Andreas Schein möchte das Musikbild verändern

Ehemaliger Lenau-Schüler ist mit 19 Jahren Dirigent und Komponist

Durch das „Kleine Mozartorchester Temeswar“ möchte der junge Musikbegeisterte Stücke von Mozart, die nicht allzu oft aufgeführt wurden, dem Publikum bekannt machen.

Komponieren, dirigieren, spielen – Musik gehört zum Alltag von Andreas Schein einfach dazu.
Fotos: privat

Andreas Schein kommt aus Temeswar/Timişoara und ist Absolvent der Nikolaus-Lenau Schule. Bereits als Kind hat er sich in die Musik verliebt. Er spielt Klavier und Cello, komponiert Musik, doch seine allergrößte Liebe ist das Dirigieren von Opern. Mit 19 Jahren ist Andreas Schein einer der jüngsten Dirigenten in Temeswar und plant, durch verschiedene Projekte die klassische Musik dem breiten Publikum bekannt zu machen.

Die Musik liegt bei Andreas Schein in der Familie. Seine Mutter ist Cellistin im Orchester der Temeswarer Oper, aber auch andere Familienmitglieder mütter-licherseits – eine Tante ist ebenfalls Cellistin, ein Onkel Tenor und der Urgroßvater war Organist in der Synagoge der Temeswarer Josefstadt – sind Musiker. Die Liebe zur Musik liegt also dem jungen Mann in den Genen. Bereits mit fünf Jahren wollte Andreas Violine spielen lernen. Dies sollte ganz leicht sein, zu Hause, mit einer Cellistin als Mutter. „Meine Mutter brachte mir elementare Musikkenntnisse bei, doch sie war keine gute Pädagogin und ich war als Kind auch nicht so ein leidenschaftlicher Spieler“, erzählt Andreas Schein, während er an einem der Fenstertische im „Cafeneaua Verde“ mit Blick auf den Temeswarer Freiheitsplatz sitzt. Der 19-Jährige ist gerade von einer Probe in der Oper gekommen. Seit einiger Zeit spielt er Cello als Ersatz für seine Mutter im Opernorchester und hospitiert bei den Proben als angehender Dirigent.

Noch heute möchte er in der Musikschule gegenüber ein bisschen Klavier spielen. Musik gehört einfach zu seinem Alltag dazu, lässt Andreas Schein wissen. Mit viel Freude erzählt der junge Mann von der Musik, die ihn begeistert. Auch wenn er immer von Musik umgeben war, begann seine wahre Leidenschaft dafür erst, als er 14 Jahre alt war. Andreas erinnert sich an einen bestimmten Freitagabend zurück, an dem er ein Vivaldi-Konzert für zwei Trompeten in der Temeswarer Philharmonie besucht hatte. „Die Vorführung damals hat mich total fasziniert“, sagt der junge Mann. Das erweckte in ihm einen ganz anderen Wunsch: Musik nicht nur spielen, sondern selbst zu komponieren, erzählt Andreas. „Wie Vivaldi es geschafft hat, aus einer so einfachen Sache etwas so Elegantes und Schönes zu machen...“, fährt der junge Musiker fort. „Auch mir könnte es gelingen, so etwas Interessantes aus einer einfachen Sache zu entwickeln – das war mein zweiter Gedanke“, setzt Andreas Schein fort.

Neue Faszination: Komponieren

Völlig inspiriert und motiviert, schrieb der junge Musikbegeisterte kurze Zeit später seine ersten Werke für Klavier. Es folgten Werke für Streichorchester. „Ich war irgendwie eine Kopie Vivaldis, jedoch im gegenwärtigen Stil“, beschreibt er seine frühen Kompositionen. Nach Vivaldis Modell schuf Andreas eine Komposition in seinem eigenen Stil. Er zeigte diese  einem Universitätsprofessor an der Musikhochschule, der meinte, er habe Potential, ein guter Komponist zu werden. Er gab ihm Werke von Nikolai Rimski-Korsakov, um seine Kenntnisse in Orchestrations- und Harmonielehre zu erweitern. Im Frühjahr 2013 hat Andreas in der Theatergruppe der Lenau-Schule „NiL“ mitgearbeitet und für sie die Musik zum Theaterstück „Die Geschwister“ von Johann Wolfgang Goethe komponiert. Das war seine erste richtige Komposition, die auch vor einem Publikum gespielt wurde.

Ein Jahr später traf Andreas Schein den Maestro  Peter Oschanitzky, Dirigent an der Nationaloper Temeswar und Professor an der Temeswarer Musikhochschule, von dem er Dirigat und Kompositionslehre lernte. Schon im selben Jahr schrieb Andreas seine erste Symphonie im vorklassischen Stil. „Drei Wochen lang habe ich an dieser Symphonie gearbeitet“, lässt der junge Musiker wissen. Seine „Symphonie Nr. 1 in B-Dur“ wurde im Mai 2015 im Capitol-Saal unter der musikalischen Leitung seines Dirigatlehrers erstmals aufgeführt. Bei der Uraufführung war der Raum voll. „Nicht jeder schreibt heutzutage mehr so gut originelle, klassische Musik“, habe ihm Maestro Oschanitzky damals gesagt.
Im gleichen Jahr komponierte Andreas Schein nach dem Hauptthema von Mozarts „Don Giovanni“ eine eigene Ouvertüre in d-moll, in derselben Tonart wie Mozart seine Ouvertüre geschrieben hatte. Im Herbst des gleichen Jahres traf Andreas einen Dirigenten aus den Niederlanden. Sander Teepen kam für ein Konzert an die Temeswarer Philharmonie. Diese Gelegenheit wollte Andreas Schein nicht verpassen. Er ging nach dem Konzert auf ihn zu und zeigte ihm seine Komposition. Der Dirigent war davon beeindruckt, lässt der junge Komponist wissen, und kam gleich mit dem Vorschlag, sein Orchester in den Niederlanden diese interessante Ouvertüre spielen zu lassen. Somit schickte ihm Andreas Schein seine Partituren. Einige Monate später fand die Uraufführung seiner Ouvertüre statt: Diese wurde 2016 gleich zweimal, im Sommer und im Herbst, in Den Bosch in den Niederlanden aufgeführt.

Lebenstraum: Dirigent

Auch wenn seine Kompositionen für viele Musiker –  vor allem für einen Jugendlichen – beeindruckend sind, möchte Andreas Schein eher dirigieren als komponieren. „Ich habe im Komponieren keinen eigenen Stil entwickelt und suche auch keinen mehr. Mein Ziel ist es, Dirigent zu werden“, sagt Andreas Schein entschlossen. Seit Herbst 2015 arbeitet er mit dem italienischen Maestro David Crescenzi zusammen, heute Dirigent an der Oper von Kairo in Ägypten. Ihn traf Andreas in Temeswar, als Maestro Crescenzi als Gastdirigent an die Temeswarer Oper kam. „Ich konnte mir die Chance nicht entgehen lassen, auch auf ihn zuzugehen. Ich kann sehr aufdringlich sein, wenn mich etwas interessiert“, sagt Andreas Schein lächelnd. David Crescenzi beschloss, Andreas Schein in die Welt des Dirigats einzuführen. „Er hat mir das Dirigieren von Opern beigebracht. Von ihm lernte ich die volle Bedeutung des Operndigierens und alles, was zur Dirigattechnik für Opernspiele dazugehört“, begeistert sich der junge Musiker. Die erste Oper, die Andreas studiert und dirigiert hat, war „Figaros Hochzeit“ von Wolfgang Amadeus Mozart. An der Seite von Maestro Crescenzi durfte Andreas Schein bei einer Probe dabei sein und zum ersten Mal ein Opernorchester dirigieren. „Als Operndirigent ist man Konzertleiter im wahren Sinne des Wortes. Der Dirigent stellt die Verbindung zwischen Orchester und Künstlern auf der Bühne her“, erzählt Andreas Schein voller Leidenschaft.

Mittlerweile geht Andreas fast täglich in die Temeswarer Oper und nimmt an den Proben teil - immer mit  Notizbuch und Partitur dabei. Der Dirigentenberuf ist etwas, was man sich von anderen abschaut, deshalb weiß er diese Proben besonders zu schätzen. Bis es bei ihm so weit ist, möchte der 19-Jährige jedoch auch einen „ernsthaften“ Beruf erlernen. In diesem Jahr hat Andreas Schein das erste Studienjahr an der Deutschen Abteilung für Internationale Beziehungen und Europastudien an der West-Universität Temeswar abgeschlossen. Der junge Mann studiert aber weiterhin, privat, das Dirigieren mit den Maestri Oschanitzky und Crescenzi und plant für die Zukunft auch ein Masterstudium auf diesem Gebiet in Dänemark oder Österreich anzutreten.

Aktuelle Projekte

In Temeswar hat der 19-jährige Dirigent nun ein Projekt in Sicht. Durch das „Kleine Mozartorchester Temeswar“ sollen Stücke von Mozart, die nicht allzu oft aufgeführt wurden, dem Publikum bekannt gemacht werden. Derzeit bereitet er zudem zusammen mit einem Kontratenor aus Dänemark ein Orgelkonzert in der römisch-katholischen Kirche in der Elisabethstadt in Temeswar vor. Das Konzert soll noch in diesem Sommer stattfinden und Werke von Haydn, Bach, Dandrieu, Vivaldi, Weber, Händel sowie eigene Kompositionen umfassen. Zum ersten Mal in Rumänien soll auch das Orgelkonzert in C-Dur Hob. XVIII:5 von Haydn aufgeführt werden. „Die meisten Leute besuchen Konzerte, wo sie die Musik gleich erkennen und auf dem Weg nach Hause nachpfeifen können. Es fehlt vielen die Neugier, neue Musik  entdecken zu wollen und sich auch von weniger bekannten Werken begeistern zu lassen“, schließt der junge Musiker.