Das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben

Gruppe aus Österreich überbrachte Spenden für bedürftige Familien

Beim „Future Spirit“-Zukunftstag der katholischen Privatschulen sammelten die Schülerinnen und Schüler aus Salzburg Spenden für Rumänien.

Nach der Temeswarer Stadtführung (v.l.n.r.): Sarah Broch, Raphaela Mayer, Melanie Vitzthum, Lia Cojanu, Elena Edtmeier-Winkler, Paul Ellmauer, Andreas Winter, Nathalie Leythäuser, Paulina Hohengasser und Margit Schweiger-Back

Lia Cojanu, die Vorsitzende der Rumänischen Gesellschaft „Speranța“, begleitete die Gruppe zu den bedürftigen Familien, die in Temeswarer Randvierteln wohnen.

„Ich wollte jeden Tag mit dem Gedanken nach Hause gehen, dass ich etwas Gutes getan habe“. Mit diesen Worten begründet Elena Edtmeier-Winkler ihre Entscheidung, eine Ausbildung zur Sozialbetreuerin machen zu wollen. Elena ist im letzten Schuljahr – die Ausbildung hat sie nun fast hinter sich, seit Juli letzten Jahres arbeitet sie schon in einem Lebenshilfewohnhaus in Österreich. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen sitzt sie am heutigen Dienstag an einem Tisch im „Rivičre Brasserie“-Gastgarten am Ufer der Bega in Temeswar. Die sieben Jugendlichen der dritten Klasse für Behindertenarbeit an der Caritas-Schule für Sozialbetreuungsberufe aus Salzburg haben zwei volle Tage hinter sich. Nachdem sie am Sonntag im Banat angekommen sind, haben sie am Montag zehn bedürftige Familien aus den Randvierteln Temeswars besucht und ihnen Spenden überbracht. Das Diplomprojekt, das die Jugendlichen zum Abschluss ihrer Ausbildung vorstellen, heißt „Fill the bus“ – auf gut Deutsch: „Fülle den Bus“. Mit Kleidung, Spielsachen, Medikamenten, Lebensmitteln und sonstigen Hilfsmitteln, die den Nutznießern der Rumänischen Gesellschaft „Speranța“ aus Temeswar zu Gute kommen.

Dass die Jugendlichen aus Salzburg nach Temeswar gekommen sind, ist eher einem glücklichen Zufall zu verdanken. Im vergangenen Herbst, als Lia Cojanu, die Vorsitzende der Rumänischen Speranța-Gesellschaft in Salzburg war, lud sie Paul Ellmauer, Lehrer an der Caritas-Schule, in die Klasse ein, um über die Sozialprojekte der Gesellschaft „Speranța“ im Kreis Temesch zu erzählen. Den Schülerinnen und Schülern ging dann ein Licht auf. „Was wäre, wenn wir unser Diplomprojekt mit unserer Diplomreise verbinden und nach Rumänien fahren?“, überlegten sie. Die Schülerinnen und Schüler verzichteten somit auf die ursprüngliche Idee, ein Fotoshooting mit behinderten Personen zu organisieren, und entschlossen sich, nach Rumänien zu fahren. Um Spenden für „Speranța“ zu sammeln, machten sie im März bei dem „Future Spirit“-Zukunftstag der katholischen Privatschulen mit. Am Mozartplatz in Salzburg wurden aus diesem Anlass 60 unterschiedliche Ideen für Aktivitäten vorgestellt. Mit dabei waren auch die Schülerinnen und Schüler der Caritas-Schule für Sozialbetreuungsberufe, die u. a. für das „Fill the bus“-Projekt Spenden sammelten.

Spenden für bedürftige Familien in dem EU-Land Rumänien zu sammeln, war keine so einfache Angelegenheit. Schließlich ist man in West- und Mitteleuropa immer noch weitgehend der Meinung, Rumänien bräuchte nun, als EU-Mitglied, keine Unterstützung mehr. Doch die Situation vor Ort beweist das Gegenteil: In Rumänien gibt es immer noch Armut, hier leben immer noch Menschen am Rande der Gesellschaft – oft unter unvorstellbaren Bedingungen. Die Spenden, die die Schülerinnen und Schüler der Caritas-Schule aus Salzburg mitgebracht haben, kommen nun den Nutznießern der Rumänischen Gesellschaft „Speranța“ zu Gute. Seit 1990 ist die Organisation darum bemüht, Menschen mit geistigen Behinderungen und deren Familien Unterstützung zu bieten. Soziale Dienste, aber auch verschiedene Erholungs- und Sozialisierungsaktivitäten für die Mitglieder der Gesellschaft werden organisiert. Aktuell betreut die Rumänische Gesellschaft „Speranța“ 600 Familien von Kindern mit verschiedenen Behinderungen, lässt Lia Cojanu wissen. „Seit 2002 pflegen wir eine Zusammenarbeit mit der Caritas-Schule aus Salzburg – die Schüler haben jedes Jahr Praktika bei uns abgelegt. Nachdem sich aber das Schulprogramm änderte, war dies zunächst nicht mehr in dieser Form möglich“, erzählt die Vorsitzende der Speran]a-Gesellschaft. Die guten Beziehungen konnten sich nun aber anders konkretisieren: „Fill the bus“ brachte sieben Abschlussschülerinnen und -schüler der Caritas-Schule samt ihrer Klassenvorständin Margit Schweiger-Back und dem Lehrer Paul Ellmauer, zuständig für das Projektmanagement, nach Temeswar.

Die 350.000-Einwohner-Stadt Temeswar wird 2021 Kulturhauptstadt Europas sein. Darüber erfuhren die Österreicher einiges im Rahmen einer zweistündigen Stadtführung. Bei dem Stadtrundgang konnten sie sich ein bisschen in der Innenstadt umsehen und die Schönheit der westrumänischen Stadt, die sich einst auch mit dem Beinamen „Klein-Wien“ rühmte, bewundern. Doch am Rande dieser Gesellschaft, die sonntags gern mal am „Corso“ spazieren geht, leben auch Menschen, die dringend Hilfe nötig haben. Menschen, deren Alltag von Armut und Not geprägt ist, die auf Unterstützung angewiesen sind und von deren Existenz viele Temeswarer überhaupt nichts wissen. Einigen solchen Menschen stattete die Gruppe aus Österreich am Vortag des Stadtrundgangs einen Besuch ab. Zehn Familien von Kindern mit Behinderung oder auch Erwachsene mit Behinderung, die zu den Nutznießern der Sozialprojekte der rumänischen Gesellschaft „Speranța“ gehören, empfingen am Montag die Gruppe aus Österreich.

„Ich habe versucht, nicht zu große Erwartungen zu haben, aber es hat mich schon sehr berührt, zu sehen, in welcher Armut einige dieser Menschen leben oder überleben müssen. Ich war am Ende des Tages etwas überfordert mit den ganzen Eindrücken, den vielen verschiedenen und teilweise sehr traurigen Situationen. Andererseits hatte ich schon das Gefühl, dass sie sich irgendwie ihre kleine Welt aufgebaut haben und zufrieden sind“, sagt Nathalie Leythäuser. Die Menschen, die von der Gruppe aus Salzburg besucht wurden, reagierten unterschiedlich. Manche zeigten sich offen und ließen die Österreicher in ihre Häuser, andere wiederum waren eher zurückhaltend, nahmen die Spenden dankend an, aber wollten nicht viel von ihrem Leben preisgeben. „Es hat mich sehr nachdenklich gemacht, weil einige Menschen viel zufriedener aussahen als wir, obwohl eigentlich nur ein Bruchteil von dem da ist, was wir besitzen. Auf der anderen Seite verspüre ich auch eine gewisse Wut, weil wir einfach den Luxus für so selbstverständlich sehen. Ich hoffe schon, dass sich etwas ändert und dass wir das, was wir hier erlebt haben, an unseren Freundeskreis in Österreich weitergeben können. Die Menschen müssen zum Nachdenken bewogen werden“, sagt Paulina Hohengasser. Nach ihrem Abschluss möchte die junge Frau nach Graz umziehen, um dort in der Kinderbetreuung zu arbeiten.

Das Wohltätigkeitsprojekt „Fill the bus“ brachte allen Beteiligten etwas. Eindrücke von einem anderen Teil Europas, aber auch neue Eindrücke vom Leben nahmen die Schülerinnen und Schüler mit nach Hause. Und ganz bestimmt auch das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben.