Auf dem Tretroller das Land erobern!

Geografielehrer Arthur Szabó will geländegängige Kickbikes auch in Rumänien bekannt machen

Kickbike und Blick auf Sächsisch Regen Fotos: Arthur Szabo

Arthur Szabó im dendrologischen Park von Gurghiu

Erster größerer Ausflug 2019 zum Schloss Bornemisza in Gurghiu

„Und wo ist der Motor?“ An diese Frage hat sich Arthur Szabó längst gewöhnt, wenn er mal durch die Straßen von Sächsisch Regen/Reghin rollert. „Das Rad hat ja gar keinen Sattel“, wunderte sich ein anderer. „Das ist ein Tretroller“, belehrte ihn der 49-jährige Gymnasiallehrer. „Und wie sitzt du dann drauf?“, konterte der Frager baff. Dass er mit seinem ungewöhnlichen Gefährt bestaunt wird wie ein seltenes Zirkustier, nimmt Arthur Szabo längst lässig in Kauf. Im Gegenteil: Er hat sich vorgenommen, diesem in Rumänien kaum bekannten Sportgerät zu mehr Popularität zu verhelfen. Mit dem geländegängigen Kickbike und Gleichgesinnten will er irgendwann pittoreske Panoramastraßen im ganzen Land entdecken. Noch ist es ein ferner Traum.

Tretroller sind in Rumänien nicht besonders populär und mit Ausnahme der elektrischen Stadtscooter auch kaum bekannt, bedauert Arthur Szabó. „Die Leute denken, Roller seien nur etwas für Kinder.“ Wenn er mit seinem geländegängigen Kickbike Marke „Cross Max 20 HD“ auf Forststraßen und Wanderwegen die Wälder und Hügel der Umgebung unsicher macht, werden nostalgische Erinnerungen in ihm wach: Von den Ausflügen ins Nemira-Gebirge südlich von Covasna, an dessen Fuße seine Großeltern lebten. Von den ersten Versuchen mit dem Tretroller, den er sich von anderen Kindern auf der Straße leihen musste, weil er keinen eigenen besaß. Schon damals stellte er sich vor, wie es wohl wäre, beides zu verbinden - mit dem Tretroller diese steilen Berghänge hinunterzubrausen...

Ein Traum geht in Erfüllung

Über 40 Jahre später, im letzten Sommer, näherte sich völlig überraschend die Erfüllung dieses Kindheitstraums: Zufällig entdeckt Arthur auf dem traditionellen Samstagsmarkt in Sächsisch Regen einen geländegängigen Tretroller der Marke „Globe 3T Junior“. „Ich wusste gar nicht, dass es solche Roller überhaupt gab! Mit großen Reifen und Stoßdämpfern“, erinnert sich der Geografielehrer. Der Roller weckte seine Neugier. „Ich kaufte ihn zwar nicht, aber ich begann, mich im Internet zu informieren.“ Dort überraschte ihn die Vielfalt des Angebots - und die Erkenntnis, dass sich Kickbikes im Ausland auch unter Erwachsenen hoher Beliebtheit erfreuen. Die Palette reicht von älteren Menschen, die sich darauf stützen oder es dem Fahrrad vorziehen, weil ihnen das Sitzen auf einem Sattel unbequem geworden ist, bis hin zu Sportbegeisterten, die Extremtouren unternehmen. Der Wermutstropfen: kein Anbieter ließ sich in Rumänien finden. Außerdem waren die Geräte unerschwinglich teuer für ein rumänisches Lehrergehalt.

Doch was tun, wenn es einen so richtig gepackt hat? Arthur sah sich auf dem Second Hand Markt um – und hatte Glück. Auf einer Online-Plattform entdeckte er ein erschwingliches Angebot. Als das Kickbike geliefert wurde, wollte er es gleich auf der Straße ausprobieren. Gut 40 Jahre hatte Arthur keinen Fuß mehr auf einen Tretroller gesetzt. An den magischen Moment erinnert er sich lebhaft: „Ich spürte so eine überwältigende Freude. Wie ein Kind, das unter dem Weihnachtsbaum sein heiß ersehntes Geschenk entdeckt!“ Da stand es vor ihm: 11,2 Kilogramm schwer, verstellbare Trittbretthöhe, der Vorderreifen größer als der Hinterreifen, beide mit Stoßdämpfern versehen. Es war Liebe auf den ersten Blick!

Erste Erfahrungen – große Pläne

Dank des höhenverstellbaren Trittbretts kann Arthur sich mit dem Kickbike sowohl im Gelände als auch in der Stadt fortbewegen. Dort waren die Reaktionen recht unterschiedlich: Manchmal hielten ihn Fremde an und löcherten ihn neugierig mit Fragen. Andere wunderten sich, warum er sich keinen Elektroscooter zugelegt hatte. Es gab Freunde, die das Kickbike unbedingt ausprobieren wollten – und andere, die es ablehnten, weil sie sich schämten. „Schade“, meint Arthur, „sie wissen gar nicht, was sie verpassen!“ Auch einige seiner Schüler vom Lyzeum „Florea Bogdan“ wollten das Gerät testen: „Das Fahrgefühl hat ihnen gefallen und wir hatten viel Spaß.“ Arthur Szabo hat das Kickbiken längst als gesunden Sport schätzen gelernt, der ihm hilft, seine Kondition zu bewahren. „Nur am Anfang war es etwas schwierig, bis sich die untrainierten Beinmuskeln daran gewöhnten.“ Er tritt übrigens abwechselnd links und rechts.

Die ersten Ausflüge führten ihn einige Kilometer in die nähere Umgebung von Sächsisch Regen. Der bisher längste an einem schönen Herbsttag über 30 Kilometer, zuerst von der römisch-katholischen Kirche der Stadt zur ebensolchen in Gurghiu, nach dem Gottesdienst weiter zum dendrologischen Park neben dem Schloss Bornemizsa und auf den Burghügel hinauf. „Ich betrachte mich immer noch als Anfänger“, gesteht Arthur und verrät, dass er ab diesem Sommer auch größere Touren plant. Zwei bis viertägige Fahrten mit mindestens 60 Kilometern Asphaltstrecke oder 50 Kilometern Forstwegen zum Training der Ausdauer schweben ihm vor, im Kreis Mureș und auf schönen Strecken im Szeklerland. Danach stehen die Transfagarascher Hochstraße, das Eiserne Tor und der Nemira-Gebirgskamm auf dem Plan. Mit dem Kickbike will der vielgereiste Geografielehrer, der auch gerne fotografiert, Berge und Natur liebt, nach und nach das ganze Land neu erobern! Sicher kann er dies gut mit einem Hobby verbinden, das er seit 25 Jahren pflegt: das Sammeln von Mineralien und Fossilien.

Selbstgewählte Mission

Was Arthur Szabó jetzt nur noch fehlt, sind die passenden Mitstreiter. Denn trotz intensiver Suche im Internet hat er bisher in Rumänien keine Kickbiker aufgetan. So hat er sich vorgenommen, mit Artikeln und auf Facebook sein umweltfreundliches Hobby auch hierzulande bekannt zu machen. Überrascht hat ihn, dass das deutsche Tretroller-Magazin gleich seinen ersten Beitrag, „Kickbiking in Rumänien – eine Bestandsaufnahme“, publizierte. „Ich hätte darin gerne auch die Meinung anderer Rumänen aufgenommen oder einen Meinungsaustausch gepflegt, doch leider habe ich niemanden gefunden“, bedauert Arthur. Am 4. September 2019 erschien dann auf seiner Facebook-Seite „Plädoyer für das Kickbiking“ in rumänischer Sprache.

Demnächst will er auch für lokale Publikationen, auf Kreisebene und vielleicht auf nationalem Niveau über den Kickbike-Sport berichten. Bis zum Jahresende, hat er sich vorgenommen, soll außerdem sein Guide „Fast alles über Tretroller“ mit Tipps, Erfahrungsberichten und Tourenbeschreibungen fertig sein.

Mitte September will der Kickbike-Pionier dann im Team der Regener Fahrradgruppe an der „Europäischen Woche der Mobilität“ teilnehmen, sofern sie denn stattfindet. Dann können sich die Zuschauer selbst ein Bild machen über die Vor- und Nachteile des Tretrollers im Vergleich zum Fahrrad. „Der Gelände-Roller ist vielseitig, man kann damit Familienausflüge unternehmen oder gemütliche Fahrten in den Park, oder die Stadt queren, um Freunde zu besuchen oder touristische Sehenswürdigkeiten“, schwärmt der Pädagoge. Entspannung, Vergnügen, Naturgenuss, körperliches Training und eine Förderung des Gleichgewichtssinns sind inbegriffen.

Bedingt durch das landschaftliche Relief mit ausgedehnten Hügelketten und Bergen bietet Rumänien ein großes Potenzial für Tretroller-Touren, empfiehlt er in „Plädoyer für das Kickbiking“. Und lockt: „Wie wäre es mit dem Transfagarasch, der Transalpina, dem Transrarău? Oder dem Transcăliman, dem Drumul Bucovinei, dem Szeklerland, dem Podișul Transsilvaniei, den Subkarpaten, der Dobrudscha, dem Westgebirge oder dem Banater Bergland?“ Dort, so hat er übrigens gelesen, seien zum Banat-Musikfestival in Eibenthal, einem Dorf mit tschechischer Minderheit, 2017 erstmals Gelände-Kickbikes der Firma Yedoo präsentiert und verliehen worden.

Sein Vorbild ist die Französin Blandine Barthelemy, „La Trottineuse“, die im Zeitraum von 2015 bis 2019 über 56.000 Kilometer auf dem Tretroller zurückgelegt hat, davon 600 Kilometer in Rumänien. Von Arad fuhr sie bis in die Dobrudscha, die sie Richtung Bulgarien verließ. „Vielleicht habe ich jetzt euer verstecktes inneres Kind provoziert“ schreibt er weiter und richtet sich damit ganz gezielt an die nicht mehr so junge Generation.  „Vielleicht setzt sich jetzt bei dem ein oder anderen beim Gedanken an Bewegung diese angenehme, herausfordernde Alternative fest: Wie wär‘s mit einem Ausflug mit dem Tretroller – mit dem Kickbike durchs Land?“