Arbeitstage, die nie enden

Home Office mit Kindern trainiert die eigene Belastbarkeit

„Piep, piep“, macht es leise, wie im Traum strecke ich eine Hand aus, um das Handy am Ende des Bettes zu erwischen und es schnell auf „lautlos“ zu stellen. Es ist 6.30 Uhr morgens und Zeit, aus den Federn zu schlüpfen und mich an den Schreibtisch zu setzen. Da aber nichts ohne Kaffee funktioniert, stelle ich noch schnell eine Tasse mit Kaffee von gestern in die Mikrowelle und – zack, aufgewacht! Zwei Schluck trinken, Laptop einschalten, Nachrichten und Pressemeldungen durchforsten. Doch die eine Stunde morgendlicher Ruhe ist rasch vorbei und schon erklingt eine helle Stimme aus dem Kinderzimmer: „Mamaaa!“ Ist es schon halb acht? Na klar, dafür brauchen Mütter keine Uhr! Mein kleiner Sohn ist aufgewacht – Zeit für Kakao und ein bisschen Zeichentrick im Fernsehen. Wie gut, dass es doch Nickelodeon & Co gibt!

An einem gewöhnlichen Tag hätte ich jetzt meinen Sohn angezogen, seine Jause eingepackt und wir wären zusammen in den Kindergarten gefahren, um mich dann in die Redaktion zu begeben, oder weiter, in RUHE, von zu Hause aus zu arbeiten. Doch das, was wir jetzt haben, sind keine normalen Umstände, und solche Umstände verlangen eine außerordentliche Belastbarkeit für Eltern, die im Home Office arbeiten und sich gleichzeitig um ihre Kinder kümmern müssen. „Hallo, ich bin Raluca und habe einen fünfeinhalbjährigen Sohn“: Etwa so könnte nach der Pandemie meine Kurzvorstellung im Kreis der Mütter lauten, die kurz vor dem Nervenzusammenbruch gestanden haben und sich nun psychisch kurieren wollen. Spaß beiseite! Corona-Krise, Kind und Home Office können doch miteinander vereinbart werden, auch wenn der innere Druck manchmal groß ist.

Während ich mich ans Nachrichtenschreiben setze, ruft das Kind schon wieder. „Mama, kooommm!“ Jemand ist zwischendurch zur Toilette gegangen und braucht am Ende Hilfe. Mir entwischt das Temeswarer Schimpfwort, doch ich helfe dem Kind, natürlich. Händewaschen, abwischen, zurück zum Spielen! Meine „Redaktion zu Hause“ ist bunt und unordentlich. Hunderte von Lego-Steinchen liegen auf dem Fußboden herum, Bücher, Knete und Malfarben, alles befindet sich im Wohnzimmer, vom Kind liebevoll „Spielzimmer“ genannt. Eigentlich haben wir seit vier Jahren, als sich das Spielzeug anzusammeln begonnen hat, kein Wohnzimmer mehr, doch was soll´s: Auch im Spielzimmer kann man eine schöne Zeit verbringen. Zwischendurch piepst das Whatsapp – die Erzieherinnen meines Sohnes schicken fleißig Themen, die wir während des Tages mit den Kleinen bearbeiten müssen. Berufstätige Eltern haben dafür aber erst am späten Nachmittag Zeit.

Während ich dabei bin, ein Interview vom Diktiergerät abzutippen, höre ich jemanden wieder schreien, diesmal vor Ärger. Krokodilstränen fließen über seine Wangen, während er voller Wut das Lego-Haus auf den Teppich wirft. Der Grund für diesen Ausraster? Ein klitzekleines, rotes, rechteckiges Legosteinchen wollte nicht dort festsitzen, wo der Junge es hingesetzt hatte. Klingt doch furchtbar, oder?

Schnell tröste ich das große Baby und schon muss ich wieder an den Laptop, denn der Bürgermeister hält seine Online-Pressekonferenz ab, und die will ich mir jetzt unbedingt anschauen. Während ich gemütlich in meinem schwarzen Bürosessel entspanne, dem Robu zuschauend, ruft es schon wieder: „Ich will das Tableeeet“. Okay, okay, kommt sofort. Das Tablet kommt leider oft zum Einsatz, wenn ich im Home Office meine Ruhe haben muss. Eine Stunde morgens, eine Stunde nachmittags, so ist es eben. Doch schon ist es 12 Uhr und jemand wird bald Hunger haben, also ab in die Küche! Zum Glück kann das Handy, auf dem die Pressekonferenz läuft, mitgenommen werden. Währenddessen schneide ich Karotten und Zwiebeln, um eine Suppe zuzubereiten. Für den zweiten Gang stecke ich eine Schale mit Fleisch und Kartoffeln in den Ofen und in zwei Stunden steht das Essen für die ganze Familie auf dem Tisch. „Ich habe Hungeeer!“, ruft die kleine Stimme. Na, was hatte ich vorhin gerade erzählt?

Im Home Office mit Kind arbeiten heißt eigentlich, den ganzen Tag arbeiten. Es sind Arbeitstage, die nie enden, und meist wird auch am Wochenende geschrieben, nämlich das nachgeholt, was ich während der Woche nicht fertigstellen konnte. Ich befinde mich gerade im Urlaub, und sollte mich, zumindest theoretisch, um ganz andere Sachen kümmern. Doch ich habe es nicht geschafft, diesen Artikel vor meinem Urlaub fertigzubekommen, also bin ich heute Morgen früh aufgewacht und habe einfach drauflos geschrieben, bis die kleine Stimme schon wieder gerufen hat. Pandemie, Kind und Home Office miteinander zu vereinbaren klappt mittlerweile ganz gut.