Das Vorschulkonzept als Lösung für die Bildungskrise

Deutsche Schulen stellen sich mit der Umstellung schwer

Strahlende Gesichter am ersten Schultag. Ab Herbst müssen Kinder ab sechs verpflichtend in die Vorschule.
Foto: Zoltán Pázmány

Rumänien gehört im Bildungsbereich zu den Schlusslichtern der europäischen Union. Bei der letzten PISA-Studie 2009 gehörte das Land zu den Letztplatzierten. Weder in Mathematik und Naturwissenschaften noch in Leseverstehen schaffte es Rumänien unter die ersten 30 Länder.
Immer wieder werden unterschiedliche Gründe angegeben, weshalb die Ausbildung des rumänischen Schülers schwächelt. Bevorzugt wird mit den fehlenden finanziellen Mitteln für Lehrer und Bildungseinrichtungen begründet. Manche wollen tiefer greifen und kritisieren das Bildungssystem, welches den heutigen Anforderungen nicht entspricht. Darum wird seit Jahren experimentiert. Zum einen greifen Politiker zu utopischen Projekten, die mit westlichen Bildungsinitiativen gleichziehen wollen. Oft zogen Bildungsminister falsche Konsequenzen, worunter Generationen leiden mussten. Hieß es nicht noch vor einigen Jahren, als Ecaterina Andronescu Bildungsministerin war, das Land würde keine Berufsschulen brauchen? Im letzten Jahr zog der damalige Bildungsminister Daniel Funeriu die Bremse und bescherte dem Land die niedrigsten Abiturergebnisse der letzten 20 Jahre. Das rumänische Bildungswesen leidet unter einer ständigen Identitätskrise. Weiterhin bleibt eine Frage bestehen: Wie kriegt man die rumänische Bildungskrise in den Griff?

Nun möchte man das Problem an der Wurzel packen: Die schlechte Vorbereitung der Schüler fängt schon im Kindergarten an. Es habe bisher eine Lösung gefehlt, um den Übergang der Kinder vom Kindergarten zur Grundschule zu erleichtern. Abhilfe sollen die obligatorischen Vorschulklassen sein, die ab Herbst jeder Sechsjährige besuchen soll. Wie immer eine veraltete Lösung, finden manche Experten, die auf Deutschland schauen. Wo das Problem der Vorschulen bereits in den 1970er Jahren angesprochen wurde und die Lösung heute als eher gescheitert wahrgenommen wird. In den meisten deutschen Bundesländern werden die Vorschulen abgebaut.

In Rumänien werden sie erst jetzt eingeführt. Wie immer schafft das neue Konzept mehr Probleme als Lösungen. Denn es müssen neue Lehrkräfte angeheuert und neue Klassenräume eingerichtet werden.

Die Umstellung stellt sich besonders für die deutschsprachigen Schulen aus dem Kreis Temesch als schwierig dar. Die Nikolaus-Lenau-Schule aus Temeswar/Timişoara muss für den Herbst wahrscheinlich vier neue Vorschulklassen einführen. Dazu fehlt der nötige Platz. Die neuen Räumlichkeiten sollen im Schulinternat eingerichtet werden auf Kosten einiger Schlafsäle. Insgesamt wurden 80 Kinder eingeschrieben. Weitere 20 Plätze stehen noch frei. Einfacher hat es das Colegiul Bănăţean, wo ebenfalls deutschsprachige Vorschulklassen eingeführt werden. Mit 29 Kindern könnte das Bănăţean mit einer Klasse das Problem lösen. In Großsanktnikolaus/Sânicolau Mare wurden 19 der 20 Plätze belegt und in Lugosch/Lugoj wurden 17 Kinder für die deutschsprachigen Vorschulklassen eingeschrieben, drei Plätze bleiben offen. Was alle Schulen allgemein belastet, ist der Mangel an Personal. 

Für Schulleiterin Helene Wolf schauen die Aussichten eher dürftig aus. Vier neue Lehrkräfte müssen bis spätestens im September angeworben werden. Bisher hat sich niemand gefunden, der sowohl qualifiziert, als auch der deutschen Sprache mächtig ist. Von den bestehenden Lehrern kann niemand einspringen. Das Gesetz sieht vor, dass der Vorschulunterricht am Vormittag gehalten wird. Sowieso werden auch für die Grundschule vergeblich neue Lehrer gesucht. Für das Schuljahr 2012/2013 haben sich in der ersten Klasse 164 Schüler eingeschrieben. Die Nikolaus Lenau Schule wird ab Herbst voraussichtlich sieben Klassen haben. Sollten sich nicht die drei zusätzlich erforderlichen Lehrer finden, müssen die Klassen zusammengeschlossen werden. Das würde bedeuten, dass es nur vier Klassen mit je 40 Schülern geben wird. Auch am Colegiul Bănăţean wurden für die erste Klasse doppelt so viele Schüler eingeschrieben, als Plätze vorhanden sind. 

Zu den Fächern, die in der Vorschule unterrichtet werden sollen, gehören: Rumänisch und Deutsch (in den deutschsprachigen Vorschulklassen), Sozialkunde, Religion, Mathematik, Umweltkunde, Sport, Kunstunterricht und Handarbeit. Von den Lehrern der Vorschulklasse wird die gleiche pädagogische Ausbildung erwartet wie für Grundschullehrer.

2012 erscheint eine neue PISA-Studie. Die Ergebnisse werden darüber Aufschluss geben, wie sich das rumänische Bildungssystem in den letzten drei Jahren entwickelt hat. Deutschland bemüht sich seit Jahren, die Ergebnisse zu verbessern. Bei der letzten Studie platzierte sich das Land unter den ersten 20. In Europa bleibt Finnland führend. Weltweit schnitt China bei der letzten Studie 2009 am besten ab. Im Falle Rumäniens sollte man nicht zu viel erwarten. Besonders nach den Abiturergebnissen im vergangenen Jahr. Ob die Vorschulklassen in Zukunft der Bildungskrise entgegenwirken können, bleibt eine Frage, die erst in zehn Jahren beantwortet werden kann. Vorausgesetzt die Vorschulklassen werden dann noch bestehen.