Dekathlon in Russland

Russlandverschleppung - Gemälde von Stefan Jäger Abbildung: banat-tour.de

Beim Stöbern entdeckte ich im Haus meiner Kindheit in Temeswar eines Tages einen Ring. Es muss Ende der 70er Jahre gewesen sein, denn ich war schon in dem Alter, in dem sich ein Mädchen für Schmuck interessiert. Es war ein breit geklopfter Silberreif, der mit einem ausgestanzten Herz aus dem gleichen Edelmetall verziert war. Verglichen mit den Ringen meiner Mutter wirkte er klobig und kantig. Ich rannte damit zu meinem Großvater, der damals meist verfügbar war, da er in Haus und Garten werkelte. Er hielt den Ring in seinen großen Händen, betrachtete ihn genau und seine Miene verriet mir sofort, dass er ihn wiedererkannte. Doch mein Erstaunen war groß, als er sagte: Das ist einer der Ringe, die ich in Russland gemacht habe. Russland, das Wort hatte ich aus den Erzählungen der Erwachsenen schon öfter herausgehört. Meistens wenn Verwandte oder Vertraute zu Besuch waren. Je älter ich wurde, desto mehr spürte ich, dass damit etwas Dunkles, Schlimmes, Schmerzhaftes gemeint war, das über die Geografie hinaus quoll, die Stimmen senkte und die Mienen verfinsterte. Über dem Telefon im Flur unseres Hauses in Temeswar hing seit ich denken konnte eine Bronzemedaille an einem blau gelb roten Band. Sie kündete von den sportlichen Erfolgen meines Großvaters Anton Höckl, der in seiner Jugend als Athlet zahlreiche Preise gewonnen hatte. Als ich ihn mal anerkennend darauf ansprach, winkte er nur ab. Er hätte mal eine ganze Schachtel davon gehabt, die, als er in Russland war, verloren gegangen war. Da war es wieder, dieses Russland…

(Mehr dazu: Banater Zeitung von dieser Woche)