Am Fuße der Zinne

Kronstadt: Der Burgpromenade folgt der Felsenweg

Blick vom Felsenweg auf einen Teil der Stadt. Fotos: der Verfasser

Ruhe und Schatten bietet die Burgpromenade, zehn Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt.

Postkarte Anfang 20. Jh. mit Kiosk und Wasserquelle am Fuße der Zinne Quelle: Universitätsbibliothek Klausenburg

Die Steinbank an der Burgpromenade erinnert an eine alte Legende.

Die Promenade lädt zum Spazieren ein; beim Felsenweg denkt man ans Klettern. In Kronstadt/Brașov, am Fuße der Zinne, stimmt nur die erste Aussage. Denn die Fortsetzung der Burgpromenade ist ein kurzer, schöner Wanderweg, der uns zur südlichen Seite dieses Kronstädter Wahrzeichens bringt.

Die im 15. Jahrhundert von den Kronstädtern mit Einverständnis des ungarischen Reichsverwesers Johannes Hunyadi abgerissene Burg auf der Zinne ist so gut wie komplett verschwunden, ist aber in manchen Straßennamen und Ortsbezeichnungen weiterhin präsent. Wir haben eine Burggasse, den Burggrund und den Burghals oder den Burgsteig und die Burgpromenade. Diese führt entlang der südlichen Stadtmauer von der Weberbastei bis zur Tuchmacherbastei.

Wer mehr als nur einige Stunden für einen Kronstadt-Aufenthalt zur Verfügung hat, der wird es sicher nicht bereuen, zumindest einen Spaziergang auf dieser Promenade einzuplanen. Denn die fast gradlinige und ebene Allee trägt zurecht den Namen Promenade. Von den etwas höhergelegenen Stellen genießt man einen schönen Ausblick auf die Innere Stadt, obwohl die vor gut einem Jahrzehnt renovierte Stadtmauer keinen lückenlosen Blick zulässt. Die Schwarze Kirche und das alte Rathaus sind leicht wiederzuerkennen, am gegenüberliegenden Raupenberg wachen der Weiße und der Schwarze Turm schon seit über fünf Jahrhunderten über die Sicherheit der Kronstädter.

Im 19. Jahrhundert hatten die Stadtbewohner das Bedürfnis, ihre Stadt und ihr Leben zu verschönern. Wie auch anderswo in Mittel- und Westeuropa wurden Stadttore abgerissen oder erweitert, Teile der Stadtmauern entfernt, weil die Stadt wuchs und der Feind, wenn er einmal tatsächlich wieder da wäre, nicht durch Wassergraben, heraufgezogene Fallbrücken oder Hundertschaften der Zünfte auf den Wehrgängen der Basteien aufzuhalten gewesen wäre. Dort, vor den Stadtmauern, wo früher ein Schlachtfeld nicht auszuschließen war, obwohl der steile Nordhang der Zinne Schutz gewährte, dort sollten nun, in aller Ruhe und Gemütlichkeit, Spaziergänge möglich sein.

Zu einer ersten Promenade, die bereits 1804 zwischen dem Klostergässer und dem Purzengässer Tor, also ungefähr entlang des heutigen Rudolfrings/Bulevardul Eroilor an der Südgrenze des Zentralparks vorgesehen war, wie Gernot Nussbächer es in „Caietele Corona“, Band 5, vermerkt, kam 1824 eine zweite, obere Promenade hinzu, die ausgehend von Rossmarkt und Katharinentor zum Zinnenhang führte. Fünfzehn Jahre später wurden auch Bäume gepflanzt, die die nun erweiterte Allee säumen sollten. Sogar an einen Kiosk für Erfrischungen dachten die damaligen Stadtväter. Bereits 1837 hatten Forstmeister Carl Gebauer und Stadtingenieur Angermann den Serpentinenweg angelegt, der von der Burgpromenade hinauf zur Zinne führt. Der mit einem roten Dreieck gekennzeichnete Weg mit 25 Serpentinen ist auch heute sehr beliebt. In rund ein bis eineinhalb Stunden ist man oben und wird mit einer herrlichen Aussicht auf Stadt und Umgebung belohnt. Wer es gemütlicher mag, nimmt die Seilbahn, deren Talstation direkt an der Promenade liegt, und überwindet die rund 300 Meter Höhendifferenz in zweieinhalb Minuten.

Touristen und Kronstädter teilen sich die Promenade zusammen mit Joggern und Leuten, die ihre Hunde ausführen. Der motorisierte Verkehr ist untersagt, die Luft ist rein, man hört die Vögel zwitschern und manchmal hüpft auch ein Eichhörnchen von einem Baum zum anderen. Wer Kronstadt nicht so gut kennt, hat auf dem Weg zur Burgpromenade, vom Katharinentor und Waisenhausgässer Tor kommend, die Gelegenheit, auch andere Sehenswürdigkeiten vor Augen zu bekommen. Es handelt sich um den ehemaligen Eislaufpavillon bei den Tennis-Sandplätzen der Olimpia-Sportanlage und um die besterhaltene Bastei der mittelalterlichen Verteidigungsanlagen: die Weberbastei. Gegenüber der Tennisplätze befindet sich der Soldatenfriedhof, der vor rund hundert Jahren für die im Ersten Weltkrieg in den Kämpfen um Kronstadt Gefallenen eingerichtet wurde. Als Alternativweg kann auch die Schützenwiesengasse/Strada Dr. Ghe. Baiulescu empfohlen werden, denn dort oder in direkter Nachbarschaft gibt es zwei Kirchen, die evangelische Obervorstädter Kirche und die orthodoxe Kirche der heiligen Parascheva mit dem Groaveri-Friedhof, sowie zwei Museen, das Stefan-Baciu-Gedenkhaus und das Museum des Brauchtums in der Oberen Vorstadt/Schei.

Auf der Burgpromenade kommen wir auch am Wasserwerk vorbei, das 1893 von Stadtingenieur Christian Kertsch errichtet wurde. An ihn erinnert eine Tafel an der Quelle, wo nach wie vor gutes Kronstädter Trinkwasser sprudelt. In der Nähe gibt es einen Spielplatz für Kinder sowie zwei Holzkiosks, wo vor Jahren im Sommer gelegentlich auch die Burzenländer Blaskapelle aufspielte. Die moderne Gaststätte „Sub Tâmpa“ empfängt ihre Kunden mit einer Ansage, die neugierig macht: angeboten wird „neotraditionelle siebenbürgische Küche“. Nicht so modern und schon seit Jahren leer und verlassen ist der Agrement-Freizeitkomplex, ein Bau, der umgewandelt werden musste, weil seine den 1970-80-er Jahre entsprechende Fassade nicht so recht in diese Umgebung passte. Mehrere Sportplätze (künstlicher Eislaufplatz, Basketball -, Tennisplätze) sind   vorzufinden, sowie vor der Stadtmauer Grünflächen, Bänke und Spielplätze. Der ehemalige Reisebus-Parkplatz entlang der Brediceanu-Allee wurde aufgegeben, was für mehr Ruhe sorgt, aber auch für weniger Touristen, die nun von der Inneren Stadt zu Fuß den Weg in Richtung Zinne einschlagen müssen.

Fast am nordöstlichen Ende der Burgpromenade fällt eine niedrige, alte und verwitterte Steinbank auf, die an der zum Wald grenzenden Seite liegt. Mit ihr verbunden ist eine Sage mit tragischem Ausgang. Ein Liebespaar soll an dieser Stelle durch einen von der Zinne herabstürzenden Felsbrocken umgekommen sein, als es dort spazieren ging.

Die Burgpromenade endet bei einer Mauerruine, die vom Tal zu Berge führt und die durch die Allee unterbrochen wird. Treppen führen hinunter zum Star-Kaufhaus. Außerdem gibt es drei Wege, von denen der obere, mit einem gelben Dreieck gekennzeichnete, der Felsenweg ist. Er trägt diesen Namen, weil er zum Teil gegen den Berg von einer Felsenwand begrenzt wird und man auch auf steinigen Boden tritt. Hier allerdings heißt es nicht lediglich spazierengehen, sondern auch etwas Kraft aufbringen, denn es geht zunächst fünf Serpentinen aufwärts. Dafür erhält man einen schönen Ausblick auf weitere Teile der Stadt mit ihren Neubauten, z. B. dem Dramentheater, der Transilvania-Uni, der AFI-Mall, bis zum Stadtrand in Richtung Petersberg und Biengärten/Stupini. Weil es dort recht schattig und feucht ist, besteht häufig Rutschgefahr, so dass etwas Vorsicht geboten ist. Nach rund zwanzig Minuten kommen wir zum Einstieg in den Gabony-Treppenweg, der ebenfalls zum Zinnengrat hinauf führt und der die gelbe Dreieck-Markierung beibehält. Unser Weg bringt uns in rund hundert Metern zum Einstieg in den mit einem blauen Dreieck markierten Pfad. Er kommt vom Scheitelpunkt des Burghalses (der Dobrogeanu-Gherea-Straße), der die Verbindung zwischen Burggrundviertel und Zentrum herstellt. Dieser Pfad ist eher als Spazierweg zu betrachten, der durch den Wald oberhalb des neuen Wohnblockviertels bis zur ehemaligen Iepure-Gaststätte führt.

Jenseits der Straße liegt der Schneckenberg, halb zerstört durch den Steinbruch der inzwischen abgetragenen Zementfabrik. Der Schneckenberg hat auch eine Hochfläche mit einem Ausläufer, Galgenberg genannt. In Heinrich Wachners „Kronstädter Heimat- und Wanderbuch“ hieß es 1934 noch, dass diese Fläche einen „lieblichen Naturpark mit zwei kleinen Höhlen im Kalkfels“ trägt. Heute sieht es dort aber ungepflegt aus. Wenn schon keine Promenade, so könnten wenigstens einige Alleen diese Grün- und Waldflächen aufwerten.