Aber doch nicht an Weihnachten!

Podiumsdiskussion und Filmvorführung in Berlin: „Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in Rumänien“

Bogdan Cristian Iacob vom ICCMER mit dem Journalisten Alfred Eichhorn in Berlin
Foto: Stiftung Aufarbeitung

Anfang Dezember fanden sich auf Einladung der deutschen Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur der Bukarester Professor Dr. Bogdan Murgesu, Bogdan Cristian Iacob vom Institut zur Erforschung der kommunistischen Verbrechen und der Erinnerung an das rumänische Exil (ICCMER) und der deutsche Dramaturg und Produzent Jens Dietrich im nasskalten Berlin ein.

Moderiert vom erfahrenen Radiojournalisten Alfred Eichhorn entspann sich eine Veranstaltung, die trotz einer offenbar ziemlich hemdsärmeligen Planung durch die Veranstalter ihre erhellenden Momente hatte. Hemdsärmelig deswegen, weil zum aktuellen Stand einer wie immer gearteten Aufarbeitung oder Auseinandersetzung des heutigen rumänischen Gemeinwesens mit der Zeit vor 1989 relativ wenig Neues von den Vortragenden zu hören war. Das, was zu hören war, klang sehr resigniert. Auf die Frage, ob Herta Müller mit der Aussage recht habe, dass der Kommunismus nicht aufgearbeitet worden sei, bekräftigte Bogdan Cristian Iacob genau dies auch. Er verwies auf die zu kleinen wissenschaftlichen Institute und das Desinteresse der rumänischen Öffentlichkeit. Auch Bogan Murgesu musste zugeben, dass es an seiner Universität kein eigenes Institut für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema gebe. Er verwies allerdings auf seinen Lehrstuhl.

Erhellend war die Auseinandersetzung zur korrekten Übersetzung des deutschen Begriffes: Wörtlich übersetzt wäre Aufarbeitung im Rumänischen reprocesare. Iacob erklärte, dies würde in der rumänischen Sprache im deutschen Wortsinn so nicht benutzt. Er schlug stattdessen asumare vor, um auszudrücken, dass man, um ein Trauma anzunehmen, davon tiefere Kenntnis haben und dies auch publik machen müsse. Anneli Ute Gabanyi, deutsche, in Bukarest geborene, Politologin, schüttelte dazu heftig den Kopf. Sie erklärte außerdem, dass in Rumänien seit den neunziger Jahren entgegen der Aussage von Iacob sehr viel auch von der Zivilgesellschaft gemacht worden sei. Sie verwies auf die Gedenkstätte Sighet und das Institut der Erforschung des Totalitarismus der Rumänischen Akademie und die Publikationen des CNSAS und forderte Iacob und seine Institution auf, sich noch spezieller mit der rumänischen Variante des Kommunismus zu beschäftigen.

Der Fokus der Veranstaltung ruhte weiter klar auf den Ereignissen vom Dezember 1989, dies auch natürlich durch den im Anschluss gezeigten Film „Die letzten Tage der Ceauşescus“. Dieser Film von Milo Rau zeigt Szenen aus dem im Bukarester Odeon-Theater gezeigten gleichnamigen Stück. Dieses schlug in Bukarest 2009 vor allem deswegen hohe Wellen, weil der Ceauşescu-Sohn Valentin es gerichtlich verbieten lassen wollte. Im Stück und im Film wird die Gerichtsverhandlung, die zur Exekution von Nicolae und Elena Ceauşescu führte, anhand der überlieferten Protokolle und Videoszenen nachgespielt. Dieses Konzept erklärte der Dramaturg und Produzent als Reenactment. Damit wolle man historisch sensible Themen künstlerisch bearbeiten und gleichwohl neu „auf die Bühne bringen“, um bestenfalls zu zeigen, „was dahinter stecke“!

Doch die offenen Fragen zu den Dezembertagen 1989 wurden ganz am Anfang der Veranstaltung durch den Vortrag von Dr. Murgesu am klarsten. Er erklärte, dass die Unsicherheiten schon mit den Begriffen anfingen. Während beispielsweise die rumänischen Schulbücher von der rumänischen Revolution schreiben, sprechen andere von einem Staatsstreich oder vorgeblich meinungsneutral von den Ereignissen. Dies sei ganz klar eine Folge der Unklarheiten der Ereignisse damals und vor allem der unklaren Bewertung im Nachhinein. Am interessantesten vielleicht für die Berliner Zuhörer war seine These, dass dies an der Ablehnung der Iliescu-Regierung der ersten Jahre nach 1989 durch einen Großteil der Intellektuellen läge. Durch das Gefühl der Intelligenz, von Altkommunisten um die Revolution betrogen worden zu sein, konnte es demnach zu keinem gesellschaftlichen Konsens über die Bewertung von 1989 kommen. Vielmehr habe es eine Polarisierung auf die Person Iliescus gegeben, die bis heute wirkt.

Ob der gezeigte Film oder das zugrunde liegende Theaterstück 2009 in Bukarest langfristig zu einer Neubewertung der geschichtlichen Ereignisse führen werden, bleibt abzuwarten. Dem Film fehlt merkwürdigerweise jegliches Beklemmende des Theaterstücks. Ob dies an der vom Berliner Publikum kritisierten pathetischen Filmmusik liegt, ist schwer zu beantworten. Jedenfalls fasste Anneli Ute Gabanyi die Stimmung unter den rumänischen Bürgern 1989 nach Bekanntgabe der Exekution des Diktatorenehepaars mit dem Satz: „Aber doch nicht an Weihnachten!“ zusammen.