Bischofskonferenz zur Novellierung des Archivgesetzes

Ignorieren Staatsarchive die Rückerstattungforderungen der römisch-katholischen Kirche?

„Wir bedauern, dass wir in einer so bedeutsamen Frage für uns alle, wie es der Entwurf des neuen Archivgesetzes ist, nicht direkt informiert wurden, sondern man sich für eine Online-Veröffentlichung der Gesetzesvorlage entschieden hat“, protestiert die katholische Bischofskonferenz Rumäniens mit Unterschrift ihres Vizepräsidenten, des Erzbischofs und Metropoliten von Bukarest, Ioan Robu, in einer öffentlichen Stellungnahme, „wobei für die Vorlegung von Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen eine extrem kurze Zeitspanne zur Verfügung steht: bloß 20 Kalendertage (nicht einmal 20 Arbeitstage!)”. Infolgedessen habe das Sekretariat der Konferenz der römisch-katholischen und der griechisch-katholischen (mit Rom unierten) Bischöfe das neue Archivgesetz, das von den Nationalarchiven Rumäniens auf der Internetseite des Innenministeriums veröffentlicht wurde, „mit Verspätung zur Kenntnis genommen“.

Aufmerksam wurde man in den Diözesen erst durch einen Facebook-Kommentar des Archivforschers Dumitru Lăcătuşu, wo dieser u. a. schreibt: „Ich habe auf der Seite der Nationalarchive einen Entwurf für ein Archivgesetz von 2008-2010 gefunden, das nicht dieselben Restriktionen aufzwingt und auch nicht dasselbe immense Zensurpotenzial birgt (wie der gegenwärtige Gesetzentwurf – Anm.wk). Es geht vor allem um die Bedingungen, unter denen die Dokumente der Kommunistischen Partei zwischen 1921-1989 konsultiert werden können. Die Archive der Kommunistischen Partei und ihrer Strukturen sollten freigegeben werden. Außerdem gibt es dort keine Verpflichtung des Forschers, für die Veröffentlichung von Dokumenten eine schriftliche Zustimmung seitens der Nationalarchive einzuholen.” Offensichtlich gehe es den Gesetzgebern darum, die Möglichkeiten zu begrenzen, die Verbrechen des Kommunismus und des Staats im 20. Jahrhundert zu erforschen, schreibt Lăcătuşu.

Menschenrechtsverletzungen des rumänischen Staates unter kommunistischer Herrschaft sollen unter möglichst großen Schwierigkeiten aufgedeckt werden können – so allem Anschein nach ein Ziel des neuen Archivgesetzes. Das Gesetz in seiner vorgesehenen Form „verhindert eine Berichtigung begangenen Unrechts“, heißt es. Denn der Zugang der Forscher zu den Dokumenten der Securitate, der Miliz, sämtlicher kommunistischer Repressivorgane – Milizarchive sind fast zur Gänze noch unerforscht – werde behindert. „Rund 30 Jahre nach dem Fall des Kommunismus und elf Jahre nach seiner politischen Verurteilung sind den Forschern und der Öffentlichkeit immer noch grundlegende Archive verschlossen. (...) Mehr noch, es besteht das Risiko, dass alles bisher Erreichte durch die Verabschiedung solcher Gesetze wie das Vorliegende verlorengeht.“ Eingesehen werden kann der Gesetzentwurf auf: http://www.arhivelenationale.ro/images/custom/image/Pdf-uri/Proectul_Legii_Arhivelor.pdf

Im Kommuniqué der Bischofskonferenz wird auch auf einen anderen Aspekt eingegangen: „Das Interesse der katholischen Diözesen aus Rumänien, beider Riten, im Bezug auf die Frage der Archive ist bekannt, vor allem für diejenigen Archivfonds, die in den Jahren des kommunistischen Regimes beschlagnahmt wurden. Diese Archivfonds sind bis zum heutigen Tag nicht rückerstattet worden, ja der Dialog zu diesem Thema ist bedauer-licherweise erloschen”, schreibt die Bischofskonferenz im Kommuniqué.

Noch besorgniserregender sei die Tatsache, dass „im Inhalt der Gesetzesvorlage auf keinerlei Weise ausdrücklich auf die Kirchenarchive eingegangen wird, also auf jene Archive, die im Besitz der Glaubensgemeinschaften waren und/oder von anderen dazugehörigen Institutionen, oder die diesen untergeordnet sind/waren.” Und das ist ein Problem, das alle Kirchen angeht. Ebenso wie die restriktiven Vorgaben des Gesetzentwurfs bezüglich der Pflicht der Glaubensgemeinschaften, ihre Dokumente, zu diversen Zeitpunkten, den Staatsarchiven zu überantworten. Allerdings ist das ein Problem, das alle Institutionen betrifft, einschließlich die Hochschulen, denn in der Gesetzesvorlage wird keinerlei Ausnahme definiert.

Die katholische Bischofskonferenz hält die Tür zum Dialog mit dem Innenministerium trotzdem offen, das die Staatsarchive verwaltet und deren Nutzung kontrolliert – genau wie vor 30 Jahren, in kommunistischer Zeit – und erklärt „ihre Bereitschaft und volle Öffnung hinsichtlich der Regelung der rechtlichen Sachlage der eigenen Dokumente und Archive aufgrund des Gesetzes über die religiösen Gemeinschaften und der hauseigenen Regelungen, sowohl jener, die von den Diözesen der Bischofskonferenz verwaltet werden, als auch jener, die beschlagnahmt wurden.“ (internationale Kürzel zu den kircheninternen Regelungen: CIC und CCEO: CIC, Ausgabe 1983, ist z. Z. noch mit einigen kleinen Änderungen/Ergänzungen gültig und bedeutet die Abkürzung von Codex Iuris Canonici – Kodex des Kanonischen Rechts – für die römisch-katholische Kirche; CCEO, Ausgabe 1990/91, ist z. Z. gültig und die Abkürzung für Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium – Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen – kurz gefasst: Kirchenrecht der 22 mit Rom unierten orientalischen Kirchen, unter anderen auch der Griechisch-Katholischen Kirche in Rumänien, letztere gültig für alle mit Rom unierten Kirchen. Beide, CIC und CCEO, sind vom rumänischen Staat offiziell anerkannt – Anm. wk).
Mehrere der ungarischen reformierten Kirchen Rumäniens haben sich inzwischen mit dem Protest-Kommuniqué der katholischen Bischofskonferenz Rumäniens solidarisch erklärt. Auch die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien signalisierte aus Hermannstadt Verständnis.

Gleichzeitig drückt die katholische Bischofskonferenz ihren „festen Willen aus, die ihr gehörenden Archive und das kirchliche Archivgut selber zu verwalten, in guter Zusammenarbeit mit den staatlichen Institutionen, aber aufgrund des Prinzips gleicher Rechte und Pflichten und des gegenseitigen Respekts.“ Dazu sei bemerkt, dass in manchen Archiven ein Teil des Lohns der Archivare vom rumänischen Staat übernommen wird. Eine Regelung, die nicht überall gleich angewandt wird. Gleichzeitig versichert die Bischofskonferenz grundsätzlich, „dass die katholischen Kirchendokumente und Archive verwaltet und auf dem Territorium der Diözesen verbleiben werden, die sie geschaffen haben, beziehungsweise, die sie besitzen, indem sie sie in den eigenen Archivlagern aufbewahren, sodass keinerlei Möglichkeit besteht, dass diese entfremdet oder jenseits der Grenzen des Landes exportiert werden.“
Das ist ein deutlicher Wink auf die permanente Angst und Furcht rumänischer Nationalisten (auch auf hohen Rängen des Innenministeriums, „die für ihren Patriotismus bezahlt werden“, wie es eine Satirezeitschrift treffend formulierte), dass die zu guten Teilen von ungarischsprachigen Gläubigen und Bischöfen besetzten katholischen Diözesen Archivmaterial nach Ungarn befördern könnten, womit dann gängige rumänische Geschichtstheorien, meist typische Nationalstaatsthemata aus dem 19. Jahrhundert, an denen in Rumänien nicht gerüttelt werden darf, ins Wanken geraten könnten. Vielleicht haben wir es hier auch mit einer Anspielung auf den schwungvollen Handel mit wertvollem Archivmaterial zu tun, über den es vor allem in den 1990er Jahren rumänienweit „Gerüchte” gab.

Zuletzt erneuert die Bischofskonferenz einen „festen Wunsch”, dass nämlich „der Zugang zu den eigenen Kirchenarchiven für die Forscher jedwelcher Nationalität, Konfession, Rasse, Staatsbürgerschaft, sozialer Lage aufgrund der eigenen Betriebsregeln und unter unabhängigen Bedingungen gesichert” wird. Fehlender unproblematischer Zugang der Forscher zu den Diözesanarchiven wurde oftmals auf wissenschaftlichen Konferenzen von forschenden Laien und Doktoranden bemängelt – inwiefern mit oder ohne Grund, das erwies sich in fast jedem Einzelfall als sehr unterschiedlich, oft allerdings nicht unbegründet, wenn man vor allem Doktoranden beim Erzählen über abenteuerliche Archivgänge zuhört. Wiederholt wurde bereits das geforderte strikte Einhalten der Nutzungsregeln der kirchlichen Archive als „Überbürokratisierung”, „Behinderung der Forschung“ und „Schikanen zwecks Ausschluss” des einen oder anderen Archivnutzers gedeutet und auch medial ausgeschlachtet. Die römisch-katholische Bischofskonferenz drückt in ihrem Kommuniqué abschließend ihre Hoffnung aus, „dass die aufgeworfenen Probleme im Entwurf des neuen Gesetzes über die Archive Eingang finden, beziehungsweise mittels dieses Gesetzes ihre Klärung finden werden, im Interesse aller implizierten Seiten.“