Acht Jugendjahre in Kohlengruben

Franz Mathis: Über ein Jahrzehnt lang Jahrmarkter Postbote

Geboren wurde Franz Mathis am 10. November 1928 in Jahrmarkt, wo er kurz nach der Wende von 1989 auch gestorben ist. Bekannt war er im Dorf unter dem Spitznamen Schuster Franz, weil sein Vater Schuster war und am Eckhaus Zigeunergasse – Insel bzw. Bahnhofsgasse eine Werkstatt hatte.

Franz zählte am 14. Januar 1945 zur Gruppe Jugendlicher, die noch nicht volljährig, juristisch noch im Kindesalter waren und laut Akten nicht hätten deportiert werden dürfen. Aber die Unstimmigkeiten – die Zeitung „Scânteia“ gab bei den Männern das Alter ab 16 an – und Übergriffe waren damals nicht nur bei diesem einschneidenden Ereignis in Rumänien die Regel. Allein aus Jahrmarkt waren es sieben Mädchen und 25 Jungen unter 17, die zwangsdeportiert wurden. Davon sind drei Buben im ersten Jahr gestorben, ein vierter während eines Krankentransports auf dem Heimweg.

Der schmächtige Junge aus der Zigeunergasse (Nr. 731a) war im Januar 1945 als der Zweitjüngste – 16 Jahre und zwei Monate – nach „Russland“ (Sowjetunion, Lager Krasnoarmejsk im Donbass, 60 km nordwestlich von Donetzk, heute Ukraine) deportiert worden, wo er fünf Jahre harte Arbeit in Kohlengruben überlebt hat. Etwa ein Dutzend Jahrmarkter Landsleute waren diesem Arbeitslager zugeteilt worden. Karg war der Lohn, in den ersten Jahren gab es für die Arbeit nur die magere Kost, die nicht alle vor dem Hungertod schützte.

Franz überlebte trotz seiner schwächlich scheinenden Statur und schmächtigen Gestalt. Er hatte bereits eine abgehärtete Natur, weil er zu Hause mit 16 schon voll eingespannt wurde, wie viele andere in jenen Kriegsjahren, in denen es nicht nur an Lebensmitteln und Kleidern mangelte, sondern auch an Arbeitskräften. Aber für die Knochenarbeit in den Tiefen der Kohlengruben, ohne entsprechendes Werkzeug und ohne Arbeitskleider, war niemand vorbereitet.

Nach der Heimkehr 1949 wurde der 21-Jährige als Wehrpflichtiger laut rumänischem Gesetz zum Militär eingezogen, aber als Deutscher nicht unter Waffen, sondern in ein Arbeitsbataillon (Detașament de lucru). Drei Jahre lang arbeitete er in den Kohlengruben von Lupeni, andere, jüngere Jahrmarkter im benachbarten Revier Petrila oder in den Banater Zechen bei Anina. Auch hier gab es praktisch keinen Lohn.

Mathis war nur einer von vielen Banatern und Siebenbürgern der Jahrgänge 1928-1938, die nicht unter Waffen durften, sondern bei Schwerstarbeiten eingesetzt wurden. Allein aus dem Geburtsjahrgang 1935 beispielsweise waren zehn Jahrmarkter im Raum der Gruben von Petrila, Lupeni, etc. eingesetzt. Unseres Wissens haben von den vielen Jahrmarkter Gruben- und Bauarbeitern in Militärbataillonen nur zwei oder drei in Deutschland 2018/2019 die „Gnade“ einer symbolischen Entschädigung erlebt.

Die acht harten Jahre schwerster Zwangsarbeit unter Tage wirkten auf das weitere Berufs- und Gesellschaftsleben von Mathis nach. Sie hatten Franz aber nicht gebrochen. Er ist den Landsleuten als offener, freundlicher Mensch in Erinnerung: Im Dorf war er gut bekannt und geschätzt als langjähriger „Briefträger“, gefragter Bote für die Post aus dem Westen, aber auch als Überbringer der Rentengelder, der Zeitungen und von wichtigen Nachrichten (bis Ende der 1970er Jahre).

Ob die unabgeschlossene Berufsausbildung und relativ späte Eheschließung mit dieser „Vorgeschichte“ zusammenhingen, ist sehr wahrscheinlich. Dass die Ehe mit seiner Landsmännin Margarete Pechler, aus der der einzige Sohn Franz stammt, der mit der Mutter nach Deutschland ausgesiedelt ist und hier lebt, nicht glücklich und von kurzer Dauer war, möglicherweise auch. Franz Mathis blieb in Jahrmarkt, wo sein Haus für die vielen Verwandten aus der Sippe der „Grawatzer“ und Besucher aus Deutschland immer offen war. Der Rentner starb dort vor 30 Jahren am 19. April 1990.