Boovie 2021 – Buchtrailer-Wettbewerb im August

Modernes Konzept will Lesesozialisierung und Kreativität junger Menschen fördern

Ein Team des Johann-Ettinger-Lyzeums in Sathmar testet die Aufnahmetechnik. | Fotos: Iulia Sirbu-Hölzli

Ein Schüler in Sathmar wird für die Filmaufnahme geschminkt.

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Restriktionen hat viele Menschen wieder zum Lesen gebracht. Das Buch in digitaler oder gebundener Form hat dadurch eine kleine Renaissance erlebt. Konnte so eine der beliebtesten kulturkritischen Horrorgeschichten unserer Tage, dass wir uns in einer Krise des Lesens befinden, abgewendet werden? Gerade bei den jüngeren Menschen, die täglich von digitalen Angeboten überschwemmt werden, prophezeit man den Untergang des Lesens und des Buches. Wie kann man junge Menschen vom Lesen und der Beschäftigung mit Büchern in dieser Zeit überzeugen? Das Konzept „Boovie“ versucht mit einem modernen Ansatz Bücher, Kinder und Jugendliche in Rumänien zusammenzubringen.

Alte Kunst in neuem Gewand

Wer kennt es nicht? In der Schule muss man sich gerade im Deutsch- oder auch Rumänisch-Unterricht durch die oft unliebsamen Literaturlisten der Lehrer kämpfen. Sich mit Büchern beschäftigen, für die man kein Interesse hat. Oft sind auch Rezensionen und Inhaltsangaben anzufertigen, die dann trocken und langweilig präsentiert werden müssen. Die Literaturkritik ist eine Beschäftigung, sogar eine Kunst, zu der man berufen sein muss und die auf eine jahrhundertelange Geschichte zurückblickt. Mit dem Beginn der Ausstrahlung der Literatursendung „Literarisches Quartett“ im Jahre 1988, versuchte man der Beschäftigung mit Büchern ihr verstaubtes Image zu nehmen. Die Behandlung von Literatur im Fernsehen wurde so zu einem festen Standbein der intellektuellen Medien. Die besprochenen Bücher wurden  selbst zu Stars und fanden bei einer breiten deutschsprachigen Öffentlichkeit Resonanz. Literatur konnte nun auch im Fernsehen konsumiert werden. Wie schafft man es also, auch heute noch Schüler für Bücher zu begeistern, wenn es doch so viel digitale Konkurrenz gibt? Kinder und Jugendliche gehen heutzutage selbstverständlich mit den digitalen Medien um, nutzen sie täglich, oft stundenlang. Sie folgen Influencern auf den sozialen Plattformen und konsumieren Videos auf diversen Videoplattformen. Dieser digitale Fortschritt kann jedoch genauso mit dem etwas älteren Medium des Buches kombiniert werden und somit in einem modernen Gewand erscheinen.

Buchtrailer-Wettbewerb Boovie als moderner Ansatz 

Unter der Wortkreation „Boovie“, die sich aus den englischen Wörtern „book“ = Buch und „movie“ = Film zusammensetzt, rief die Rumänisch-Lehrerin Carmen Ion im Jahr 2015 zum ersten Mal einen landesweiten Buch-Trailer-Wettbewerb in Rumänien ins Leben: Die Schüler bilden Teams und lesen gemeinsam ein Buch ihrer Wahl. Zum ausgewählten Buch drehen die einzelnen Teams dann einen kurzen Film, einen Trailer, der maximal vier Minuten lang ist. Der Wettbewerb ist ein moderner Ansatz, der versucht, Schüler mit Büchern und moderner Filmtechnik zusammenzubringen. Die Teams haben bei der Konzeption des Kurzfilms alles in eigener Hand. Das bedeutet, dass sie sich selbst um das Drehbuch, den Drehort, die Charaktere sowie die Produktion des Kurzfilmes kümmern müssen. Den Teilnehmenden wird somit sehr viel Verantwortung gegeben, die wie-derum enorme Kreativität entfaltet. Betreuendes Lehrerpersonal steht den teilnehmenden Schulteams jedoch mit Rat zur Seite. 

Die große Herausforderung liegt in der Umsetzung des kurzen Trailers. Wie präsentiert man das gelesene Buch am eindrucksvollsten in knapp vier Minuten, um die Jury, aber auch alle weiteren Zuschauer zu überzeugen. Die ausgewählten Bücher können sowohl auf Englisch als auch in Rumänisch gelesen werden. Alle Bücher kommen aus dem Genre des Kinder- bzw. Jugendbuches. Ebenso ist die Sprache im Kurzfilm frei wählbar. Bei rumänischen Trailern ist es jedoch erforderlich, englische Untertitel einzufügen.  

Mehr als nur ein Wettbewerb

Dieses Jahr findet der Wettbewerb vom 27. bis 29. August in Focșani statt. Ob dieser dann als Präsenzveranstaltung oder im Onlineformat organisiert wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Am 31. März endete die Anmeldephase für den diesjährigen Wettbewerb. Bis zum 1. August müssen alle produzierten Trailer eingereicht werden. Allein letztes Jahr hatten sich etwa 2200 Teilnehmer für den Wettbewerb gemeldet. Aufgrund der Pandemie hatten ca. 700 aktiv teilgenommen, indem sie in den diversen Gruppen ihre kurzen Filme produzierten. Es waren insgesamt 217 Teams aus 35 rumänischen Kreisen und vier Regionen der Republik Moldau. Die Reichweite der Veranstaltung lässt sich auch an weiteren Zahlen messen. Insges-amt hat „Boovie“ letztes Jahr 70 Freiwillige, zehn Mitarbeiter sowie 25 Sponsoren und Partner zusammengebracht. Die diesjährige sechste Ausgabe wird vom Pädagogischen Nationalkolleg „Spiru Haret“ sowie der Organisation „Grow Up Project“ in Focșani und dem Schulinspektorat des Kreises Vrancea organisiert.

Die teilnehmenden Teams treten auch dieses Jahr in sechs Kategorien an, welche sich nach dem Alter und den Klassenstufen der Schüler richten. „Boovie Kids“ für die Klassenstufen 5 bis 6, „BOOVIE Junior“ für die Klassenstufen 7 bis 8. Die Kategorie „Boovie Liceu“ ist für die Klassenstufen 9 bis 12 angedacht. Die Kategorie „Boovie +“ ist nicht zwingend abhängig von einem Buch, in dieser Kategorie haben die Teilnehmer mehr Freiheiten. Die Kurzfilme können hier auch ein eigenes Drehbuch enthalten oder als Animation präsentiert werden.  „Boovie Expo“ richtet sich an rumänische Schüler, die nicht in Rumänien leben, sondern zum Beispiel in der Republik Moldau.  Mit der Kategorie „trailerul de buzunár“ können auch Teams außerhalb des Wettbewerbs teilnehmen, die nicht genügend Mitglieder hatten oder den Anmeldezeitraum nicht eingehalten haben. 

In jeder Kategorie gibt es drei Preise sowie sogenannte Erwähnungen (mențiuni), wenn mindestens 20 Prozent aller Teilnehmer einen Kurzfilm ebenso für eine Prämierung genannt haben. Als Prämien gibt es sowohl  Geld- als auch Sachpreise. Die besten Buchtrailer werden zudem in den Unterkategorien Interpretation, Drehbuch, Bild, Schnitt, Originalton sowie Regie während der Boovie-Gala bewertet. Es gibt darüber hinaus einen großen Preis, die sog. Boovie-Trophy. Die Jury schaut bei den Bewertungskriterien besonders auf die erzählerische Qualität des Drehbuchs sowie die Kraft des Bildes. Ebenso legt man besonderes Augenmerk auf die Szenografie, die Kostüme und das Make-up. Die Teams müssen also vor allem auch ihre filmkünstlerischen Qualitäten unter Beweis stellen. Neben den Preisverleihungen bietet die Veranstaltung den Teilnehmenden und betreuenden Lehrern u. a. Treffen mit Schriftstellern und Medienpersönlichkeiten, Workshops zu verschiedenen Themen sowie den Besuch von Theaterstücken. Boovie ist somit viel mehr als nur ein Buchtrailer-Wettbewerb. Es ist ein überregionales Vernetzungstreffen mit Festivalcharakter für kreative Schüler.

DaM-Schule ebenso im Teilnehmerfeld

Der Anziehungskraft des kreativen Wettbewerbs konnten sich auch Schüler des Deutschen Theoretischen Lyzeums „Johann Ettinger“ in Sathmar/Satu Mare nicht entziehen. Schon vor zwei Jahren ist die DaM-Schule mit zwei Teams angetreten, letztes Jahr sogar mit drei. „Von Boovie habe ich zum ersten Mal von einer Freundin aus Focșani gehört, sie ist auch Lehrerin. Und dann hörte ich immer wieder davon, in den Medien, in den sozialen Medien, einfach überall. Und ich dachte, es wäre auch für unsere Schüler eine tolle Sache“, erklärt die betreuende Lehrerin Iulia Sirbu-Hölzli. Die Sathmarer Teams der Klassenstufe 5 haben in den letzten beiden Jahren sogar den ersten Preis in ihrer Kategorie gewonnen. 

Dieses Jahr sind es wieder zwei Teams der Klassenstufen 5 und 9, die ihr Glück versuchen. Die Gruppe der Fünftklässler präsentiert dieses Jahr das Buch „Absolutely Almost“ von Lisa Graff. Das Team der Klassenstufe 9 beschäftigt sich mit dem Buch „All the light we cannot see“/“Alles Licht, das wir nicht sehen“ von Anthony Doerr, welches im Jahre 2015 mit dem Pulitzer-Preis in der Kategorie Belletristik ausgezeichnet wurde. Mehr Informationen zum interessanten Wettbewerb „Boovie“ findet man online unter: www.boovie.ro sowie auf dem YouTube-, Facebook- und Instagram-Kanal des Projektes.