Dem Stifter zu Ehren und dem Staat zur Lehre

Auf was für einem Rumänien steht Brukenthal in Hermannstadt?

Bürgermeisterin Astrid Fodor (links) und Präsident Klaus Johannis (rechts) im wolkenlosen Sonnenlicht. Einmal gesund zugepackt…

...und schon kommt die gebieterische Haltung Brukenthals zum Vorschein.
Fotos: der Verfasser

Ein Staatsakt ohne Schatten gerät schnell mal zu einer Härteprobe mit Schmackes. Die paar Hundert Menschen, in deren Gedächtnis die Enthüllung der bronzenen Statue Samuel von Bruken-thals in Hermannstadt/Sibiu am Samstagmittag, dem 11. September, noch frisch ist, können bestimmt ein Lied von der diplomatischen Kunst folgsamen Zuhörens ohne Knurren und Murren unter sengender Sonne singen. Einzig und allein Prof. Dr. Sabin Adrian Luca hatte sich dafür gerüstet, den Reim „Mann mit Hut ist immer gut“ im Fall der Fälle beim Wort zu nehmen. Der gebildete Direktor des Brukenthalmuseums setzte sich zwischendurch in der Tat eine schwarze Kopfbedeckung mit breiter Krempe auf. Als die Reihe an ihm war, als letzter Festredner vom Außenposten am Podium der vordersten Ehrengäste aufzustehen und an das Pult zu treten – es stand neben der neuen Statue und ganz weit vor dem altbekannt treuen Publikum Hermannstadts – hatte er seinen Hut natürlich längst wieder gezogen. „Die Zeit ist zwar unendlich, aber es war sein Moment“, sagte der Chef des Bruken-thalmuseums über den Stifter desselben.

Am denkbar einfachsten hatte es da noch die Militärblaskapelle der Hermannstädter Akademie für Landstreitkräfte „Nicolae Bălescu“ in ihren weißen Dienstuniformen mit goldfarbenen Rockknöpfen und Epauletten. Gleich nach dem Schlussakkord der Rumänischen Hymne durfte sie zufrieden vom Platz schreiten. Glück hatte sie auch bis kurz vor ihrem Arbeitseinsatz, weil sie im Schatten des Zwiebelturmes der römisch-katholischen Stadtpfarrkirche auf das Zeichen zu ihrem Parade-Auftritt warten konnte. Die heiße Phase der Pflichtansprachen sollte wenige Augenblicke später anlaufen. Dr. Alexandru Chituță, Referent für Bildung, Vertrieb, Sekretariat und Öffentlichkeitsarbeit des Brukenthalmuseums, hatte die Ehre des eröffnenden Spielzugs: „Diese Statue ist kein Denkmal, das uns über historische Differenzen informiert. Sie ist ein Denkmal für die Affinitäten, die uns einen.“

Gleich nachdem Bürgermeisterin Astrid Fodor (Demokratisches Forum der Deutschen in Rumänien, DFDR) und Staatspräsident Klaus Johannis an den zwei Gurten in den Farben der Flagge Rumäniens gezogen hatten, um die weiße Hülle vom über drei Meter hohen Einzelstandbild Brukenthals abzustreifen, erteilte Bischof Reinhart Guib ihm den Segen. Für das Sprechen des Vaterunsers griffen alle Repräsentanten zeitgleich auf ihre Muttersprachen zurück. Im toleranten Siebenbürgen nicht etwa verhandelbares Recht, sondern Grundbedingung. Sobald man das Gefühl hat, sie verteidigen zu müssen, ist der Burgfrieden bereits gefährdet.

Blauer Himmel und kalte Schauer

Ganz rechts in der ersten Stuhlreihe der geladenen Gäste hatte der Oberhirte der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) Platz genommen, wie von den Hausherren veranschlagt. Andreas Huber, Honorarkonsul der Republik Österreich in Hermannstadt, Ursula Jahn, Konsulin der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt, Arbeitsministerin Raluca Turcan (PNL) und Präsidentschaftsberater Sergiu Nistor leisteten ihm ordnungsgemäß Gesellschaft. Friedrich Philippi, Landeskirchenkurator und weltlicher Stellvertreter Bischof Guibs, hörte und sah in derselben Publikumsreihe vom linken Ende aus zu.
Neben ihm gut zu erkennen waren die Mitglieder des Stadtrates Helmut Lerner und Zeno-Karl Pinter (beide DFDR). Nicht zuletzt vorne zentral Historiker Dr. Sorin Radu, Rektor der Lucian-Blaga-Universität Sibiu (ULBS). Einer von vielen Männern der Mitte, auf deren Rat Rumänien aktuell dringendst angewiesen ist? Am Tag der feierlichen Enthüllung der Statue Samuel von Brukenthals auf dem Museums-Vorplatz am Großen Ring/Piața Mare waren kaum zwei Wochen seit Aufnahme der ULBS in das nationale Konsortium „Universitaria“ verstrichen. Festredner Johannis sprach von einer zukünftig sicher eintreffenden gesellschaftlichen Veränderung laut dem Staatsprogramm „România educată“ (Gebildetes Rumänien). Dabei vergaß Hermannstadts Ex-Bürgermeister, seine Heimatstadt in die Aufzählung der großen Universitäts-Zentren einzuschließen. Man konnte daraus interpretieren, nur Klausenburg/Cluj-Napoca, Temeswar/Timișoara, Jassy/Iași, Craiova oder Bukarest generieren Wohlstand und Entwicklung.
Bald zeigte ein rasch beigelegter Ausrutscher auf, dass die örtliche Kommunikation im Vorfeld des Staatsaktes auch ein wenig besser hätte funktionieren können. Denn auf dem Großen Ring standen noch etliche Zelte der Buchmesse „Gaudeamus“ des Rumänischen Rundfunks, darunter ein sehr großes. Nicht, dass man einander am Tag der Statuen-Enthüllung räumlich in die Quere kommen konnte, nein. Der Hauptplatz Hermannstadts hatte keine besondere Mühe, beide Veranstaltungen simultan zu fassen. Irgendwie aber geschah es, dass bald nach Eröffnung der Ansprachen zu Ehren des neuen Standbildes jemand am laut gestellten Mikrofon im Hauptzelt der „Gaudeamus“-Messe eine Rede zu halten anfing, die den guten Ton der Statuen-Enthüllung empfindlich störte. Auf ein Kopfnicken von Staatschef Klaus Johannis hin zückte Bürgermeisterin Astrid Fodor ihr Smartphone und brachte das konkurrierende Event durch einen Kurzanruf zum Schweigen. Unvorteilhaft, dass es nötig war, eine Buchmesse den Kürzeren vor Bibliotheksstifter Brukenthal ziehen lassen zu müssen.

„Von diesem Sockel wird er nicht mehr weichen!“, hielt Moderator Dr. Alexandru Chituță imperativ fest. Der erste Regen eine knappe Woche später konnte der neuen Statue nichts anhaben. Sie hat ihn glänzend überstanden. Am Samstag hingegen, den 18. September, war sie den Schmährufen einer über 200 Personen starken Menschentraube ausgesetzt. Da wurde glatt im Wortlaut des ultranationalistischen Pöbels gegen den gutmütigen Brukenthal gewettert. Kein Wunder, dass die Plakette mit den Logos der finanzierenden Körperschaften noch rechtzeitig vor der bizarren Protestkundgebung vom Sockel entfernt und bis heute nicht wieder zurück angebracht wurde. Der lokale Rotary Club und Lions Club, das Bruken-thalmuseum und die großzügige Backwarengesellschaft „Boromir“ haben sich aus der Schusslinie von Europa- und Fremdenfeindlichkeit gezogen. Stolz ob der Tatsache, dass Hermannstadt und Rumänien Samuel von Brukenthal das erst dritte große öffentliche Museum der Welt nach dem British Museum und dem Louvre verdanken? Für den Ex-Bürgermeister von Klausenburg/Cluj-Napoca Gheor-ghe Funar und leider auch einen Priester des erzkonservativen Flügels der Orthodoxen Kirche Rumäniens (BOR) nicht löblich der Rede wert.

Versöhnung über Berge hinweg

Unter den geladenen Zuschauern am Tag der Statuen-Enthüllung selbst war kein Träger einer orthodoxen Soutane auszumachen. In der zweiten Reihe jedoch saß im piekfeinen Ornat Priester Nicolae Popa von der griechisch-katholischen Ursulinen-Kirche, der sich mit seinem Nachbar Kilian Dörr, Stadtpfarrer der EKR, unterhielt. Trotzdem die Kirche der nationalen Mehrheitsgesellschaft den Staatsakt schnitt, war sie zur großen Feststunde am Großen Ring nicht abwesend: Museums-Referent Dr. Alexandru Chituță ist Alumnus der Fakultät für Orthodoxe Theologie „Andrei Șaguna“ an der ULBS.
Aktionär Mircea Ureche, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Backwaren „Boromir“, berief sich auf das Neue Testament. „´Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!´ – die vier Evangelisten Markus, Johannes, Lukas und Matthäus berichten uns, dass keiner geworfen hat. Ich glaube, auch diesmal wird niemand werfen!“ Der Mann mit Herz und Hand aus der Lovi{tei-Senke im Kreis Vâlcea punktete versöhnlich. „Wir bei ´Boromir´ kommen alle von dort aus der Loviștei-Senke“, schickte der Sponsor des Löwenanteils für die Statue Brukenthals in Hermannstadt voraus. Um am Pult auf die Quelle im Sattel „La Apa Cumpănit˛“ (Zur Wasserscheide) des Fogarascher Gebirges zu sprechen zu kommen, über die Wohltäter Samuel von Brukenthal der Legende nach verfügt haben soll, ihren Wasserlauf dergestalt zu bearbeiten, dass sie nicht allein den nach Norden abfließenden Frecker Bach/Pârâul Avrig speist, sondern auch den tüchtigen Müllern in der südlichen Senke bei der Arbeit nützt.

Dr. Paul-Jürgen Porr, dem Vorsitzenden des DFDR, bereitete das Heimspiel auf dem Großen Ring wie erwartet eine helle Freude. Bildhauer Deák Árpád (Jahrgang 1955) aus Großwardein/Oradea hat den ersten Gouverneur Siebenbürgens im Auftrag der Krone von Habsburg im Gewand einer Epoche gegossen, die den Barock zwar schon hinter sich gelassen hatte, aber noch in der Garderobe aufbewahrte. Brukenthals Statue vor dem Museum ist bildnerisch perfekt geschnitten, aber mitten in eine Welt hineingebaut worden, die vor lauter Fragen an sich selbst oft gar nicht mehr weiterweiß. Die Straße zu dem „Schatten des Weisen in der Gemeinschaft der Lebenden“, dem Dr. Sabin Adrian Luca sich gerne beugt, ist mit zahlreichen Steinen gespickt, wovon längst nicht alle so exzellent wie jene auf dem beispielhaft schön gepflasterten Großen Ring angeordnet sind. Martin Bottesch, Siebenbürgen-Vorsitzender des DFDR und Ex-Vorsitzender des Hermannstädter Kreisrates, der in der letzten Woche im Monat Juli 2021 zum 300. Geburtstag Samuel von Brukenthals auf Rumänisch integer vorgeschlagen hatte, „die Verwendung der deutschen Sprache in den Bildbeschreibungen im Museum zu priorisieren!“, stand mittags zur Enthüllung der Statue aufrecht hinter der Absperrung zwischen dem Feld der geladenen Gäste und dem einfachen Fußvolk. Ihn persönlich einzuladen, war versäumt worden.

Sie kann die Probleme des aktuellen Rumäniens nicht lösen, die brandneue Statue Brukenthals in Hermannstadt. Es reicht einfach nicht, am Stichtag mit Spürhunden nach Sprengstoff suchen zu lassen und Tage später rechtsradikalen Demonstranten eine satte Geldstrafe aufzubrummen. Stets nur das Schlimmste verhindern zu wollen, bringt trügerische Sicherheit. Der Staatsakt am Großen Ring Hermannstadts hat allein Politiker Samuel von Brukenthal schillern lassen, das selbstverschuldet schwer kriselnde Rumänien aber nicht schönreden können.