Arbeitnehmerschutz bei Insolvenz – kurzfristige Änderung

Von einer schwebenden wirtschaftlichen Krise wurde 2020 und auch zu Beginn des Jahres 2021 viel gesprochen. Viele Stimmen hatten Ende 2020 einen Einbruch erwartet, einige sprechen jetzt reserviert von Konjunkturschwächen erst im Herbst 2021. Die wirtschaftliche Lage, die sich jetzt weltweit entwickelt, ist der durch SARS-CoV-2 verursachten Gesundheitskrise in einem Aspekt ähnlich: Es gibt keinen Präzedenz-fall,sodass die Lage kaum berechenbar ist.
Generell (und unabhängig von der Pandemie) ist bekannt, dass sich in Rumänien große Unternehmen der Kohlewirtschaft in Krisen befinden.

In diesem Zusammenhang hat die rumänische Regierung am 19.2.2021 die Dringlichkeitsverordnung („DVO“) Nr. 9/2021 erlassen, die die Zahlung von Löhnen an Arbeitnehmer von Unternehmen, die von Insolvenzen betroffen sind, ändert.

Regelung

Für Arbeitnehmer rumänischer Unternehmen, die in Insolvenz gehen, gibt es einen staatlichen Garantiefonds, (Fondul de garantare a salariilor), der aus den Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitgeber gebildet wird. Den Zugriff auf diesen Fonds regelt das Gesetz Nr. 200/ 2006.

Wird ein Unternehmen insolvent, sind die Arbeitnehmer zur Zahlung von höchstens drei Bruttodurchschnittsgehältern aus dem Garantiefonds berechtigt. Der Staat ist nach der Zahlung berechtigt, die Arbeitnehmer als Gläubiger des insolventen Unternehmen zu ersetzten. Wurde das Unternehmen durch Sanierung wiederbelebt, muss der Arbeitgeber dem Staat alle durch den Fond getragenen Kosten innerhalb von sechs Monaten ab Einstellung des Sanierungsverfahrens erstatten.

Bis zum 19. Februar 2021 durften Arbeitnehmer insolventer Unternehmen nur dann Zahlungen aus dem Fonds beantragen, wenn das Unternehmen sein Recht auf eigene Verwaltung verloren hatte (die Geschäftsführer oder Gesellschafter also nicht weiter über die administrative und wirtschaftliche Führung der Gesellschaft beschließen durften). Der Hintergrund der Regelung bestand darin, dass ein Unternehmen, das sich in der Lage fühlt, seine Aktivität selbst wieder zu beleben, auch in der Lage sein sollte, die ausstehenden Löhne seiner Angestellten zu bezahlen.

Am 19. Februar 2021 wurde diese Bedingung abgeschafft, so dass der Garantiefonds den Arbeitnehmern auch dann zur Verfügung steht, wenn ihr insolventer Arbeitgeber das Recht auf eigene Verwaltung behält.

Hintergrund der Änderung

Diese Änderung erfolgte nach über 14 Jahren der Anwendung des Gesetzes Nr. 200/2006.

Ihr Auslöser war ein Streik der Bergarbeiter aus mehreren Kohlenminen im Südwesten Rumäniens (Valea Jiului), der die Zahlung ausstehender Gehälter und Zulagen bezweckte. Der Arbeitgeber, Complexul Energetic Hunedoara, befindet sich im Insolvenzverfahren, strebt jedoch eine Sanierung in Eigenverwaltung an. Da der Streik zu Engpässen bzgl. Heizmaterial und elektrischer Energie für eine große Region führte, musste die Regierung eine schnelle Lösung finden, damit die Bergarbeiter ihre Tätigkeitwieder aufnehmen. Die Entscheidung fiel dahingehend, den Garantiefonds auch Schuldnern in Eigenverwaltung  (debtor in possesion) zugänglich zu machen. Die Bergarbeiter haben ihre Arbeit aufgenommen und werden für die Monate Februar bis April bezahlt; weitere Zahlungen hängen von der Zustimmung eines Sanierungsplans und der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens ab.

Kurze Analyse

Die Änderung der gesetzlichen Vorschriften wurde vielfach als übereilt kritisiert. Ihr zufolge werden nun nicht nur die Belegschaft der Complexul Energetic Hunedoara, sondern alle Arbeitnehmer insolventer Unternehmen aus dem Garantiefonds bezahlt werden können. Es ist keine Analyse der Auswirkungen dieser Öffnung auf den Staatshaushalt bekannt.

Darüber hinaus stellt die Lösung der Bergarbeiterkrise im Schiltal nur eine vorübergehende Entspannung dar, da das Unternehmen die Zahlung der Gehälter Ende April wieder selbst aufnehmen muss.

Schließlich wurde in der DVO geregelt, dass die Rückzahlung der durch den Staat getragenen Löhne zinspflichtig sei; gelingt mithin eine Sanierung des insolventen Unternehmens, wird das Unternehmen nicht nur die vom Staat getragenen Gehälter erstatten, sondern auch Zinsen bezahlen müssen.

Da ein Sanierungsverfahren sich über mehrere Jahre ausdehnen könnte, würden enorme Zinsen aufgetrieben werden, so dass das frisch sanierte Unternehmen möglich-erweise wieder in Zahlungsunfähigkeit geraten könnte.

Fazit

Obwohl eine Lösung der Bergarbeiterkrise nötig war, erscheint die Kritik an dem Beschluss der Regierung stellenweise nachvollziehbar. Bei genauer Betrachtung wurde eine Grundregel wohl ohne eingehende Analyse der Auswirkungen zur Regelung eines Sonderfalls geändert. Auch die Frage, ob die Maßnahme ihren Regelungszweck erfüllt und erforderlich ist, kann gestellt werden, zumal sie kurzfristige und vorübergehende Effekte hat.
 

Kontakt und weitere Informationen:

STALFORT Legal. Tax. Audit.

Bukarest – Sibiu – Bistriţa
Büro  Bukarest:
Tel.:       +40 – 21 – 301 03 53
Fax.:       +40 – 21 – 315 78 36
E-Mail:  bukarest@stalfort.ro
www.stalfort.ro