großveranstaltung unter keinem anderen Motto als dem eines „Wunders“ auftreten kann. Den wohl größten Trumpf spielte Hermannstadts weltweit bestens vernetzter Theater-Intendant gleich zu Beginn der Pressekonferenz am Vormittag der Bekanntgabe des gesamten Festivalprogramms auf der Homepage sibfest.ro aus – trotz einer Verdoppelung oder gar Verdreifachung der Kosten im Vergleich zum Vorjahr würden die Kartenpreise um keinen einzigen Leu angehoben. Die günstigsten Tickets werden 30 Lei und Eintrittskarten für die am teuersten gewerteten Gastspiele 150 Lei kosten. Erneut stehen über 800 Teilveranstaltungen des FITS binnen zehn Tagen an, was Hermannstadt quantitativ längst schon gewohnt sein muss. Eine Neuerung aber könnte besonders Gästen zusagen, die von früh bis spät nicht nur oberflächlichem Genießen nachhängen, sondern stadtweites Eintauchen in den Festivalrausch suchen. Damit gemeint ist die Information, dass der Verleih eines Fahrrads für die Gesamtdauer des FITS 2023 unschlagbare 80 Lei kosten wird.

Vielbesucher des FITS haben auf so ein Angebot zur Fortbewegung mitunter lange gewartet. Die Anfahrt zur Kulturfabrik, dem Ort der seit Jahren berühmten Faust-Inszenierung durch das Radu-Stanca-Theater oder etwa des Gastspiels der Schaubühne Berlin mit dem kritischen Drei-Personen-Stück „(Kein) Weltuntergang“ von Chris Bush, dürfte mit dem Fahrrad viel weniger aufreibend als mit dem Pkw oder Taxi zu erledigen sein. Genauso auch die Rückfahrt von dort in Hermannstadts Zentrum, wo spannende Aufführungen wie beispielsweise „Die Geschichte vom Soldaten“ von Igor Strawinsky mit Faust-Interpret Miklos Bacs aus Klausenburg in der Rolle des Ich-Erzählers und in Begleitung des Ensembles „Musica Ricercata“ unter Leitung von Gabriel Bebe{elea geplant sind. Und ein Glück, dass der Einmann-Klassiker „Dorian Gray“ von Oscar Wilde mit Markus Meyer vom Wiener Burgtheater, der zweimal im Radu-Stanca-Theater auftreten wird, von Constantin Chiriac und dem Team des FITS nicht ausgerechnet für die teuerste Preiskategorie bestimmt wurde.

„All das, was ich getan habe, habe ich nicht wegen meiner Eitelkeit oder für meinen Stolz getan!“, beteuert Schauspieler und Intendant Chiriac, dem Anfang Oktober 2023 sein 63. Geburtstag bevorsteht. Eine gewisse Begabung und ausgewiesene Neigung, Diplomaten, Spitzenpolitiker und überhaupt Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens für die Sache des Radu-Stanca-Theaters und noch viel mehr des FITS zu gewinnen, ist ihm dennoch ureigen, dem zielstrebigen Akteur mit der gebündelten Kontrolle über das Kulturgeschehen in ganz Hermannstadt. Einen Tisch mit Glasfläche und knallrotem Gestell, hinter dem Kulturminister Lucian Romașcanu (PSD) als Gastredner des FITS 2022 Platz genommen hatte, nutzte kürzlich auch Constantin Chiriac zur Bekanntgabe des Festivalprogramms für 2023. Immerhin unterstützt das Ressort von Lucian Romașcanu die FITS-Jubiläums-Auflage mit viereinhalb Millionen Lei. Chiriac ist aktuell Mentor des Promotions-Studiums von Romașcanu an der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt. Als den weitaus „größten Finanzgeber“ bezeichnet Constantin Chiriac das Rathaus, womit er nicht unrecht behält: neun Millionen Lei lässt sich die Verwaltung Hermannstadts die 30. Auflage des FITS kosten. Nur 20 Prozent des Gesamtetats stammen aus dem Staatshaushalt. An der Behauptung von Chiriac, das von ihm gegründete und geführte Theaterfestival wäre eine unabhängige Veranstaltung und Einrichtung, ist wirklich etwas dran.

Noch nicht lange Jahre her ist der gescheiterte Versuch Constantin Chiriacs, die Faust-Inszenierung des Radu-Stanca-Theaters auf den Spielplan der Salzburger Festspiele setzen zu lassen. Lobby für das Gastspiel des Hermannstädter Ensembles hatte einschließlich Ioan Holender unternommen, doch blieb das Vorhaben im Wiener Büro des Rumänischen Kulturinstituts (ICR) sang- und klanglos stecken. Den Intendanten des FITS hat das zweifelsohne gewurmt. Bald am 12. Mai dagegen verspricht Constantin Chiriac sich Wien persönlich vorzuknöpfen. In der Hauptstadt Österreichs steht eine Konferenz im Vorfeld der 30. Auflage des FITS an, die Rumäniens Botschafter Emil Hurezeanu ausrichtet. Sogar Klaus Maria Brandauer soll seine Teilnahme daran zugesagt haben. „Von Schengen wird dort nicht die Rede sein“, unterstreicht Chiriac. Doch von „der Bedeutung einer strategischen Partnerschaft“ und dem Fakt, dass man sich in Hermannstadt und Rumänien bekanntlich bestens darauf versteht, „gleichauf“ zu sein. Kein „Wunder“.