Cîţu und Draghi oder Wahlkampfblindheit

Unter den schockierendsten Blödsinnen, die in jüngster Zeit und im Blindeifer des innerparteilichen Wahlkampfes von PNL-Politikern unter dem Siegel unanzuzweifelnder Wahrheit lanciert wurden, ragt jene des Europaparlamentariers Rare{ Bogdan heraus. Dieser, als ob er wieder im obskuren Fernsehstudio nationalistisch und besserwisserisch herumducksen müsste, aus dem ihn die PNL herausfischte und als zukunftsträchtige Verkörperung des rumänischen Liberalismus präsentierte, machte sowohl vor Radio France International als auch bei einer Wahlkampfveranstaltung in Suceava einen falschen, dummen, grundlagenbaren wie eindeutig Manipulationsabsichten verfolgenden Vergleich zwischen Italiens Premier Mario Draghi und Rumäniens Premier und Möchtegern-PNL-Chef Florin Cîţu. 

Cîţu sei für Rumänien, Europa und die ganze Welt der „Mann der Vorsehung“ (!!! – das waren Hitler, Mussolini, Stalin, Antonescu, Ceau{escu und Idi Amin doch auch – zumindest für diejenigen, die noch Erinnerungen haben), zudem erinnere Cîţu ihn, den Amateur-Politphilosophen Bogdan, „an den Menschen, der Europa gerettet hat!“ 
Der EU-Parlamentarier spielte auf Mario Draghi an, der als Präsident der Europäischen Zentralbank 2011 den Euro gegen heftige Spekulationsattacken mit dem berühmt gewordenen Ausspruch „whatever it takes“ rettete, was Grünlicht für die Führer Europas bedeutete, alles Nötige zu unternehmen zur Rettung des Euro vor den Spekulanten.
Draghi war der erste Italiener, der am berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge seinen Doktor machte. Cîţu, der im Lyzeum eine Klasse wiederholen musste (weshalb ihn Nichtfreunde den „Sitzenbleiber“ nennen) ist ein Rumäne, der beim Doktorversuch in den USA gescheitert ist (die weit weniger prominente Iowa University wies seine Arbeit zurück). Draghi war Gouverneur der Zentralbank Italiens, Geschäftsführer der Weltbank, Präsident der EZB, er arbeitete den Plan zur Privatisierung italienischer Staatsfirmen aus, war Präsident des Financial Stability Board der G20 – und der ewig frustrierte Cîţu? Finanzsprecher der PNL. Ihn mit Draghi zu vergleichen ist gröbste Persönlichkeitsfälschung (und bewusstes Hochjubeln des Falschen), aber auch eine Unverschämtheit, die nur dem einfallen kann, der selber keine Ahnung von irgendetwas hat. 

Zurück auf eine einfachere Ebene: Die Regierung Italiens unter Draghi ist im Februar eingesetzt worden und hat den Resilienzplan für Italien bereits im Juni von Brüssel genehmigt bekommen – und darf schon in diesem Jahr 13 Prozent der Gesamtsumme abrufen. Cîţus Regierung musste ihren Planvorschlag erst einmal überarbeiten (= „nachsitzen“), um ihn zuletzt erst im Herbst einreichen zu dürfen. Rumänien sieht also 2021 nix aus dem EU-Riesenfinanztopf! Dank der Regierung, die vom „Menschen der Vorsehung“ geleitet wird…

Dieser „Mensch der Vorsehung“ will im Herbst Chef der PNL werden – und natürlich Brüssel einen Resilienzplan vorlegen, der die Gutachter baff macht… Nur: Der Plan allein reicht nicht. Brüssel fordert parallel Reformen (vor allem: der Justiz!). Auf diesem Gebiet ist die Regierungskoalition längst gescheitert. Denn Reformen würden der neuen Nomenklatura (Parlamentarier, Mitarbeiter der Geheimdienste, „Machtministerien“ – u.a. das Innenministerium, Präsidenten der mächtigen Agenturen, der – überbezahlte und in weiten Teilen korrupte oder parteienhörige – Justizapparat usw.) das Wasser abgraben. So lange die an den Hebeln sitzen, werden sie keine Reformen zulassen.
Wird also Rumänien mit solchen Politikern und einer solchen Führungsklasse die (anfangs von Präsident Johannis hochgejubelten 80 Milliarden, zuletzt die möglichen rund) 30 Milliarden Euro niemals sehen? Sicher scheint: Ohne Reformen nicht. Wird die neue Nomenklatura Reformen zulassen? Kaum. Bleibt noch die berühmte Lenin-Frage: Schto djelath?