Corona zum Trotz

Universität Politehnica Bukarest ermöglicht Studierenden risikofreie IT-Sicherheitsstudien im Ausland

Die DECAMP-IT-Partner aus sechs EU-Ländern, darunter 2. Reihe 3. v.l. Prof. Florica Moldoveanu (Rumänien) und 4.v.l. Prof. Alexandru Soceanu (Deutschland)

Mihai-Alexandru Bogatu, Student von DECAMP und der UPB, Fakultät für Automatik und Computerwissenschaft

Durch Angebote von Auslandsstudien wollen europäische Hochschulen die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Absolventen stärken. Hat die Corona-Krise das alles zunichte gemacht? Nicht unbedingt! Wie das funktionieren kann, beweist die Fakultät für Automatik und Computerwissenschaft (AC) der Universität Politehnica Bukarest (UPB) mit fünf weiteren EU-Hochschulpartnern.

Mitten in der Corona-Krise, im Frühjahr 2020, studierte der an der UPB eingeschriebene Mihai-Alexandru Bogatu System Engineering an der Fakultät AC. Parallel dazu noch in zwei weiteren EU-Ländern. Gleichzeitig! „Ich habe dieses Semester zwei DECAMP-Bachelor-Kurse gewählt, einen in Spanien „Cloud Sicherheit“ und einen in Finnland „Web Anwendungssicherheit: Angriffe und Verteidigung“.

Wie geht das und was hat sich für ihn nach dem Corona-Lockdown beim Auslandsstudium verändert? Nichts! Denn die Kurse sind auf www.mydecamp.eu online. „Das ist ein großer Vorteil“, erklärte Bogatu, „weil es keinerlei Kursänderungen gab, keine Reprogrammierung der Kurse und auch keine Übergangsphase. Die gesamte theoretische Grundlage war bereits organisiert und auf der Lernplattform Moodle veröffentlicht.“ Ein Poster in der UPB hatte Bogatu auf DECAMP aufmerksam gemacht. An Cyber-Sicherheit höchst interessiert, entschied er kurzerhand: „Sowas muss ich mal ausprobieren!“

Das rentierte sich gleich mehrfach: Nach erfolgreichem Abschluss erhielt er pro Kurs 6 ECTS Credits (Europäisches System zur Übertragung und Akkumulation von Studienleistungen). Ein weiterer Bonus: Diese DECAMP-Kurse bei ausgewiesenen europäischen IT-Sicherheitsexperten kosten keinen Cent. Selbst die sechs beteiligten EU-Partner-Hochschulen sparen damit richtig Geld. Kostenfrei nutzen sie untereinander Dozenten, Know-how und virtuelle Labore.

DECAMP bündelt EU-weite IT-Kompetenzen

Was genau ist DECAMP? Und was ist daran so ungewöhnlich?

„Unsere Vision war, wegen der weltweit dramatischen Nachfrage nach ausgebildeten IT-Sicherheitsprofis mit DECAMP einen Beitrag zu leisten“, so Professor Alexandru Soceanu. Er ist einer der drei DECAMP-Initiatoren und nun DECAMP-Koordinatoren an der Hochschule München (HM), Fakultät für Informatik und Mathematik. DECAMP vernetzt sechs renommierte EU-IT-Fakultäten in Deutschland, England, Finnland, Italien, Rumänien und Spanien.

Der Startschuss war 2014. Gemeinsam über EU-Grenzen hinweg entwickelten die DECAMP-Partner Europas erstes ERASMUS+ ICT-online Kursangebot. Dabei geht es ausschließlich um IT-Sicherheit. 2017 ging der EU-weit einzigartige digitale Campus online: www.myDECAMP.eu. Die Studierenden-Anzahl steigt kontinuierlich.

Die Bandbreite der Kurse erstreckt sich von Netzwerk-Sicherheit über Computer- Forensik und Verbrechensaufklärung bis zu der weltweit intensiv diskutierten E-Health-Sicherheit, also Telemedizin. Allerdings reicht in diesen IT-Gebieten die Theorievermittlung alleine nicht. Labore sind dabei unerlässlich. Im Fall von DECAMP virtuelle.

Für viele noch in weiter Ferne: virtuelle Labore

Aufgrund ihrer komplexen Technik lassen sich jedoch virtuelle Labore nicht von heute auf morgen aus dem Boden stampfen. Wer sich mit EU-Hochschulvertretern unterhält, bekommt einen Eindruck davon, wie sie bei der plötzlich wegen der Corona-Krise erforderlich gewordenen digitalen Lehre an ihre Grenzen stoßen. Vor allem die naturwissenschaftlichen Fakultäten. Jetzt machen sich bereits eta-blierte Strukturen bezahlt. „Wir hatten mit unseren Partnern alles bereits vorbereitet“, sagte Soceanu, „sogar virtuelle Labore!“

Bei dieser Lernplattform können alle Studierenden aus den sechs EU-Partner-Fakultäten auf virtuelle Netzwerk-Labore zugreifen. Diese ermöglichen ihnen 24/7 ihre Experimente dort laufen zu lassen sowie ihre gemeinsamen Projektarbeiten praktisch durchzuführen oder wie es im ITler-Jargon heißt: „Hands-on“. Dabei lernen sie sogar Netzwerke zu hacken, um später Unternehmen mit ihrem praktischen Wissen effizient gegen Angriffe schützen zu können. Etwas, was sie – Achtung – in den lokalen Netzwerken ihrer Heimathochschulen nicht dürfen, eben wegen der Netzwerksicherheit. Bogatu dazu: „Ich habe Programme kennengelernt, die beim Testen von Sicherheit helfen können. Nicht nur das: Ich habe Techniken zum Erstellen, Verteidigen und Angreifen einer Anwendung oder Infrastruktur gelernt. Für mich waren die virtuellen Labore beim Lernen äußerst hilfreich.“

Genau diese Struktur und Organisation der DECAMP-Plattform stießen bei der Vorstellung auf internationalen Konferenzen, wie z. B. in Orlando, USA, Hongkong und Bukarest auf großes Interesse.

Sechs unterschiedlich organisierte EU-IT-Fakultäten: ein DECAMP

„Insbesondere beim digitalen Aufbau von Auslandsstudien gibt es enorm viele Hürden zu überwinden. Und wie immer steckt der Teufel im Detail“, sagt Soceanu.

 „Im Fall von DECAMP angefangen bei der gemeinsamen Technik über sichere Zugriffe von Studierenden auf verschiedene Moodle-Plattformen bis hin zur Durchführung der Prüfungen.“ Bei den rund zweieinhalb Jahren Vorarbeiten mit den sechs EU-Fakultäten gab es viele harte Nüsse zu knacken. Darunter die gegenseitige Leistungsanerkennung, die unterschiedlichen Semesteranfänge, die Prüfungszeiten.

Beispiel Rumänien: Universität Politehnica Bukarest

Während in München das Semester Mitte März beginnt, startet es z. B. in Helsinki im Januar und in Bukarest im Februar. Anfänglich hatte Rumänien seine Hochschulen noch für Präsenzunterricht geöffnet. Als der Lockdown kam, musste über Nacht auf digitale Formate umgestellt werden. Jedoch gab es diese flächendeckend noch nicht. „Ich bin mit allen Aktivitäten am 16. März online gegangen. Der Übergang war schwierig, weil er nicht vorbereitet war.“, so UPB-Professorin Florica Moldoveanu, Fakultät AC.  „Wir mussten im Handumdrehen neue Methoden zum Durchführen von Lehr- und Praxisveranstaltungen finden und anwenden.“ Dabei war das bei den DECAMP-Vorbereitungen erworbene Know-how außerordentlich nützlich.

Auf die Frage, wie es zu der Verbindung zwischen der HM und der UPB kam, antwortete Moldoveanu: „Wir verdanken sie Professor Soceanu. Sie besteht schon seit über 20 Jahren im Rahmen von Forschungsprojekten und ERASMUS-Intensivkursen.“ Aus ihrer Sicht hatte die gemeinsame DECAMP-Entwicklung viele Vorteile für die UPB: „Weil es für uns eine neue Erfahrung war, Ideen und Kenntnisse mit Professoren von renommierten EU-Universitäten auszutauschen.“ Schon bei Projektbeginn waren an großen Universitäten in Europa Trends erkennbar, Online-Bildung zu entwickeln und bereitzustellen.UPB bietet DECAMP-Studenten den Master-Kurs „Sicherheit von E-Health Systemen“ an. Hier existiert eine jahrelange Expertise. Moldoveanu ist seit 2006 die Gründungs-Präsidentin der rumänischen Organisation Health Level 7 (HL7). Das Hauptziel: Internationale Standards für den Datenaustausch zwischen Gesundheitsorganisationen und ihren Computersystemen zu entwickeln. Dabei hat Sicherheit eine Top-Priorität.