Abschied von Bukarest

Beate Köhler, Leiterin des Goethe-Instituts, blickt zurück auf ihre Zeit in Rumänien

Staffelübergabe: Beate Köhler (l.) auf ihrer Abschiedsfeier im ARCUB und ihre Nachfolgerin Dr. Evelin Hust
Foto: Goethe-Institut

Als Beate Köhler 2009 von ihrem Posten in Kairo nach Bukarest kam, befand sich das Land in keiner ganz einfachen Situation. Die internationale Finanzkrise und in Folge die politischen Krisen zogen auch die Kulturlandschaft beispielsweise durch drastische Mittelkürzungen in Mitleidenschaft, und das Goethe-Institut selbst musste mit räumlich schwierigen Verhältnissen kämpfen (wir berichteten ADZ 13. Dezember 2011). Angesichts der Fülle an Programmen, kulturellen Angeboten und unterschiedlichsten Aufgaben, die nicht zuletzt der Präsentation des aktuellen deutschen Kulturschaffens in Rumänien dienen, zieht Beate Köhler im Gespräch mit Angelika Marks Bilanz und gibt auch ein paar Ausblicke auf zukünftige Aktivitäten.


Frau Köhler, neben Ihrer Funktion als Leiterin des Goethe-Instituts sind Sie auch für die Kulturprogramme zuständig. Um einmal mit einem positiven Aspekt zu beginnen – welches waren hier die herausragendsten Ereignisse der vergangenen Jahre, auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?

Hinsichtlich seiner Publikumswirksamkeit, aber auch hinsichtlich des positiven Feedbacks in der Presse und den positiven Auswirkungen auf die Förderung unserer Übersetzertätigkeiten zählt sicher der Auftritt auf dem „Bookfest 2013“ unter dem Titel „Drei Länder eine Sprache – Deutschland, Österreich und die Schweiz auf der Bukarester Buchmesse“ zu den Höhepunkten. Diese Kooperation war entstanden aus der Idee heraus, dass die deutsche Literatur ja nicht nationengebunden ist und folglich auch besser durch alle drei deutschsprachigen Länder vertreten werden sollte. Neben dem gemeinsamen Messestand gab es auch viele Veranstaltungen in der ganzen Stadt, was insgesamt die Präsenz der deutschen Sprache in Bukarest erfreulich erhöhte.

Ebenso konnten so die unterschiedlichen Kooperationen mit Organisationen wie dem europäischen Netzwerk „Traduki - Übersetzungen aus, nach und in Südosteuropa“ angeschoben werden, dem  Rumänien jetzt auch beigetreten ist.

Als weitere Kooperation, diesmal mit unseren südosteuropäischen Regionalpartnern, möchte ich die Ausstellung „Europa. Südost – Eingeschriebene Erinnerungen“ 2014 im Museum für zeitgenössische Kunst in Bukarest (MNAC) nennen. Neben der eigentlichen Ausstellung hat mich hier beeindruckt, dass uns viele Rumänen gesagt haben: „Ich bin zum ersten Mal hierhergekommen, weil es mir wichtig war, diese Ausstellung an diesem Ort zu sehen.“ Das heißt, dass sich durch diese Ausstellung das Verhältnis, das viele Rumänen bisher zu diesem Parlamentspalast hatten, neu gestaltete.

Ein Programm, das auch weite Teile des Bukarester Publikums angesprochen hat und sich großer Beliebtheit erfreute, sind die Aufführungen alter Stummfilme mit Orchesterbegleitung im Athenäum, wie „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ 2013 oder „Die Büchse der Pandora“ 2014. Bei dem letzten Stück konnten wir einen jungen deutschen Komponisten, Dominik Schuster, verpflichten, für uns eine neue Filmmusik zu komponieren, da das Original verschollen ist. Diese Reihe werden wir im Herbst in Zusammenarbeit mit der Bukarester Oper mit dem „Rosenkavalier“ fortsetzen.

Außerhalb von Bukarest unterstützen wir regelmäßig die Teilnahme deutscher Bühnen und Produktionen an Theaterfestivals wie zum Beispiel dieses Jahr in Hermannstadt, wo Deutschland einen Schwerpunkt bildet mit so renommierten Regisseuren wie Armin Petras, der mit dem Schauspiel Stuttgart unter anderem den „ Besuch der alten Dame“ aufführen wird.

Weniger auffällig, aber ebenso bedeutsam, sind unsere Filmprogramme, da es gerade in Rumänien eine sehr renommierte und dennoch innovative junge Filmszene gibt, in die wir gerne durch unsere Vorstellungen involviert werden möchten, ganz abgesehen davon, dass ich das Bukarester Publikum als sehr interessiert und anspruchsvoll kennengelernt habe.

Ebenso wichtig sind die vielen Workshops, die sich direkt an Studenten wenden. Als Beispiel möchte ich hier nur die Zusammenarbeit mit der Bukarester Kunstakademie nennen, mit der wir gerade einen 24-Stunden-Workshop mit dem deutschen Comicautor Mawil (Kinderland) durchgeführt haben.

Als letzten Punkt möchte ich noch die Künstlerresidenzen erwähnen, da hier auch Potenzial für die Veränderung des Rumänienbildes in Deutschland liegt. Künstler wie zuletzt Elena Katz und vorher Axel Braun können schließlich dazu beitragen, auch in Deutschland ein differenzierteres Bild von Rumänien zu schaffen.


Angesichts Ihrer Erfahrung an anderen Standorten: Gibt es ein Alleinstellungsmerkmal für ihre Arbeit hier in Rumänien? Inwiefern unterschied sie sich zu anderen Standorten?

Wenn man aus einem anderen Kulturbereich, wie ich zum Beispiel aus dem arabischen hier herkommt, fällt schon auf, dass es in Osteuropa andere Schwerpunkte und auch Fragen gibt.

Zum einen gibt es hier weniger Nachfrage nach Work-Shops zum Know-how-Transfer über Bildungsinhalte, eher stehen hier Fragen zu Kooperationen, Beteiligungen an europäischen Netzwerken usw. im Vordergrund. Wobei wir immer wieder beobachten, dass es viel leichter ist, z. B. Partner aus Ostdeutschland mit hiesigen Partnern zu vernetzen als westdeutsche Institutionen. Insbesondere in der Republik Moldau, für die das Goethe-Institut Bukarest ja auch Kulturprogramme entwickelt, klappt die Zusammenarbeit mit Institutionen und Künstlern aus Dresden oder Leipzig oft besser, weil es ein größeres kulturelles Verständnis füreinander gibt.

Einen inhaltlichen Schwerpunkt sehe ich in der Aufarbeitung der Vergangenheit, sowohl der jüngsten nach als auch vor ´89. Theaterprojekte über die Securitate konnten da viele Diskussionen anstoßen und erfuhren eine lebhafte Resonanz. Aber auch Filmprojekte wie das des Rumänen Răzvan Georgescu, „Ein Pass für Deutschland“, das sich mit dem Freikauf der Rumäniendeutschen während der Ceauşescu-Ära beschäftigt, haben viel Aufmerksamkeit erregt.

Da Sie hier die deutsche Minderheit ansprechen. Ihre Aktivitäten beschränken sich ja nicht nur auf Bukarest, sondern Sie sind auch für eine Reihe von Institutionen in ganz Rumänien verantwortlich. Wie verlief die Kooperation mit den Kulturzentren in Siebenbürgen, im Banat oder auch in der Republik Moldau, auch in Hinblick auf die Rolle der deutschen Minderheit in den einzelnen Landesteilen?

Obwohl die deutschen Minderheiten heute zahlenmäßig nicht mehr so stark vertreten sind, erfahren sie eine hohe Anerkennung durch die rumänische Gesellschaft und verschaffen so der deutschen Kultur auch einen hohen Stellenwert. Außerdem sind durch die vielen deutschen Schulen und deutschsprachigen Hochschulzweige und Institutionen das Sprachniveau und die Verbreitung viel höher als in anderen Ländern. In unser Netzwerk fallen alleine sechs Kulturzentren, vier Lesesäle und wir betreuen im Rahmen von PASCH und unserem Projekt „Ein Labor für Physik und Sprache“ sehr intensiv 14 besonders gute rumänische Gymnasien.

Gerade an dem Aufbau der Kulturzentren waren und sind die deutschen Minderheiten durch ihr Engagement bei der Gründung der rumänischen Trägerorganisationen und ihre Mitgliedschaft in den Kulturgesellschaften aktiv beteiligt.

Die Zusammenarbeit mit den Kulturzentren hat sich in den letzten Jahren stark intensiviert. Wir sind fachlich beratend tätig bei dem Ausbau der wirtschaftlich selbsttragenden Sprachabteilungen, aber auch bei der Steuerung und Organisation der Kulturarbeit. Ein Höhepunkt war 2014 die Ernennung des Kulturzentrums Klausenburg zum Goethe-Zentrum. Das ist so etwas wie ein Gütesiegel und bedeutet, dass in diesen Zentren die ganze kulturelle Bandbreite vom Sprachkurs bis zur Bibliothek und zum Kulturprogramm, wie bei einem kleinen Goethe-Institut, vorliegt.

In Temeswar laufen dazu jetzt die Verhandlungen. Hier hat es die Leiterin Alina Baciu in nur wenigen Jahren geschafft, das Zentrum aus ernsten Schwierigkeiten herauszuführen und sich mit hervorragenden Sprachangeboten, einer sehr aktiven Bibliothek und einem frischen, jungen Kulturprogramm ins Kulturleben der Stadt einzubringen und Partner auch in europäischen Projekten und Diskussionen zu werden, wie z. B. der Donaustrategie. Das ist genau, was wir uns wünschen! Das Kulturzentrum in Temeswar und die Zentren in Hermannstadt, Klausenburg, Kronstadt, Jassy und Chişinău potenzieren unsere Bemühungen um ein aktuelles Deutschlandbild und um die deutsche Sprache und Kultur und sind gleichzeitig Teile des rumänischen Kulturlebens.

In Zusammenarbeit mit den Kulturzentren greifen wir auch Thematiken der deutschen Minderheiten auf, wie beispielsweise durch die Präsentation von Leben und Werk von Herta Müller in einer Ausstellung, die im ganzen Land und auch in der Moldau gezeigt wurde, nicht zuletzt deshalb, weil Herta Müller hier vielfach noch nicht sehr bekannt war.

Im gleichen Zusammenhang planen wir in diesem oder im nächsten Jahr, Ursula Ackrill, die ja für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, einzuladen.

Um einmal auf den derzeit wohl bekanntesten Siebenbürger Sachsen zu sprechen zu kommen. Hat die Wahl von Präsident Johannis sich auf die Nachfrage nach der deutschen Kultur bzw. nach deutschen Sprachangeboten ausgewirkt?

Zwar lässt sich das noch nicht mit Zahlen belegen, aber wir verzeichnen schon eine höhere Nachfrage nach Deutschkursen als 2014. Vor allem aber macht sich der Imagegewinn bemerkbar. Eigenschaften, wie Fleiß, Zuverlässigkeit und Unbestechlichkeit, die ihm zugeschrieben werden, gelten gleichzeitig als typisch Deutsch. Ebenso hoch sind jedoch auch die Erwartungen, die gerade mit seiner Präsidentschaft für die Kulturförderung allgemein gehegt werden. Nach den drastischen Mittelkürzungen der letzten Jahre und angesichts seiner Erfolge, z. B wie er Hermannstadt zur Kulturhauptstadt Europas gemacht hat, erhoffen sich viele Künstler hier eine positive Entwicklung, transparentere Mittelvergabe und Förderverfahren. Das gäbe uns dann auch wieder neue Impulse für intensivere Kooperationen.

Stichwort Mittelvergabe: Wie zufrieden sind Sie heute mit den räumlichen Gegebenheiten? 2011 (im Interview mit der ADZ 13. Dezember 2011) waren Sie nicht ganz zufrieden. Wie sieht das jetzt aus? Besteht noch die Option des Umzugs in das ehemalige Reichsgesandtschaftsgebäude an der Calea Victoriei?

Nein, dieser Plan musste leider aus finanziellen Gründen aufgegeben werden. Dafür konnten wir den Vertrag im ursprünglichen Provisorium bis 2018 verlängern. Allerdings haben wir unsere räumliche Situation seitdem erheblich verbessert. Wir konnten mehr Fläche hinzumieten für neue Klassenräume, Seminar- und Konferenzräume und vor allem im Dezember letzten Jahres endlich die neue Bibliothek einweihen. Dies gibt uns völlig neue Möglichkeiten, da wir jetzt im eigenen Haus auch andere Formate, kleinere Autorenlesungen wie neulich mit Jan Koneffke oder Künstlergespräche wie mit Elana Katz, oder auch Filmvorführungen anbieten können. Die gemütliche Sitzecke wird schon gut genutzt und erlaubt uns, auch ein Publikum anzusprechen, das als Liebhaber und Kenner der deutschen Sprache hier eine Begegnungsstätte erleben kann.

Einen Wermutstropfen gibt es aber nach wie vor: Da wir über keinen größeren Veranstaltungsraum verfügen, müssen alle größeren Veranstaltungen, Ausstellungen etc. nach außen verlegt werden, wobei sich das Angebot an guten Spielstätten in Bukarest langsam verbessert.

Wo sehen Sie die Chancen für die Zukunft?

Als ausgesprochen positiv empfinde ich, dass seit einiger Zeit Rumänien in meinem deutschen Umfeld positiver wahrgenommen wird, nicht nur in Verbindung mit Kriminalität, Korruption etc., wie das früher häufig der Fall war. Das hat ganz praktische Auswirkungen, weil nun deutschsprachige Schriftsteller oder bildende Künstler sehr viel lieber und häufiger nach Bukarest kommen und nicht mehr einfach Einladungen ablehnen, wenn sie gleichzeitig eine Einladung aus einer anderen Stadt erhalten haben. Musiker haben da übrigens schon immer ganz anders reagiert, die kennen und schätzen das hiesige Publikum.

Eine Chance sehe ich auch in der Tatsache, dass in Bukarest mehr als 12 europäische Kulturinstitute tätig sind. Im Rahmen des Europäischen Filmfestivals, das von der Europäischen Kommission und dem Rumänischen Kulturinstitut ICR ausgerichtet wird, haben wir gerade ein Sonderprogramm initiiert, das auch die Republik Moldau und die Ukraine als europäische Nachbarn inkludiert. Fragen nach der europäischen kulturellen Identität, die ja nicht an der Außengrenze der EU endet, spielen in der Zusammenarbeit der europäischen Kulturinstitute in Bukarest eine zunehmende Rolle.

Liebe Frau Köhler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen Ihnen viel Erfolg für Ihre Arbeit in Kiew.