Covid-19 – eine Insider-Story

Persönliche Erfahrungen nach der Erkrankung / Zwischen physischen und psychischen Leiden

Symbolbild: pixabay.com

„Die Anzahl der Infektionen steigt“, „Über 1000 Tote in Süditalien“, „Coronavirus-Ticker: 300.000 Corona-Tote in Europa“, „Griechenland bereitet sich auf das Schlimmste vor“, „16-jährige Schülerin ist Europas jüngste Tote“... solche Nachrichten überfluten seit Monaten die Medien und dringen heimtückisch und hinterhältig in unser Unterbewusstsein ein. 
Mit dem Sicherheitsgefühl der Baumwollmaske bekämpfen viele die Angst vor dem Unbekannten, wobei die wenigsten sich eigentlich den Tatsachen bewusst sind. Erst die eigene Erfahrung erlaubt einem ein tieferes Wissen und Verständnis zur Infizierung, zum Ablauf der Krankheit und deren Nachwirkungen zu erlangen.

Die Vorgeschichte 

Nach monatelangem Online-Unterricht unserer beiden Kinder (3. und 6. Klasse) sowie dem Lockdown im Frühjahr konnten wir die Sommerferien kaum erwarten. Der Pandemie trotzend haben wir unsere Online-Berufe des Öfteren aus irgendeiner gemütlichen Berghütte ausgeübt, sind manchen Abend auch auf ein Glas Wein ausgegangen, während die Kinder im Feriencamp waren, wir versuchten also unser Leben – trotz Maske und Desinfektionsmittel – quasi normal weiter zu führen. Unser Hausarzt, ein weiser, 71-jähriger Herr, hatte es im Frühjahr bereits auf den Punkt gebracht: „Worauf möchten Sie verzichten“, fragte er, „auf Sicherheit oder auf Lebensqualität?“. Wir wollten natürlich das Beste von beiden. 

Ohne aber selbst zu bemerken, hatten es die Medienberichte sowie das allgegenwärtige und  fast einzige „Corona“-Gesprächsthema geschafft, sogar uns, rational und klar denkende Menschen, eine bestimmte Angst im Herzen aufsteigen zu lassen – obwohl noch nicht ganz klar war, an welchen Folgen Personen mittleren Alters im Falle einer Covid-19-Erkrankung leiden würden.

Den anstehenden Schulbeginn feierten wir dann mit engen Freunden an der Schwarzmeerküste – es hatte sich ja erwiesen, dass sie verantwortungsvoll waren und bisher sämtliche vorgeschriebene Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 eingehalten hatten, also kein Grund zur Sorge.

Ein Hauch von Müdigkeit

Der nächste Dienstag war ein wunderschöner Septembertag, perfekt für die geplante Gartenarbeit. Gegen Mittag musste ich mich aber ermüdet auf der Wohnzimmercouch erholen. Meine Glieder fühlten sich ein bisschen träge an – was eigentlich nach längerem Schuften öfters schon vorgekommen war. Meine Frau war aber besorgt: den Medien zufolge könnte Müdigkeit auf eine Corona-Infektion hindeuten. Als Mutter hatte sie gelernt, auf die kleinsten Details zu achten. Ich konnte aber keine anderen Symptome aufweisen und bei einer Fiebermessung von 37,3 Grad lag ich auch unter der angegebenen Covid-Grenze. 

Am nächsten Morgen war alles wieder in Ordnung und wir konnten wieder einmal das Entkommen aus der Covid-Kralle feiern, die Gartenarbeit beenden und uns auf den Schulbeginn vorbereiten. Meine Frau hatte wieder einmal überreagiert, dachte ich zu mir selbst.

Blitzartige Erkrankung

Vier Tage danach, am Samstag, wachte meine Frau mit sonderlichen Symptomen auf: allgemeine Schwäche, fast 38 Fieber. Gegen Mittag konnte sie kaum aus dem Bett steigen, das Thermometer stieg auf 38,6 Grad und ein heiseres Husten hatte sie auch. Beim Mittagessen musste ich ihr sogar die Brotscheibe schneiden, da sie dafür keine Kraft hatte. Alles deutete auf Covid-19 hin. 

Wir wussten bereits was zu tun war, zu oft wurde es in den Medien wiederholt: Selbstisolation, Erstellung einer Kontaktliste der letzten beiden Wochen und Kontaktaufnahme mit der Gesundheitsbehörde. 

Gleichzeitig mussten wir aber an unsere beiden Kleinen denken: Hatten wir deren Symptome übersehen? Was würde mit ihnen passieren, nachdem ich, in einigen Tagen, auch funktionsunfähig sein würde? Denn wenn meine Frau infiziert war, dann war ich es sicherlich auch. Panik ergriff uns beide. 

Fünf Stunden nach unserem Anruf erschien dann auch die Ambulanz. „Sie haben ein kleines Covid erwischt“, war die Schlussfolgerung der Ersthelfer nach Analyse unserer Symptome und Überprüfung unserer Sauerstoffsättigung. Einen Covid-Test hatten sie nicht dabei, den mussten sie bei einem zweiten Besuch mitbringen, aber wahrscheinlich nur, weil wir es ausdrücklich im Besuchsprotokoll gefordert hatten. Man riet uns, ruhig zu Hause zu bleiben oder ins Krankenhaus zu fahren. Leider wurden wir aber informiert, dass es in Bukarest keine freien Betten mehr gäbe, wir würden höchstwahrscheinlich in eine andere (zur Zeit unbekannte) Ortschaft überführt werden. Alleine zu Hause, ohne ärztliche Betreuung schien damals keine gute Idee zu sein, aber trotzdem sicherer als in irgendeinem Krankenhaus zu landen. Wir konnten nur hoffen, dass bei einer Verschlechterung der Lage die Ambulanz nicht wieder nur fünf Stunden später auftauchen würde. 

Persönliche Kontakte und Familie

Zwei qualvolle Tage folgen, bis uns die Resultate mitgeteilt wurden. Das Unwissen und die Angst vor diesem unsichtbaren, unbekannten winzigen Monster sowie die ständigen Corona-Todeszahlen in den Medien war dabei nicht behilflich. 

Unsere Kontaktliste war kurz und lag bereits in verfeinerter Form vor, aber: Wie sollten wir vorgehen? Was sollten wir sagen? Nach allen Aufforderungen zur sozialen Distanz  konnten wir ja als verantwortungslos oder unvorsichtig gesehen werden, andererseits fühlten wir uns ein bisschen beschämt, als ob wir etwas Unerlaubtes getan hatten und als „Strafe“ jetzt infiziert waren. 

Und natürlich haben sich einige Eltern der Freunde unserer Kinder gefunden, die uns vorwurfsvoll genau so beschrieben haben. Zum Glück gab es auch viel mehr andere, die verständnisvoll, sogar aufmunternd reagiert haben. 

Auch unseren Eltern und älteren engen Freunden mussten wir unsere Erkrankung kundtun – sie sahen uns bereits auf der Intensivstation. Als Rentner hatte sie die Ausgangssperre viel stärker getroffen und praktisch den Medien im eigenen Haus ausgeliefert. Es benötigte zahlreiche Gespräche, um sie zu beruhigen. Das gab uns aber einen guten Grund, wissenschaftliche und statistische Zahlen zu studieren und faktenbezogen die Angst zu verjagen – sowohl deren, als auch unsere. 

Unsere Kinder...

...die natürlich auch die Medienberichte verfolgt hatten, weigerten sich jetzt, mit uns im selben Zimmer zu sein, wir durften nicht mehr gemeinsam essen, Umarmungen gab es auch keine mehr – fast eine Woche lang. Wir waren die Kranken und sie mussten Abstand halten. Ein herzzerreißendes Gefühl für alle.  Glücklicherweise schienen sie überhaupt keine Symptome zu haben. Ausschließlich der Kleine hatte 4 - 5 Tage Durchfall, was aber für ihn nichts Ungewöhnliches war.

Bemerkenswert war aber, dass sich beide sehr wohl zurecht finden konnten: sie haben alleine gekocht, sogar für uns, aufgeräumt und gemeinsam gespielt, ohne dazu von uns aufgefordert zu werden und sie konnten auch alleine ins Bett. Der Hof zeigte erst jetzt sein wahres Potential – was hätten wir wohl in unserer alten Dreizimmer-Wohnung getan? Andererseits konnten und wollten wir zur längeren Bildschirmnutzung nichts sagen – Hauptsache, die Zeit konnte für sie schneller vergehen.

Unterschiedliche neue Symptome 

Mittlerweile litt  ich an immer stärkeren Brustschmerzen, zentral über dem Brustbein, ebenso an Atemstörungen, Muskel- und Gelenkschmerzen. Auf einem von einem gutmütigen Freund ausgeliehenen Pulsoximeter konnte ich sehen, wie meine Sauerstoffsättigung in Richtung 90 Prozent fiel – ein Alarmzeichen, bei dem man im Krankenhaus unter näherer Beobachtung stehen sollte. 

Während dieser ganzen Zeitspanne hatte ich nicht aufgehört, zu rauchen – ich wollte es nicht und wusste auch aus Erfahrung, dass ich in einem solchen Fall zu Nervosität neigen würde.

Andererseits  litt ich fast ständig an Schüttelfrost, ohne jedoch Fieber zu haben – nur wollte ich darüber niemandem erzählen und zusätzlich verängstigen (wenigstens nicht, bis meine Frau sich wieder etwas besser fühlen würde).

Geruchs- und Geschmackssinn haben wir nicht verloren – fast alle Gerichte schmeckten aber eine Woche lang nach ranzigem Öl. Hunger und Durst hatten wir aber ständig. 

Zu alldem kamen noch die psychischen Leiden hinzu: Wie würde sich unser Gesundheitszustand am sechsten bis siebten Tag entwickeln, wenn, den Medien zufolge, eine dramatische Verschlechterung eintreten könnte? Was bedeutet eigentlich „dramatisch“? Würde die Ambulanz noch rechtzeitig kommen? Was würden wir mit den Kindern tun, denn zu Bekannten oder Großeltern konnten sie ja nicht?

Nach sechs Tagen fast regungslos im Bett liegend wachte meine Frau munter und energiegeladen auf. Trotz ihres schwächeren Immunsystems (oder vielleicht genau deswegen), hatte sie schwerer, aber kürzer gelitten als ich: Meine Schmerzen und der niedrige Sauerstoffpegel plagten mich ungefähr 17 Tage.

Selbsthilfe

Da uns während der Quarantäne der Ambulanzdienst nicht behilflich sein konnte, begannen wir, befreundete Ärzte und von Covid genesene Bekannte um Rat zu fragen, sowie eine Vielzahl mehr oder weniger wissenschaftlicher Berichte zu Selbsthilfemaßnahmen zu googeln. Wir entschieden uns für diejenigen, die logisch klangen: ein kleiner Vitaminzusatz zur Stärkung, einige Minuten Bewegung jede Stunde, um Blutgerinnsel zu vermeiden, Atemübungen mit frischer Luft, viel Flüssigkeit.

Meine Schwiegermutter und einige Freunde boten sich an, unsere Einkäufe zu machen und für uns zu kochen. Die Übergabe fand wie in Spionagefilmen statt: die Tüten wurden am Tor abgesetzt und wir durften erst näherkommen, wenn die andere Person fünf, sechs Schritte weg war; dabei schauten wir uns ständig gegenseitig in die Augen: ich, da ich seit Tagen kein fremdes Gesicht mehr gesehen hatte, die anderen, um mich irgendwie zu „durchlesen“, um zu verstehen, ob und in wieweit mich die Erkrankung verändert hatte.

Während der letzten Tage konnten wir es kaum noch aushalten: Wir saßen am Zaun und schauten auf die Straße, um einfach die Aussicht zu ändern, wir bestellten Essen nach Hause (was in unserer eher abgelegenen Gegend nicht so gängig war), organisierten Film-abende mit Popcorn für die Kinder  und versuchten auch in den abgelegensten Ecken des Hauses Ordnung zu schaffen – nur um eine Beschäftigung zu haben und nicht an die Quarantäne zu denken.

Die Arbeitsweise des Gesundheitswesens

Während der ganzen Quarantäne hat uns der Hausarzt beruhigenderweise mit fast täglichen Telefonaten beigestanden – am Anfang für gewisse Hilfemaßnahmen, später eher nur, um unsere Entwicklung zu verfolgen. 

Die Gesundheitsbehörde nahm erst am zehnten Tag Kontakt mit uns auf, und auch dann nur, um uns mitzuteilen, dass wir gemäß deren IT-System noch nicht in Quarantäne wären, da wir es versäumt hatten, diesbezüglich einen Antrag zu stellen. Dieser Antrag war aber für die Freistellung durch den Arbeitgeber gedacht – was für uns, Freiberufler, kein Thema war.

Das Labor, welches unsere Tests auf Antrag des Ambulanzdienstes bearbeitet hatte, wollte uns ursprünglich die Resultate ausschließlich in Person aushändigen, da wir die Einwilligung zur Bearbeitung personenbezogener Daten nicht unterschrieben hatten – was wir natürlich aus der Quarantäne heraus auch nicht tun konnten. Nach mehreren Telefonaten wurde die Lösung einer eigenverantwortlichen Erklärung gefunden und meine Schwiegermutter konnte die Resultate gegen Vorlage unserer Personalausweise abholen.

Nachwirkungen und Schlussfolgerungen

Über drei Monate sind jetzt seit unserer Erkrankung vergangen und wir wissen immer noch nicht genau, wo und wann wir uns infiziert haben. Einige Bekannte meiden weiterhin unsere Präsenz – angeblich weil wir noch ansteckend sein könnten, da wir uns am Ende der Quarantäne nicht erneut testen lassen haben. Es wurde uns aber damals nur als Option angeboten, die Gesundheitsbehörde betrachtete uns als nicht ansteckend. Symptome haben wir seit-her keine mehr, nur eine gewisse, früher als sonst eintretende Müdigkeit sowie Gelenkschmerzen, vielleicht wie Rheuma. Die Medienberichte betrachten wir viel objektiver und versuchen eher selektiv in Richtung wissenschaftliche Arbeiten zu gehen. Zurzeit wissen wir beispielsweise, dass wir zu der Mehrzahl der Erkrankten zählen, die nicht hospitalisiert wurden – und sind auch überaus dankbar dafür. Gleichzeitig versuchen wir, die Zeit mit der Familie zu genießen und unsere Erfahrung so weitläufig wie möglich zu verbreiten, nach dem Motto: „Wer den Feind kennt, muss die Schlacht nicht fürchten“.