Bauen im Sinne der Kreislaufwirtschaft

„FABER“ für Preis zum neuen Europäischen Bauhaus nominiert

Bauen im Sinne der Kreislaufwirtschaft: Der seit 2017 gegründete Veranstaltungsort „FABER“ wurde in einem alten Fabrikgebäude eingerichtet. Die Wiederverwendung und Neuerfindung alter Gebäude ist Kernstück des europäischen Grünen Deals.
Foto: FABER

Auf der Homepage von „New European Bauhaus“ wird die Initative folgendermaßen vorgestellt: „Das neue Europäische Bauhaus ist eine kreative interdisziplinäre Initiative, die einen Ort der Begegnung schaffen soll, wo an der Schnittstelle von Kunst, Kultur, sozialer Inklusion, Wissenschaft und Technologie künftige Lebensweisen gestaltet werden. Es bringt den Grünen Deal an unseren Lebensmittelpunkt und ist ein Aufruf, gemeinsam Vorstellungen von einer nachhaltigen, inklusiven, intellektuell und emotional ansprechenden Zukunft zu entwickeln und zu realisieren.
Attraktivität bedeutet inklusive, zugängliche Räume, in denen der Dialog zwischen verschiedenen Kulturen, Disziplinen, Geschlechtern und Altersgruppen Gelegenheit bietet, sich eine lebenswertere Welt für alle vorzustellen. Das bedeutet auch eine integrativere Wirtschaft, in der Wohlstand allen zuteil wird und Lebensräume erschwinglich sind.
Attraktivität bedeutet nachhaltige Lösungen, die einen Dialog zwischen unserer baulichen Umwelt und den Ökosystemen unseres Planeten ermöglichen. Das bedeutet, regenerative, von natürlichen Zyklen inspirierte Konzepte zu verfolgen, die Ressourcenerholung ermöglichen und die biologische Vielfalt schützen.
Attraktivität bedeutet bereichernde Erfahrungen, die von Kreativität, Kunst und Kultur inspiriert sind und auf Bedürfnisse jenseits der materiellen Dimension eingehen. Das bedeutet, Vielfalt als Gelegenheit zu gegenseitigem Lernen wertzuschätzen.“ 


Es hat sich vieles bewegt in den inzwischen 102 Jahren, seit Walter Gropius das Staatliche Bauhaus in Weimar gründete. Für den Architekten war es eine Kampfansage: Weg mit der Massenware vom Fließband. Im Bauhaus sollten Architekten, Bildhauer und Maler zusammenkommen und eine Alternative zur industriellen Produktion finden. Er ebnete damit den Weg für das moderne Design. Es war eine Revolution, die selbst die Nationalsozialisten nicht niederschlagen konnten. 

Zu einer revolutionären Neuausrichtung möchte auch der Preis zum neuen Europäischen Bauhaus anstacheln. Die Kampfansage hat sich leicht geändert, der allgemeine Gegenspieler allerdings nicht. Stand allerdings ein Walter Gropius Anfang der 1920er Jahre noch alleine da, haben inzwischen seine Schüler und deren Schüler eine Bewegung gebildet, die länder- und generationsübergreifend ist. 

Bauhaus dürfte also keine unwesentliche Rolle gespielt haben, als 13 Temeswarer zusammenfanden, um „FABER – The Capacity Building“ zu gründen. Neun davon sind schließlich Architekten, die das Unkonventionelle suchen und dementsprechend auf den Spuren eines Walter Gropius wandeln. Die anderen vier Akteure machen sich für Projekte stark, die Temeswars Gemeinschaftssinn fördern. Das Jahr der Zusammenkunft: 2017. 

Noch hat „FABERS“ Entstehungsgeschichte nicht den Mythos eines Bauhaus. Aber als Treffpunkt für Kreative bedeutet „The Capacity Building“ für Temeswar ein Schritt in eine bessere Zukunft. 

Denn während die meisten ehemaligen Fabriken der Stadt entweder abgerissen werden oder vor sich hin vergammeln, hat „FABER“ zum Erhalt eines historischen Gebäudes beigetragen, welches ab 1844 eine Öl- und Seifenfabrik, ab 1948 eine Glühbirnenfabrik und schließlich die Farbenfabrik Azur beheimatete. 

Ein Beispiel für die Region

Gerade diese erfolgreiche Neuerfindung eines alten industriellen Raumes an den Ufern des Bega-Kanals im Herzen eines geschichtsträchtigen Industrieviertels hat vermutlich auch die Jury des Preises zum neuen Europäischen Bauhaus überzeugt, „FABER“ in die engere Auswahl für 2021 zu nehmen.

Rund 2000 Projekte aus der EU haben sich in diesem Jahr beworben. Davon wurden nur 60 ausgewählt, und von diesen 60 werden in zehn Kategorien die Gewinner ermittelt. Es werden pro Kategorie jeweils zwei Preise vergeben: Der Hauptpreis in Wert von 30.000 Euro sowie der Rising Star-Preis in Höhe von 15.000 Euro. 
„FABER“ ist im Wettstreit für den Hauptreis mit zwei Projekten aus Spanien und es ist das einzige rumänische Projekt, welches es in die finale Ausscheidung in allen Kategorien geschafft hat. 

Also schon allein die Nominierung ist ein wichtiger Erfolg nicht bloß für die 13 Gründer, sondern auch für die Stadt selbst, die als werdende Kulturhauptstadt Europas in den vergangenen Monaten ständig für schlechte Presse auf EU-Ebene sorgte. 

Erfolgsgeschichten wie „FABER“ machen Hoffnung. Temeswar kann durchaus kulturell relevant sein und muss nicht im Schatten anderer rumänischer Städte stehen.
„FABER“ sollte auch die logische Entwicklung alter Industrieviertel sein, deren Industrien längst untergegangen sind. Ein Beispiel nicht nur für Temeswar sondern für die Region, für das historische Banat. Kulturtourismus könnte auch für eine alte Industriestadt wie Reschitza/Reşiţa die Rettung bedeuten. Aber auch viele kleinere Städte oder Gemeinden könnten vom „Bauen im Sinne der Kreislaufwirtschaft“ profitieren. Auch wenn vielleicht das notwendige Publikum noch fehlt. Das hat aber den Weimarer Bauhaus nicht aufgehalten. 

Ein Beispiel für Temeswar

Manchmal muss man richtungsweisend sein und den ersten Schritt wagen. Denkt man an Andreea Iager-Tako und Norbert Tako, den Mitbegründern von „FABER“, sind manchmal zwei Schritte notwendig. Schließlich könnte man „The Capacity Building“ als spirituellen Nachfolger von „Ambasada“ sehen, ohne den Beitrag der anderen Initiatoren schmälern zu wollen. Auch „Ambasada“ war ein Veranstaltungsort und Treffpunkt, der sich in einem alten Fabrikgebäude (inzwischen abgerissen) befand. Es war die Suche nach einem neuen Ort, der das Ehepaar Tako mit dem Architekten-Kollektiv „FOR“ sowie Val Mureşan und Cristina Potra-Mureşan zusammen brachte.

Die richtigen Personen am richtigen Ort können Berge bewegen. Ungeachtet dessen, ob das Projekt der 13 Temeswarer den Preis zum neuen Europäischen Bauhaus in der Kategorie „Bauen im Sinne der Kreislaufwirtschaft“ gewinnen wird oder nicht, bleibt „FABER“ ein Gewinn für Temeswar: Eine Initiative, die auf europäischer Ebene auf sich aufmerksam gemacht hat und die daran erinnert, weshalb Temeswar durchaus den Titel Kulturhauptstadt Europas verdient. 

Die Preisträger des Preises zum neuen Europäischen Bauhaus 2021 werden am 16. September bekannt gegeben.