50 Jahre seit dem ersten Weltkongress der Roma

1971 wurden im englischen Orpington die Fahne, die Hymne und die Bezeichnung „Roma“ festgelegt

Die Flagge ist bis heute ein wichtiges Symbol der weltweiten Roma-Bürgerrechtsbewegung.

Dunkelblau und grasgrün, in zwei breiten Längsstreifen – der tiefblaue Himmel und das Grün der Natur, zusammengehalten vom roten neunspeichigen Rad des Shiva – ein Verweis auf Indien, dem Herkunftsland der europäischen Roma – mit großer Radnabe, das Symbol ewiger Bewegung und Wanderschaft, das beide Farbfelder bis zum Rand umfasst, so zeichneten und interpretierten die 23 Roma-Vertreter aus einigen der Länder Europas, wo die Minderheit ansässig ist, auf ihrem Weltkongress 1971 im Londoner Bezirk Orpington, damals der Grafschaft Kent zugehörig, ihre Fahne, die die ihnen bedeutsamsten Symbole und Werte vermitteln sollte: Weite, Freiheit, Bewegung. Und sie fordern, ab nun „Roma“ genannt werden, nach ihrer Bezeichnung für „Mensch“ – „Rom“ (weiblich: „Romni“, Plural Romn(i)ja), in etwa als Pendant zum „Inuit“ der Eskimos (meinte damals der Vertreter Finnlands), und ihre Sprache sollte das „Romani“ sein.

An die vor 50 Jahren per Übereinkunft festgelegten Symbole knüpfte sich auch die Hoffnung, dass dies der Ansatz zur Änderung der Vorurteile werde, die den Roma in ganz Europa entgegengebracht wurden und werden, vorwiegend aber in Ungarn, auf dem Balkan, auch in Rumänien. Die folgenden Weltkongresse der Roma – an einigen nahm auch der nachmalige „König der Roma Rumäniens“, der Hermannstädter Ioan Cioabă, teil – rückten u. a. den Völkermord an den Roma Europas der faschistischen Regimes (auch Rumäniens!) in den Vordergrund und ins Bewusstsein der Menschheit, legten den Internationalen Tag der Roma am 8. April fest oder beschäftigten sich mit dem Thema der bis ins tiefe 19. Jahrhundert praktizierten Sklaverei der Roma (im Habsbur-gerreich, also auch in Siebenbürgen, wurden sie unter Kaiser Joseph II 1786 aus der Leibeigenschaft entlassen, im Fürstentum der Moldau aber erst 1855 aus der Versklavung – „şerbie“ – unter Fürst Grigore Alexandru V. Ghica – und in der Walachei erst ein Jahr darauf, unter Fürst Barbu Stirbei, 1856 – faktisch vor wenigen Generationen...).

Am ersten Weltkongress hatten Vertreter aus der Tschechoslowakei, Finnland, Norwegen, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Ungarn, Irland, Spanien und Jugoslawien sowie Beobachter aus Belgien, Kanada, Indien und den USA teilgenommen. Doch viele Experten und Vertreter der europäischen Roma meinen heute, 50 Jahre später, dass die Dynamik der Exklusion, die soziale Ungleichheit und die krasseste Armut weiterhin im tagtäglichen Leben der Mehrheit der europäischen Roma grassieren. In den vergangenen Jahren kam in Rumänien ein politischer Diskurs hinzu (bzw.: wurde wiederbelebt), der, von einem als krankhaft zu bezeichnenden Nationalismus (vor allem auf gewissen Foren im Internet) und einem die Exklusion fördernden Ethnozentrismus geprägt, gegenüber den Roma extrem hart und empathielos verfährt und die Marginalisierung vertieft.

All diese Themata sprach der Reschitzaer Verein Nevo Parudimos im Rahmen einer Online-Veranstaltung an, an der sich lokale und internationale Volontäre sowie europäische Partner des Vereins beteiligten. Hauptthema der Aktivitäten von Nevo Parudimos ist die Bekanntmachung der Lage vieler Roma und deren Verbesserung durch mehr Inklusion, durch bessere Kenntnis der Geschichte und Kultur (Rumäniens), durch Befähigung, sich im sozial-politischen sowie im Kultur- und Bildungsleben besser einzubringen.

Gegenwärtig arbeitet Nevo Parudimos mit 14 internationalen Partnern zu diesem Themenkomplex zusammen, im Projekt Dream Road – Danube Region for better access and empowerment of Roma development (DTO3 -383-4.1), durch welche die institutionellen Fähigkeiten verbessert werden sollen, mittels welcher die Probleme zu lösen wären, mit denen die Roma Rumäniens konfrontiert sind. Es geht um die Herausarbeitung neuer Strategien und Pläne zwecks Verbesserung des Alphabetisierungsgrads (was auch auf digitale, informationale und funktionale Alphabetisierung abzielt), um internationale Allianzen zu diesem Zweck.

Im Rahmen der Online-Veranstaltung zur Erinnerung an den ersten Weltkongress der Roma wurde die Vorgehensweise im Dream-Road-Projekt erläutert, wobei die zahlreichen jungen Roma, die sich zu Wort meldeten, eingeladen wurden, sich aktiv einzubringen bei der Umsetzung des Projekts.