Bartholomä vor 30 – 40 Jahren

Ansprache von Dr. Albrecht Klein anlässlich des diesjährigen Bartholomäusfestes (23. August)

Dr. Albrecht Klein, Kirchenvater der Kirchengemeinde Bartholomä, während seines Vortrages.

In der festlich geschmückten Kirche trafen, außer den Bartholomäern, auch zahlreiche Gäste aus der Honterusgemeinde, wie auch aus anderen Burzenländer Kirchengemeinden, ein.
Fotos: Ralf Sudrigian

Jedes Jahr feiern wir das Bartholomäusfest. Das war immer schon so, wohl seit der Einwanderung vor über 800 Jahren, als der Bartholomäus-Tag unser Kirchweihfest gewesen ist. Es ist in Kronstadt seit jeher Tradition, dass an diesem Fest in keiner anderen evangelischen Kirche ein Gottesdienst stattfindet, wohl auch als Erinnerung an die Rolle, die Bartholomä als Altstadt von Kronstadt einst gespielt hat. In den letzten 25 Jahren hat sich das Fest auch zu einem Burzenländer Gemeindefest gewandelt, zu dem ich sie nochmals herzlich willkommen heißen möchte. Das Fest ist für uns als Kirchengemeinde immer mehr auch Anlass geworden, Rückschau in die Geschichte der Gemeinde zu halten, der Frage nachzugehen, was unserer Gemeinschaft einen besonderen Anstrich, eine besondere Note gegeben hat und immer noch gibt.

Heuer, obwohl 70 Jahre seit der Deportation der sächsischen Bevölkerung nach Russland (1945) oder ebenfalls 70 Jahre seit den Enteignungen unserer Bauern im Rahmen der Agrarreform von 1945 verstrichen sind, wollen wir, trotz ihrer enormen negativen Folgen für unser Volk, eine andere Zeitspanne ins Blickfeld rücken und zwar die Periode 1976-1986, da sie zur Bartholomäer Identität stark beigetragen hat.

1976 wurde Pfarrer Walter Schullerus verabschiedet. Er ging in den wohlverdienten Ruhestand nach 23- jährigem Dienst allein in unserer Gemeinde.

Diese 23 Jahre waren eine sehr schwere Zeit für unsere Gemeinde, es war eine Zeit, wo Seelsorge besonders nötig war. Und dafür war Pfarrer Schullerus genau der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Er hat die Gemeinde nach den traumatisierenden Ereignissen von vor dem Krieg, während des Krieges und nach dem Krieg wieder einen müssen, in der Gemeinde neue Hoffnung auf Aussicht auf Besserung der Lage wecken müssen.

Wir dürfen nicht vergessen, es war die Zeit der großen politischen Prozesse gegen unsere Gemeinschaft. Unsere Gemeinde blieb wohl auch Dank der Vorsicht ihres Pfarrers von Übergriffen der Staatsmacht verschont, wir können bei seinem Wirken sogar von so etwas wie Diakonie sprechen.

Die vielen Hausbesuche, Gespräche mit den Gemeindegliedern verschafften ihm einen sicheren Platz der Bewunderung und Wertschätzung in den Herzen der Bartholomäer. Er war der Seelsorger der Gemeinde. Dass dieses heute, 40 Jahre danach, ausgesprochen werden kann, ist für diesen Pfarrer bezeichnend, da er selber nicht selbst in Erscheinung treten wollte, sondern den guten Taten, den guten Worten den Vortritt ließ. Er versuchte zu leben nach dem, was er predigte. Daran gibt es in unserer Gemeinde noch eine lebendige Erinnerung, weshalb das hier im Zeichen des Dankes besonders unterstrichen werden soll.

In dieser Zeit war die erste Nachkriegsgeneration herangewachsen, die vom Bauern zum Industriearbeiterarbeiter geworden war, eine Generation von guten Handwerkern, Technikern, Ingenieuren die der Kirche nicht so traditionsgemäß verbunden waren wie vor dem Krieg, eine Generation die viel arbeitete, und es auch zu etwas gebracht hatte. Die Häuser waren repariert worden, man trachtete danach so zu leben, dass man sich gut fühlte, dass man auch die Früchte der Arbeit genießen konnte. Motorräder und Autos tauchten auf, es war ein wirtschaftlicher Aufschwung spürbar. Und nun kommt es zur Wahl eines neuen Pfarrers für Bartholomä. Gewählt wurde Herr Pfarrer Peter Obermayer. Die Wahl wurde durchgeführt in einer feierlichen Sitzung der Gemeindevertretung, im Chor der Kirche vor dem Altar. Feierlicher konnte es nicht sein. So kam Pfarrer Obermayer im März 1976 nach Bartholomä.

Was er sofort bemerkte, war die verrußte Kirche. Die Eisenbahn mit den Dampflokomotiven hatte den Ruß auch in die Kirche geblasen, so dass die dunkeln und grauen Wände nicht zur Erbauung des Gemütes beitragen konnten. Die allgemeine Luftverschmutzung „dank“ des sozialistischen Fortschritts tat ein Übriges. Im Rahmen der damaligen „Demokratie“ war es jedoch nicht so ohne weiteres möglich, eine Kirche zu renovieren. Die Wunden, die von den politischen Prozessen 1958-1959 geschlagen worden waren, waren noch lange nicht geheilt.

Das ganz große Verdienst von Pfarrer Peter Obermayer war, dass es ihm gelang, schnell einen tiefen Einblick in die Gemeinde zu erhalten und zu erkennen, wie es um sie stand. Er erkannte, wie die Menschen zu mobilisieren sind, sah, dass sie bewusst oder unbewusst, eigentlich nur darauf gewartet hatten, in den Dienst der Gemeinschaft genommen zu werden. Da war der Ingenieur und Musiker Gerhard Schromm. Wie sich das Verhältnis zwischen dem Musiker und dem Pfarrer entwickelt hat, wissen wir nicht, aber der Pfarrer war noch kaum ein Jahr in Bartholomä, da gingen die Zehntfrauen von Haus zu Haus und baten um Spenden für den Aufbau einer Blaskapelle. Alle kirchlichen Blasmusiken aus Siebenbürgen waren gerade abgeschafft worden, die Kulturhäuser hatten diese übernommen. Und jetzt kommt Pfarrer Obermayer und getraut sich, so eine Aktion zu starten. Das war in jener Zeit ein Unterfangen das auch schlecht hätte ausgehen können.

Die Leute spendeten und aus diesem Geld wurden die Instrumente gekauft, gleichzeitig die Bläser angeworben und unterrichtet, so dass bald der erste öffentliche Auftritt der Blaskapelle am Bartholomäusfest 1977 stattfand. Es war etwas gelungen, was die ganze Gemeinschaft begeisterte. Nach den ersten Auftritten der Blasmusik bei Beerdigungen, in der Silvesternacht in der Mittelgasse, kamen die Leute um nochmals Geld für die Blasmusik zu spenden. Sie hatten ja nicht gedacht, dass so etwas Wunderbares aufgebaut wird. Diese Blasmusik hat Auftritte gehabt in der Redoute wo sogar Jugendliche als Klatschmädel mitmachten. Diese Blasmusik war auch nach Herrn Schromm‘s Auswanderung noch lebensfähig, dirigiert wurde sie auch von Professor Ernst Fleps.

Der zweite große Erfolg in den ersten Jahren von Pfarrer Obermayer war die Befreiung des Pfarrhauses von den vielen Mietern, die sich seit dem Krieg im Pfarrhaus drängten. Im großen Pfarrhaus war damals kein Platz für Gemeinderaum und Arbeitszimmer, da überall die vom Staat aufgezwungenen Mieter saßen. Es bestand wenig Hoffnung, die Mieter loszuwerden, da es in der Stadt keine freien Wohnungen gab und das Recht auf der Seite der Mieter stand.

Unverhofft tat sich eine Möglichkeit auf, die von den Mietern besetzten Räume leer zu bekommen. Wie dieses genau gelaufen ist, weiß ich nicht, aber die drei Mieterparteien aus dem jetzigen Amtszimmer, der Seniorenküche, dem Sekretariat und den beiden Gemeinderäumen, haben andere Wohnungen erhalten und das Pfarrhaus war geleert. Da konnten nun der Gemeinderaum hergerichtet werden für Proben des Chors, für Religionsunterricht, Konfirmandenunterricht, Blasmusikproben, ja man konnte Nachbarschaftstreffen organisieren, es gab einen Raum, wo man sich treffen konnte. Die so leer gewordenen Räume wurden renoviert mit geringem materiellem Aufwand und viel freiwilligem Dienst.

Die nötigen Tische und Bänke für Zusammenkünfte wurden von den Bartholomäer-Tischlern gemacht. Sie werden teilweise auch heute beim Bartholomäusfest ihren Dienst tun. Diese zwei großen Erfolge brachten Hochstimmung in der Gemeinde auf, man konnte sehen, dass etwas durch und für das Gemeindewesen wuchs.

Das nächste Projekt, das in Angriff genommen wurde, ist die erste Ausmalung einer Kirche durch die eigene Gemeinde ohne staatliche Mitwirkung nach dem Projekt von Architekt Fabini. Um dieses zu bewerkstelligen brauchte es Geld. Es wurde wieder um Spenden gebeten und diese kamen auch. Laut Presbyterialprotokollen oder Kassabuch u.s.w. wurden die Kirchenbeiträge von 0,4 Prozent auf 1 Prozent angehoben, d.h. von 41.000  Lei stiegen die Jahreseinnahmen auf 101.000 Lei. Dabei sank übrigens die Spendenfreudigkeit nicht, ganz im Gegenteil.

Am 9. Mai, es war der Muttertag des Jahres 1981, ist der letzte Gottesdienst in der großen Kirche gehalten worden. Davor war bereits die Totenhalle unter dem Turm vorbereitet und in eine kleine Kirche verwandelt worden, in welcher 80 Personen für die Teilnahme am Gottesdienst Platz fanden.
In den nächsten drei Monaten war freiwilliger Arbeitsdienst dauernd organisiert. In der großen Kirche mussten die Gerüste dauernd ab und an anderen Stellen wieder aufgebaut werden, elektrische Leitungen und Gasrohre verlegt, der viele Schutt beseitigt werden und vieles andere mehr. Nach dem Herrichten der Wände und dem Ausmalen, kamen die Fensterscheiben, dann das große Anstreichen der Gestühle, der Orgelempore, der Kanzel u.s.w. Und dies alles binnen dreier Monate!

Das Bartholomäusfest 1981 war der Tag der Wiedereinweihung der frisch ausgemalten Kirche. Laut Akten aus dem Kontobuch von 1981 geht hervor, dass die Cooperativa Reps, bei der der Zimmermaler Klein angestellt war, etwas mehr als 75.000 Lei bekommen hatte. Diese Summe war der Gegenwert von einem neuen PKW der Marke Dacia, ungefähr drei Jahreseinkommen (netto) eines Lehrers, das Netto-Einkommen eines Stahlbetonbauers (fierar betonist).

Diese Summen sollen nicht den Wert der Arbeiten anzeigen sondern klarstellen, dass der freiwillige Arbeitsdienst es der Bartholomäer Gemeinde erst ermöglichte, so viel Geld zu sparen, so dass das Vorhaben überhaupt in die Tat umgesetzt werden konnte!

Herr Pfarrer Peter Obermayer fand 1976 eine Rücklage von 36.000 Lei (laut Kontobuch)vor. Wie viel ist gespendet worden und wie viel ist durch freiwilligen Arbeitsdienst gespart worden, damit dieses große Werk gemacht werden konnte? Heute nach über 30 Jahren sitzen wir in dieser Kirche und merken, dass man so eine Aktion bald wieder machen müsste. Heute kann man alles nur noch durch bezahlte Arbeiter erledigen. Leider – denn jedes Gemeinschaftsprojekt schweißt die Beteiligten zusammen, und das Gelingen stärkt das Selbstbewusstsein.

Was wir abschließend noch sagen müssten, ist, dass Gott seine Arbeiter in seinen Weinberg schickt und jeder arbeitet nach seinen Möglichkeiten darin.

Wenn das Werk Gott gefällig ist, dann gelingt es! Die Saat geht auf. Pfarrer Obermayer, mit seinem Organisationstalent, mit seinem Mitmachen, mit dem Heranziehen der Gemeinde, mit erfahrenen Mitarbeitern auf allen Ebenen hat gesät und die Saat ging auf.

1982 ging die Renovierung außen an der Kirche und am Kirchendach weiter. Nebenbei, zwischendurch wurde auch die Front des Pfarrhauses erneuert.

Da das Kirchendach Ziegeln benötigte und für auszuwechselnde Balken das Bauholz gebraucht wurde, kaufte die Kirchengemeinde eine Holzscheune in Weidenbach. In freiwilligem Arbeitsdienst wurde die Scheune abgedeckt, sorgfältig abgetragen und, teilweise verkleinert, am Kirchhof wieder aufgebaut, wo das Baumaterial und die Ziegeln lagerten bis zu ihrem Gebrauch.

Die ganze Erneuerung der Dachrinnen und der Simsüberzüge aus Blech am Turm sind in den nächsten zwei Jahren erfolgt, ohne dass die Gemeinde finanziell ausgeblutet wäre.

Im Gegenteil – die Gemeinde hatte Unglaubliches mit ihrem Pfarrer geleistet. Es sei hier auch erwähnt, dass 1983, trotz auf Hochtouren laufender Renovierung, die Bartholomäer Gemeinde, wie wohl das ganze Burzenland gerufen war, 5 Prozent der gesamten Jahreseinnahmen für die Reparatur der Schwarzen Kirche zu spenden.

Rückblickend kann man zu Obermayers Zeit in Bartholomä sagen: „Der rechte Mann zur rechten Zeit am rechten Ort“. Dasselbe kann aber auch von der Gemeinde gesagt werden. Da waren aus der Gemeinde die Vertreter, die alles durchdachten und durchgerechnet und mitgetragen haben und die auch wussten, auf wen sie sich stützen können. Ich möchte daran erinnern, dass im Presbyterialprotokoll Ende 1985 vermerkt ist, dass das Industrieministerium ein Gesuch der Kirchengemeinde Bartholomä bewilligt hat, dass eine Tonne Zinkblech für Dachrinnen gekauft werden kann. Ganze zwei Jahre hatte man auf diese Genehmigung gewartet! Ende 1986 waren dann die Dachrinnen wo sie sein sollten und die Renovierungsarbeiten beendet.

Dass die Behörden all dies duldend zur Kenntnis nahmen, ist verwunderlich, aber wenn eine Arbeit im Endeffekt dem Ruhme Gottes dienen soll, dann ist es immer so, wie wenn Engel einen Ausflug machen – es ist immer schönes Wetter – immer ein Gelingen. Gott hat Herren Pfarrer Peter Obermayer, diese Gemeinde durch diese Erfolge, in seinen Weingarten genommen, eine Aussaat getätigt, die heute noch aufgeht und Früchte trägt. Wir danken Pfarrer Obermayer für den Dienst in Bartholomä und beenden den Bericht mit der Zusage Gottes die Herr Pfarrer Obermayer bei jeder Taufe uns zurief: „Fürchte dich nicht – ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“

Auch wir Bartholomäer sind sein.