Bukarest und die Jagd nach deutschen Büchern

Bücherfans lieben alte Bücher – wo sollte man besser welche finden, als im alten Bukarest? Doch der Schein trügt

Auf dem Flohmarkt Valea Cascadelor gibt es zahlreiche Kuriositäten, auf Rumänisch und Deutsch. Fotos: der Verfasser

Das „Lebbuchenhaus“ war einmal eine Heimat für deutsche Bücher. Mittlerweile erscheint das Haus traurig und verlassen.

Bukarest ist das Zentrum Rumäniens: Kultur, Kunst und viele Menschen sammeln sich in der Hauptstadt. Kein Wunder also, dass Bukarest auch die Hauptstadt der rumänischen Literatur und der rumänischen Bücher ist. Doch befinden sich unter all den Bücherstapeln auch deutsche Bücher? Eine Spurensuche.

Möchte man im Zentrum Bukarests – zwischen all den Blocks und wunderschönen alten Häusern – ein Buch finden, muss man nur die Augen öffnen und durch ein paar Straßen laufen. Länger als ein paar Hundert Meter geht man nie, bis man unweigerlich vor der nächsten Buchhandlung steht. In den Auslagen warten dann aber meist dieselben Bücher: Bücher über Hitler, die neuesten Bestseller aus den USA und die Autobiographie von Prinz Harry oder einer anderen bekannten Persönlichkeit. Das Verlagswesen ist schließlich auch ein Geschäft, dabei unterscheiden sich rumänische Buchhandlungen nicht allzu sehr von denen in Deutschland oder anderen Ländern. 

Trotzdem sind die Namen der Läden für einen deutschen Besucher spannend: Zum einen, weil man die Sprache nicht spricht, zum anderen, wenn man es gewohnt ist, immer nur zu Thalia, Rupprecht, Hugendubel oder irgendeiner anderen deutschen Kette zu gehen. 

Die versteckten Bücher in den Filialen der großen Ketten

Steht man im Stadtzentrum vor der recht neuen Buchhandlung „C˛rture{ti Carusel“, so wird man geradezu entzückt sein über eine solche imposante Buchhandlung. Tausende Bücher auf drei Etagen, mächtig wie das Regierungsgebäude der Stadt. Ein Gebäude, das den Wert der Bücher widerspiegelt, welche so viel mehr sind als nur Wörter auf Papier! Zu schade nur, dass der Laden eine Filiale einer Kette ist – netter fände man eine kleine unabhängige Buchhandlung.

Andererseits ist die Auswahl ebenfalls beeindruckend – sofern man des Rumänischen mächtig ist. Doch für ausschließlich Deutschsprachige gibt es ein Problem: Wo finde ich deutsche Bücher? In der Abteilung für Bücher aus aller Welt des Bücher-Karussels findet sich ein bisschen deutsche Literatur, allerdings nur ein paar offenbar eher zufällig ausgewählte Kinder- und Jugendbücher. 

So ähnlich sieht es auch in der Buchhandlung „Prior. Media Group“, dem „Edcuational Center – international bookshop“, der massenhaft in Bukarest vertretenen Kette „CLB Librarie“, einen Laden im Gebäude des deutschen Goethe-Instituts, sowie in hier nicht weiter aufgelisteten zahlreichen weiteren Läden aus: Man wird vor allem fündig, wenn man Deutsch lernen möchte, weniger, wenn man Deutsch lesen möchte. 

Zahlreiche Lehrbücher, sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene liegen zwischen den unterschiedlichsten Kinderbüchern voller bunter Bilder und neben dem imposanten Brockhaus. Zwar ist das verständlich, nachdem das Publikum dieser Läden eben vor allem aus Rumänen besteht – aber wohin, wenn man was anderes will?

Die Suche nach einer deutschen Buchhandlung

Nach einer langen Internetsuche sowohl auf Deutsch wie auf Rumänisch findet man drei Läden: das „Centrul de carte German˛“, das „Lebbuchenhaus“ (kein Tippfehler!) und die englische Buchhandlung „Anthony Frost“, welche auch deutsche Literatur vertreiben soll. Zwar steht bei Google, dass alle vorübergehend geschlossen seien, aber das muss ja nicht stimmen.

Geht man zum Centrul de carte German˛, landet man vor einem Wohnhaus, zwischen einem Bürogebäude und einer Tankstelle. Zwar ist das Gebäude dasselbe, das auch das Foto auf Google anzeigt, aber es birgt keinerlei Anzeichen einer Buchhandlung. Macht nichts, das „Lebbuchenhaus“ ist ja direkt um die Ecke. Vor einem Jahr hat der Laden auch noch auf Facebook gepostet: Ein Café mit Buchhandlung offenbar. Während man noch von einem heißen Kaffee mit Herzchen im Schaum träumt, wird man enttäuscht: Vom Lebbuchenhaus ist außer der Schrift über der Eingangstür nichts mehr übrig. Nicht einmal ein Zettel hängt an der Tür vor dem schief zugezogenen Rollo.

Aber Aufgeben geht nicht. Eine Hoffnung gibt es noch auf der Jagd nach deutscher Literatur: Anthony Frost. Man findet online eine Adresse, welche aber nicht mehr aktuell ist: Dort steht man vor einer Filiale der Kette Humanitas. Die von Google angegebene neue Adresse beherbergt dagegen eine Cărturești-Filiale, an deren Tür noch „Anthony Frost“ steht. Wurde der Laden aufgekauft? 

Ein Besuch zeigt, dass das Anthony Frost-Schild, das auf dem Google-Foto noch zu sehen war, mittlerweile abgemacht wurde. Englische Bücher gibt es in dem jetzigen Laden immer noch, deutsche nicht. Es gibt demnach keine deutsche Buchhandlung mehr in Bukarest – abgesehen von den Läden, die Kinder-, Jugend-, und Lehrbücher verkaufen. 

Online-Handel und „Anticariat“

Es bleiben aber noch andere, weniger elegante Wege, um Bücher zu bekommen. Darunter die rumänischen Onlinehändler, wie etwa Books Express (books-express.ro) und Libristo (libristo.ro) mit Sitz in Bukarest, welche auf Bestellung deutsche Bücher in den Briefkasten werfen. 

Liest man außerdem vor einem Laden den Schriftzug „Anticariat“, hat man ebenfalls gute Chancen: Zwischen zahlreichen rumänischen Klassikern, Kunst- und Geschichtsbänden findet man regelmäßig auch eine Ecke mit deutschen Büchern, bunt gemischt: Märchenbücher, vielleicht ein Roman von Hermann Hesse, oder ein alter Groschenroman, der irgendwie seinen Weg von einer deutschen Druckerei bis nach Bukarest gefunden hat. 

Für die Detektive unter uns ist es durchaus empfehlenswert, die ersten Seiten aufzuschlagen: Liebeserklärungen, Grüße von alten Freunden aus alten Zeiten oder der Stempel einer Bibliothek in Deutschland findet man hier häufig (wenn auch nicht immer entzifferbar). 

Dasselbe gilt für Flohmärkte, wie dem „Bazarul cu Amintiri, Târgul Valea Cascadelor“ im Westen der Stadt. Donnerstags, Samstags und Sonntags öffnet dieser seine Pforten. Schaut man nun auf die zahlreichen Tische und Stände, wird einem als Deutscher schnell auffallen: deutsche Hochzeitsteller mit deutscher Inschrift, ein Einkaufstaler von Intersport oder ein paar klassische deutsche Biergläser. Während man darüber laut nachdenkt, wird man meistens schon auf Deutsch angesprochen: Schließlich ist man nie der einzige Deutsche in Bukarest.

Doch unter all den Lampen, Tellern und Kisten findet man, wonach man gesucht hat: deutschsprachige Bücher. Dabei wird man überrascht sein, was einem zwischen die Finger gerät: „Heimatblätter“, DDR-Schulbücher oder – was auch sonst – Märchen- und Kinderbücher. Anschließend wartet der Grill, wo man bei leckerem Essen hinterfragen kann, ob man die „Heimatblätter“ – wo es um Aktien und die deutsche Stadt Gotha geht – tatsächlich jemals lesen wird, oder ob das Buch im Regal auch gut aussieht.

Wo man doch noch fündig wird

Doch kaufen ist auch nicht immer alles: Schließlich verspürt nicht jeder den Drang, gelesene Romane in großen Bücherregalen zu sammeln. Stattdessen gibt es eine recht umfangreiche deutschsprachige Bibliothek im Goethe Institut. Um die zahlreichen Bücher lesen zu können, bedarf es allein einer Bibliothekskarte.

 Und dann gibt es eine weitere deutschsprachige Bibliothek in Bukarest, nämlich im altehrwürdigen Schillerhaus in der Innenstadt –  wobei ein Besuch zeigt: Es gibt dort nur Kinder- und Jugendliteratur... 

In Bukarest, so könnte man fast meinen, ist Deutsch eine Kindersprache, aus der man irgendwann herauswächst. Ob man will, oder nicht.