Armen Kindern Freude bereiten – trotz Corona

Mechtild Gollnick: „Meine Arbeit ist wichtig, aber nur möglich, weil ich hier in Temeswar ehrenamtliche Mithelfer habe“

Über das ganze Jahr verteilt Mechtild Gollnick Lebens- und Hilfsmittel an notleidende Familien - mit Maske, im Freien und mit Abstand. Foto: privat

In ihrem Büro führt die Geschäftsführerin des Vereins „Hilfe für Kinder e.V.“ Buch über alle eingegangenen Spenden und Ausgaben und informiert Sponsoren über die laufenden Projekte. Foto: Zoltan Pázmány

Statt des großen Transports mit Weihnachtspäckchen hat Ulrich Franzke aus Gütersloh diesmal einen Transport mit vielen anderen Hilfsgütern geschickt: Kleidung, Reinigungsmittel, haltbares Vollkornbrot und auch (wie in den letzten Jahren) Holzbriketts. Foto: privat

Die Leiterin des geförderten Vereins „For help“, Claudia Radu, nahm ab März bis September einige Kinder mit in das Ferienhaus des Vereins in Botinești, wo sie vor Infektionen besser geschützt waren als in Temeswar. Die Kinder konnten online lernen, Hausaufgaben machen und in der Freizeit sogar kochen lernen. Foto: privat

Die Corona-Pandemie bzw. die Krise, die sie mit sich gebracht hat, traf und trifft die Armen und Ärmsten am schlimmsten. Soziale Dienste werden noch mehr beansprucht. Stark benachteiligt hat diese Zeit durch Isolation und Fernunterricht die Kinder. In Temeswar agiert seit über 30 Jahren der Verein „Hilfe für Kinder e.V“, der dort aktiv wird, wo Kinder besonders betroffen sind. Für diesen deutschen Verein arbeitet Mechtild Gollnick als Bindeglied zwischen Sponsoren und freiwilligen Helfern. 2020 stellte sich für sie als ein Jahr mit noch größeren Herausforderungen als sonst heraus, denen sie jedoch gefasst ins Auge blickte, wie sie im Gespräch mit ADZ-Redakteurin Astrid Weisz verrät. Zu ihren Schützlingen gehören Heimkinder und solche, die in Tagesheimen betreut werden, Kindergärten besuchen oder in Kinderkliniken liegen, sowie arme Familien mit Kindern.

Frau Gollnick,wie stark hat die Corona-Pandemie Ihre Arbeit beeinflusst?

Die Krise hat meine Tätigkeit stark beeinflusst, indem zu den üblichen Projekten, die ich mache, noch verstärkt Probleme aufgekommen sind, und zwar einerseits bei Familien, die wegen der Pandemie in Not geraten sind, andererseits bei Schülern, die plötzlich online Unterricht mitmachen sollen, aber keine Ausstattung dafür haben. Ich habe in der Zeit mehr zu Hause gearbeitet als sonst. Aber die Familien, die zum Teil auch in Dörfern wohnen, die kann ich nur erreichen, wenn ich dorthin fahre. Dann habe ich den Besuch aber kurz gehalten, eventuell auf der Straße, mich mit den Müttern getroffen, mit Abstand und Maske, und meine Hilfe in Form von Spenden schnell erledigt.

Es gibt Nichtregierungsorganisationen, die davor gewarnt haben, dass diese Krise die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft. Haben Sie das jetzt so wahrgenommen?

Ja, es sind vor allem ärmere Leute, die eher ihren Job verlieren und die dann ohne oder mit sehr wenig Geld dastehen. Beispiels-weise eine Mutter, die als Reinigungskraft in einer großen Firma gearbeitet hat, die Firma hat ihre Angestellten in Homeoffice geschickt, die Büroräume waren leer, sie hatte dort keine Arbeit mehr und wurde entlassen. Oder ein anderer Fall: Ein Familienvater hat auf Baustellen gearbeitet und in einigen Wochen wurden hier die Baustoff-Handlungen geschlossen, damit konnte die Firma kein Material mehr einkaufen, die Leute konnten nicht mehr arbeiten und aus dem Grund wurde er entlassen. Oder ein Jugendlicher wurde in seiner Firma entlassen, wegen sogenannten Umstrukturierungen. Solche Leute kriegen zum Teil gar keinen Lohn mehr. Oder sie bekommen diese 75 Prozent Arbeitslosengeld. Wenn sie vorher schon am Existenzminimum gelebt haben, dann reichen diese 75 Prozent aber nicht mehr aus. Eine alleinstehende Mutter mit fünf Kindern hatte Anfang Oktober endlich eine Arbeitsstelle gefunden, musste aber absagen, weil ihre Kinder nicht in der Schule betreut wurden, sodass sie sich zu Hause um sie kümmern musste. Solche Mütter und Familien benötigten mehr finanzielle Hilfe als sonst. Außerdem ist es schon kalt und die Mehrkosten mit Heizung stehen an. Deshalb kaufen wir für einige Familien das Winterholz.

Und die Kinder, die sie angesprochen haben und die online Unterricht haben sollten, inwiefern konnten sie am Fernunterricht teilhaben?

Es ist so in Rumänien und es ist so in Deutschland, dass die finanziell schlechter gestellten Schüler durch die Pandemie nochmal zusätzlich benachteiligt wurden, weil sie an diesen Online-Angeboten nicht angemessen teilnehmen konnten. Dafür brauchen sie entweder ein gutes Telefon oder ein Tablet oder einen Laptop. Und da habe ich  einigen Kindern und Jugendlichen helfen können. Dazu kommt natürlich, dass auch viele Eltern aus der sozialen Unterschicht nicht daran inte-ressiert sind, oder auch nicht die Möglichkeiten haben, ihre Kinder zu unterstützen. Es geht mir bei unseren Projekten schwerpunktmäßig darum, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien die Chance bekommen, zu lernen, einen guten Schulabschluss und später einen guten Berufsabschluss zu erreichen, um später durch selbstverdientes Geld aus der Armut herauszukommen, in der sie jetzt leider aufwachsen müssen. Diese Ausbildungshilfe fängt im Kindergarten an: Ich kenne einige Kinder, die nur deshalb in die Kita gehen können, weil Sponsoren die Gebühren dort bezahlen, damit sie dort essen können. Oder ich helfe Schulkindern mit Schulmaterial oder Kindern aus Dörfern, dass sie nach Temeswar in weiterführende Schulen gehen können oder in Internaten wohnen können, wenn das tägliche Fahren nicht möglich ist. Ich helfe aber auch Studenten, dass sie ihr Studium absolvieren und bis zum Ende die Studiengebühren bezahlen können.

Zu einem Ihrer Dauerprojekte gehört die Hausaufgabenbetreuung für Kinder mit dem Risiko frühzeitigen Schulabbruchs. War das jetzt noch möglich?

Also, da bin ich sehr überrascht und erstaunt, wie viel Mühe sich diese Tageseinrichtungen gegeben haben, die Kinder trotzdem zu erreichen. Sie haben die Kinder angerufen oder per Skype m    it ihnen Kontakt gehalten, um sie beim Lernen in der schwierigen Situation zu unterstützen. Entweder sind es Organisationen, wo bezahlte Kräfte wirken, es sind aber auch viele Ehrenamtliche, die den Kindern auf diese Weise helfen wollen. Oft ist diese Hausaufgabenbetreuung auch noch damit gekoppelt, dass die Kinder ein Mittagessen bekommen, was für Kinder aus armen Familien eine große Hilfe ist und auch ein großer Anreiz, um überhaupt hinzugehen.

Ihre Arbeit besteht nicht nur aus dem Verteilen von Spenden, sondern auch aus dem Finden von Sponsoren. Hat sich das Spendenvolumen in diesem Jahr geändert?

Ich weiß von Einzelnen, also z. B. von Hilfsorganisationen in Deutschland, die für uns Geld sammeln, dass sie zum Beispiel ein Grillfest, auf dem sie Spenden sammeln wollten, nicht durchführen konnten. Eine Organisation hat sich dann ausgedacht, einen Rundbrief an die Interessierten zu schicken und dabei gezielt um Spenden zu bitten. Auch Frau Doris Clausen in Neuss hat in ihrem Umfeld immer wieder über meine Arbeit informiert, wie das in Rumänien mit der Corona-Situation ist, und konnte dadurch Menschen überzeugen, bedürftigen Kindern und Familien mit zusätzlichen Spenden zu helfen.

Meine Arbeit ist wichtig, aber nur möglich, weil ich hier in Temeswar ehrenamtliche Mithelfer habe, also kleine Vereine, die sich ehrenamtlich um arme Kinder kümmern wollen, dort Zeit und Energie investieren. Außerdem kennen die Ehrenamtlichen vor Ort die armen Familien besser als ich, sie können auch besser kontrollieren, ob die Familien wirklich das, was sie an Geld oder Hilfsgütern bekommen, sinnvoll einsetzen oder ob das Geld für Alkohol oder Zigaretten ausgegeben wird. Und das ist für mich ein wichtiger Rückhalt, denn damit habe ich auch wieder die Sicherheit meinen Sponsoren gegenüber, dass ihr Geld an guter Stelle ankommt.

Inwiefern konnten Sie den Familien und Kindern, die Sie betreuen, in diesem Jahr Weihnachtsgeschenke machen?

In den letzten Jahren erhielt ich viele Weihnachtspäckchen, die von Familien, Kindergärten, Schulen, Kirchengemeinden etc. gepackt worden waren. Das war diesmal nicht möglich. Die Organisatoren, Herr Ulrich Franzke vom Verein „Kinder in Not“ in Gütersloh und Frau Helga Roscher und die evang. Kirchengemeinde in Beckum, riefen stattdessen zu Geldspenden auf. Ihre Aktionen waren sehr erfolgreich und von den Spenden konnten hier in Rumänien einige Kindergärten, Hilfsorganisationen, Kinderheime etc., Süßigkeiten und Geschenke für die Kinder kaufen. Es ist den Spendern aus Deutschland gelungen, bedürftigen rumänischen Kindern auch in diesem Jahr viel Freude an Weihnachten zu bereiten.