Berufsschüler mit hohem sozialem Engagement

Mülheimer Willy-Brandt-Schule leistet seit über 20 Jahren Rumänienhilfe – Schüler lernen dabei Technik und mehr

Drei Tage lang verlegten Schüler, Lehrer und IT-Experten Kabelkanäle, renovierten das Mobiliar und warteten, reinigten und installierten die gespendeten Computer. | Fotos: Chris Wortmann

Während im Raum selber Kabelbetten verlegt wurden, kümmerte sich ein Teil der Gruppe auf dem Schulkorridor darum, sämtliche Komponenten zu putzen und sauber zu saugen.

Schüler, Lehrer und IT-Experten sowie freiwillige Begleiter machten ein Gruppenfoto im fertiggestellten, voll ausgestatteten Informatikraum am Ende ihres jüngsten Rumänieneinsatzes.

Eine Schülergruppe der Willy-Brandt-Schule aus Mülheim an der Ruhr unter der Leitung von Prof. Peter Klatte hat gemeinsam mit einem Lehrerteam und einem externen Experten das Informatiklabor der Nikolaus Lenau-Schule in Temeswar/Timișoara neu eingerichtet. Die Ausstattung kommt den Lyzealschülern zugute, die damit ein zweites hochmodernes Labor haben, in dem sie ihre Informatikkenntnisse und Fähigkeiten ausbauen können. Das Projekt, bei dem deutsche Berufsschüler im Banat verschiedenste Ausstattungen anbringen oder in Stand halten, ist mehr als 20 Jahre alt.

Zwölf Schüler aus der 13. Klasse machten sich zusammen mit Techniklehrern, aber auch Experten außerhalb der Schule auf den Weg, um in Rumänien alte Hilfsprojekte zu warten, einen Computerraum einzurichten, aber auch um neue Kooperationen oder Projekte auszuloten. Die Schüler kamen aus zwei Klassen, sie machen dieses Jahr ihr Abitur und sollten durch den Einsatz ein bisschen Gelegenheit bekommen, ihre Stärken sowohl im technischen, logistischen als auch im handwerklichen Bereich zu testen. „Die humanitäre Arbeit bei diesen Rumänien-Technikfahrten macht viel Spaß, denn man kann selber mit anfassen und mitentscheiden, was und wie es gemacht wird, man kann seine Ideen einbringen. Und am Ende ist es ein schönes Gefühl, in so einem Raum zu stehen und zu sehen, was man geleistet hat, be-sonders, wie sich Lehrer und Schüler darüber freuen und schon an den PCs zu arbeiten beginnen. Für uns ist das eine freiwillige Teilnahme, die findet teils in unseren Ferien statt, beziehungsweise haben wir die Vorbereitungsarbeit außerhalb unseres regulären Schulunterrichts geleistet“, berichtet Julian Steigerwald (18), der bereits zum dritten Mal an dem Projekt teilnimmt. Er strebt ein Studium der Ingenieurswissenschaften an, hat sich aber noch nicht genau festgelegt.

Lena-Marie Bartoldus besucht die gleiche Klasse und nimmt zum zweiten Mal an dem Rumänienprojekt ihrer Schule teil. Obwohl alle zwölf Schülerinnen aus der gleichen Stufe kommen, habe das Projekt dazu beigetragen, dass man sich besser kennengelernt habe und man enger zusammengearbeitet habe, als es sonst im Unterricht der Fall wäre. Es sei alles sehr praktisch und handwerklich, was für manchen auch Lernerfahrungen mit sich brachte, berichtet die 18-Jährige. Jenseits der theoretischen und praktischen Erfahrung sei es ihr besonders bewusst geworden, dass das Leben, das sie in Deutschland lebt, eigentlich sehr gut ist im Vergleich, zu den Umständen, unter denen manche Rumänen ihren Alltag bewältigen müssten. Man lerne eben auch ein bisschen Demut dabei, sei aber auch froh, ein bisschen Verbesserung und Unterstützung anbieten zu können. Dass man in diesem Jahr auch einige der rumänischen Schüler kennen gelernt habe, fand sie auch gut, weil man sonst im Sommer bei den Einsätzen weniger Gelegenheit dazu gehabt habe. 

Schon vor der 1500 Kilometer langen Fahrt habe man sich mit der Planung und der Vorbereitung des Einsatzes beschäftigt, berichtete Julian Bossak, Lehrer für Technik und Erdkunde an der Berufsschule in Mühlheim an der Ruhr. Die 30 im Computer-Raum eingebauten Geräte mussten vor- und aufbereitet werden, zumal es sich nicht um neue Computer handelte. Die Willy-Brand-Schule habe sie selbst als Spenden bekommen. Bevor sie  jedoch aufgestellt wurden, habe man sie bereits in Deutschland auf den neuesten Stand gebracht, die den aktuellen Standards entsprechen. Zusätzlich wurden der Nikolaus-Lenau-Schule auch 20 Laptops und ein Beamer  gespendet, die auch außerhalb des Informatikraums entweder im Unterricht oder bei anderen Schulprojekten von Lehrkräften oder Schülern verwendet werden können.

Seit 2002 wird das Schulprojekt „Schule hilft Rumänien“ von Lehrern und Schülern aus Mülheim durchgeführt. Die Berufsschüler und Techniklehrer der Willy-Brandt-Schule unterstützen so regelmäßig die Rumänienhilfe am Klinikum St. Clemens in Oberhausen und die Caritas in Tschakowa/Ciacova in ihrem Bemühen, die Bildungschancen der jungen rumänischen Bevölkerung und die Lebensbedingungen älterer Menschen in Rumänien zu verbessern. Mittlerweile hat man zusammen mit dem ehemaligen technischen Direktor des St. Clemens-Klinikums, Hans Rosenkranz, und ehrenamtlichen Helfern einen Verein zur weiteren Hilfe für Rumänien gegründet, der inzwischen als gemeinnützig anerkannt ist und seinen Sitz an der Willy-Brandt-Schule hat. Bis vor der Corona-Pandemie gab es jährlich ein- bis zwei zehntägige Fahrten zu Hilfseinsätzen. Die Fahrzeuge hierzu, die von ehrenamtlichen Helfern und Lehrern gefahren wurden, stellte bis 2015 das Clemens -Klinikum zur Verfügung.  Seit 2016 organisiert die Willy-Brandt-Schule die Hilfsfahrten eigenständig. Die Finanzierung läuft jetzt auch teils über die Agentur für Arbeit des Landes in Nordrhein-Westfalen, die die Berufsschulbildung gerade für MINT-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, fördert. Denn die Hilfseinsätze der Schülerinnen und Schüler werden seit vielen Jahren durch ehrenamtliche Handwerksmeister, Ingenieure, Betriebsleiter, Unternehmer, Dozenten und Seniorpartner in der Vorbereitung an der Willy-Brandt-Schule und vor Ort in Rumänien betreut, inklusive Schulung. Die erneute Ausstattung der Nikolaus-Lenau-Schule war der 25. Hilfseinsatz der Willy-Brandt-Schule in Rumänien. Bisher wurden insgesamt 15 vernetzte Computerräume, sieben Solarthermieanlagen und drei Haussanierungen realisiert und zusätzlich Hilfe bei Hochwasser, bei der Ernte und bei der Renovierung der Einrichtung der örtlichen Caritas geleistet. Rund 500 Schüler haben in den letzten 20 Jahren bei den Hilfseinsätzen mit hohem ehrenamtlichem Engagement mitgemacht, berichten Lehrer, die schon mehrere Jahre die Strapazen der rund 17 Stunden  langen Reise nach Rumänien auf sich nehmen. Durch diese Projekte erlangen die deutschen Schüle-rinnen und Schüler neben technischen Planungs- und Handlungskompetenzen auch hohe soziale Kompetenzen, die über die unterrichtlich vermittelbaren Werte hinausgehen. Die Jugendlichen haben ihre Erfahrungen aus den Hilfseinsätzen an die Schulgemeinde weitergetragen und dazu beigetragen, dass das ehrenamtliche Engagement in Mülheim an der Ruhr eine hohe Akzeptanz hat.

Nun wird angestrebt, dass es zwischen der deutschen Willy-Brandt-Schule und der Nikolaus-Lenau-Schule auch zu einer engeren Partnerschaft kommen soll, damit regelmäßig auch Schulaustausche zustande kommen können und eventuell auch Lenauschüler bei den Berufsbildungseinsätzen in der Region mitmachen. Auch eine Kooperation mit der Theater-AG beziehungsweise der NiL-Theatergruppe sei vorstellbar, so Schulleiterin Helene Wolf.

Ein bisschen Freizeit gab es für die Gruppe jedoch auch, so dass man die umgebenden Dörfer und die westlichen Ausläufer der Karpaten erkundete. Die Tour führte zunächst nach Reschitza mit seinem ehemaligen Stahlwerk, dessen Ingenieurskunst man im Freilicht-Dampflokomotivenmuseum bestaunte. Über teils Schotterwege ging es bei einer ruckeligen Fahrt über Steierdorf zum Luftkurort Marila. Für manch einen sei es schwer vorstellbar gewesen, dass hinter der bröckeligen Fassade Menschen behandelt würden, heißt es im Reisebericht der Gruppe. Die Wichtigkeit der humanitären Engagements sei ihnen dadurch verdeutlicht worden.

Zusätzlich werden seit vielen Jahren Weihnachtspakete für die benachteiligten Kinder in Rumänien durch die Schulgemeinde gepackt, gesammelt und mit Paketen von anderen Gemeinden in Deutschland und den Niederlanden zum Nikolausfest mit dem inzwischen vereinseigenen LKW nach Rumänien transportiert und an bedürftige Kinder verteilt. Die Unterstützung vieler Hilfsprojekte erfolgte an der Willy-Brandt-Schule durch Sponsorenläufe, Sach- und Geldspenden und viele Stunden außerunterrichtlichen Engagements.

Die Schüler, die für eine Woche im Rahmen einer Kooperation zwischen Rumänienhilfe Oberhausen und Caritas Tschakowa im Banat weilten, richteten auch 2019 im ehemaligen Mincu-Lyzeum einen Computerraum mit 30 Computern plus einem PC für den Lehrer ein. Die weiteren Hilfsaktionen fanden in Temeswar, in Liebling, Detta und Caracal statt und bestanden konkret aus Sammelaktionen von Computern von deutschen Privatfirmen und der Bundesbank, einschließlich deren Überprüfung, Aufbereitung, Software-Installation, Verpackung und letztlich Installation in Rumänien. So hat man in den Vorjahren Solarthermieanlagen für die Caritas Tschakowa  installiert, mit einer Schülergruppe wurde 2017 ein Computerraum  in der Busiascher Außenstelle des Temeswarer Gefängnisses, das eigentlich eine Jugendvollzugsanstalt ist, eingerichtet, die sich als Ziel setzt, straffällig gewordene Jugendliche zu erziehen und sozial zu integrieren.