Alle Telefone der Kreisräte abgehört?

Auf der Tagung wurde von Zeichen des Polizeistaats gesprochen

Reschitza - Nicolae Ştefănescu, Fraktionschef der PSD im Kreisrat Karasch-Severin, warf am vergangenen Freitag auf der ordentlichen Tagung des Kreisparlaments neuerlich die Frage des Abhörens der Telefone der Kreisratsmitglieder auf. Vor einem Monat hatte er im Plenum die Aufforderung „an die zuständigen Organe” lanciert, mitzuteilen, „ob es auch nur ein einziges Kreisratsmitglied gibt, dessen Telefon nicht abgehört wird”.

Da inzwischen von keinem der Geheimdienste oder vom Abhördienst STS die von  Ştefănescu geforderte offizielle Antwort auf seine im Juli in aller Öffentlichkeit gestellte Frage eintraf, zog er die einzige logische Schlussfolgerung: „Alle Telefone der Mitglieder des Kreisrats Karasch-Severin werden abgehört.”

Unter dem beifälligen Schweigen des Kreisratsvorsitzenden Sorin Frunzăverde, der die Augusttagung des Kreisrats Karasch-Severin leitete, stellte Nicolae Ştefănescu die Frage: „Soll ich daraus verstehen, dass so allmählich ein Polizeistaat aufgebaut wird?” Man erinnert sich: als der Karasch-Severiner Kreisratsvorsitzende Frunz²ver-de im Frühjahr 2012 von der PDL zur PNL überwechselte und dadurch die Austrittslawine lostrat, welche die PDL von der Regierung weg und als Folge des Wahlsommers 2012 in die Quasi-Anonymität fegte, sprach auch er vom „Aufbau eines Polizeistaats”, den er nicht bereit sei, politisch mitzutragen und der in seinen Augen „die größte Gefahr für die Demokratie” darstelle.

Dass der Kreisratsvorsitzende und Vizepräsident der Landes-PNL mit dem oratorischen Vorgehen [tef²nescus solidarisch ist, bewies er auch dadurch, dass er dem Fraktionschef seiner politischen Opposition im Kreisrat als Tagungsleiter eine ungewöhnlich lange Leine ließ, was Ştefănescu zu ausführlichen und ziemlich verworrenen Abschweifungen verleitete, die Frunzăverde ungewöhnlich tolerant erduldete.

Grundsätzlich versuchte der wieder sehr aufgeregte PSD-Fraktionschef (der sich zugegebenermaßen abgehört und bedroht fühlt) zu beweisen, dass die Mittel des Überwachungsstaats („die Instrumente des Polizeistaats”, sagte Ştefănescu wörtlich) in Rumänien von den jeweiligen Staatsführungen zur politischen Manipulation genutzt werden, ging aber auch noch etwas weiter: „Wie erklären Sie sich”, fragte er in die Runde, „dass Tag für Tag in den Medien allerlei Menschen zitiert werden, die vor zehn oder vor fünf Jahren gesetzesbrecherische Dinge getan haben? Ich frage mich, wie sich in solchen Fällen die präventive Rolle der Justiz in Rumänien manifestiert, ob es die überhaupt gibt? Dabei ist die präventive Rolle des Justizakts ausdrücklich vorgesehen, seit es eine Justiz überhaupt gibt.

Folglich ist es logisch, dass auch die Frage gestellt werden muss, wer schuldiger ist an bestimmten Verbrechen, die schon lange bekannt sind, gegen die aber nur in bestimmten Momenten wirklich Maßnahmen getroffen werden: die Gesetzesbrecher oder die Justiz? Und nicht zuletzt: warum wohl greift die Justiz nicht früher ein, wenn die Verbrechen schon im Keim erkannt sind, warum lässt sie es zu, dass aus kleinen, noch relativ schadensfrei korrigierbaren Fehltritten, Verbrechen werden? Dass auf gewissen Ebenen eh alle wissen, was sich in diesem Land bewegt, davon gehe ich aus, als einer der Abgehörten, ich weiß es sogar mit Bestimmtheit. Aber ich habe das sichere Gefühl, dass die Justiz und ihre Instrumente durch das lange Abwarten vor einem Eingreifen – indem sie fünf, sieben, acht, zehn Jahre auf der Lauer liegen – zu Komplizen werden. Wer kann die rumänische Justiz vor ihr selber verklagen?!”