Den Zeitgeist des 19. Jahrhunderts im Herzen der Hauptstadt erhalten

Fürst Constantin Șerban Cantacuzino über sein malerisches Gasthaus „Hanu’ lui Manuc“ in Bukarest

Grafik „Hanu’ lui Manuc in 1860“ von Michel Bouquet | Foto: Wikipedia

Das „Hanu lui Manuc“ heute | Foto: Mirela Brițchi/Wikipedia

Holzrauchgeruch, lautes Verhandeln, beladene Karren und im Schatten des Hofes zum Ausruhen aufgeschlagene Lager – so sah eine typische Alltagsszene im Bukarest des 19. Jahrhunderts gegenüber dem Alten Fürstenhof aus. „Die beiden Reihen von Galerien, die vier große Häuserkörper verbinden, die sehr elegante große Treppe, die die beiden Stockwerke unter einem Kiosk mit schrägem Dach und hervorstehenden Sparren bedient, sind mit Säulen und Geländern von schönem Geschmack und feiner Verarbeitung geschmückt.“ Der Schauplatz der Genreszene mit orientalischem Ambiente, den der französische Maler Dieudonné Auguste Lancelot zeichnet und mit einem „hölzernen Schloss“ vergleicht, ist nichts anderes als das „Hanu’ lui Manuc“, auf Deutsch Manucs Karawanserei oder Gasthaus. 

Die Geschichte von Manucs Karawanserei beginnt 1806, als es in Bukarest von dem in Russe geborenen Armenier Emanuel „Manuc“ Mârzaian errichtet wurde. Dieser war als Gehilfe eines Händlers nach Jassy/Iași gekommen, wo er zwölf Fremdsprachen lernte. 1808 ernannte ihn Sultan Mustafa IV. zum Dragoman (türkischer Diplomat) und verlieh ihm den Titel Bey und die Herrschaft über die damalige rumänische Provinz der Moldau. Als berühmter Kaufmann, Diplomat und Gastwirt galt Manuc zu seiner Zeit als einer der reichsten Landbesitzer auf dem Balkan. So ließ er zur Jahrhundertwende 1800 im Herzen der Hauptstadt eine Karawanserei auf dem Gelände des Fürstenhofes bauen. 

Von den anderen Gasthof-Festungen seiner Zeit unterschied es sich durch seine besondere byzantinische Architektur. Aus Beschreibungen des frühen 19. Jahrhunderts ist bekannt, dass das Gasthaus über 15 unterirdische Weinkeller sowie 23 Geschäfte im Erdgeschoss und zwei große Aufenthaltsräume, zehn Hütten, Schlafzimmer für Diener, Küchen und einen Tunnel, in dem über 500 Menschen Platz fanden, verfügte. Im ersten Stockwerk gab es über 107  Zimmer, vorwiegend Gästezimmer. Der Innenhof beherbergte ein Café und einen kleinen Garten mit einem Brunnen. Die Herberge sollte zusammen mit ihrem Erbauer eine kritische Rolle in der Beendung des russisch-osmanischen Kriegs 1806-1812 spielen. Die Friedensverhandlungen zwischen den beiden Reichen wurden dort abgehalten und Manuc Bey fungierte als Vermittler zwischen den Friedensdelegationen. Der am 16. Mai ebenfalls dort unterzeichnete Friede von Bukarest sollte den russisch-osmanischen Krieg beenden und gleichzeitig die Souveränität über die umstrittenen Gebiete feststellen. Das später als Bessarabien bekannte Territorium zwischen den Flüssen Pruth und Dnjestr fällt dabei unter russischen Einfluss.

Manuc starb 1818 und vererbte die Karawanserei seinem ältesten Sohn, Ioan-Murat, mit folgender Klausel: „Es ist die Pflicht des Eigentümers, sich sowohl gegenüber den kurzzeitigen Gästen als auch gegenüber den Jahresmietern der Karawanserei mit aller gebotenen Dankbarkeit und Achtung zu verhalten, damit der Ruf des Gasthauses dadurch nicht getrübt wird.“

Infolge des starken Erdbebens von 1838, welches das Gebäude erheblich schwächte, sieht sich Ioan-Murat gezwungen, das reparaturbedürftige Wirtshaus zu verkaufen.

Die neuen Besitzer der Herberge werden Dimitrie Iconomidis, dem die Verwaltung und die Hälfte des Gasthauses gehören sollten, die andere Hälfte wurde  zwischen Gheorghe Iconomidis und Lambru Vasilescu aufgeteilt.

Nach Dimitries Tod wurde das Grundstück an Lambru Vasilescu verkauft. 1874 sanierte er die Karawanserei und benannte sie in „Grand Hotel Dacia“ um. Es entwickelte sich zu einem echten Handels- und Kulturzentrum, das Läden, Unternehmen, Institutionen und viele ausländische Reisende beherbergte.

Der Hotel sollte bis 1881 im Besitz von Lambru Vasilescu bleiben, als er kurz davor stand, es wegen Schulden zu verlieren. Im selben Jahr verheiratete Vasilescu seine Tochter Aurelia mit dem adligen Bojaren und Amtsrichter Alexandru Băicoianu, der mit dem ehemaligen Wirtshaus auch den Kredit übernahm. Ihre Tochter Cleopatra Băicoianu war die Großmutter mütterlicherseits des heutigen Inhabers, Fürst Constantin Șerban Cantacuzino, Nachkomme einer alten rumänischen Fürstenfamilie. Diese geht auf die byzantinische kaiserlichen Familie der Kantakuzenos zurück und aus ihr sind seit dem 17. Jahrhundert mehrere rumänische Fürsten, Kirchen- und Klosterstifter, Philantropen, sowie Spitzenpolitiker, -mediziner, -architekten und -piloten hervorgegangen. 

Fürst Constantin Șerban Cantacuzino trägt die Vornamen zweier seiner Vorfahren, des walachischen Humanisten, Geschichtsschreibers und Hofverwalters Constantin Cantacuzino und seines Bruders Șerban Cantacuzino, Fürst der Walachei, Klosterstifter und Gründer mehrerer Druckzentren, die im 17. Jahrhundert gelebt beziehungsweise geherrscht haben. 

Die unaufdringliche Art des Fürsten mit Sean-Connery-Charme, der aus einer längst untergegangenen Welt adliger Gepflogenheiten stammt, wirkt angenehm. Zurückgezogen auf einer hölzernen Veranda hat Fürst Constantin Șerban Cantacuzino der ADZ-Redakteurin Cristiana Scărlătescu alte Familienereignisse und über seinen erfolgreichen, in der Bukarester Altstadt gelegenen Gasthof erzählt.

Herr Cantacuzino, da Sie aus einer bedeutenden Fürstenfamilie stammen, ist anzunehmen, dass Sie während des kommunistischen Regimes Schikanen oder Repressalien ausgesetzt waren. Wie war Ihr Leben in der „Goldenen Zeit“?
Meine Eltern haben mehr unter dem kommunistischen Regime gelitten als ich. Ich wurde 1955 im Schiltal geboren. Feindseligkeit empfand ich ab und zu von einigen Lehrkräften, aber nicht immer. Unter ihnen gab es auch Menschen, die mich gut behandelt und ermutigt haben. Als Jugendlicher siedelte ich nach Bukarest um und besuchte ein  Energiewirtschaftslyzeum. 1979 verließ ich die Hauptstadt, kündigte meine Stelle als Entwurfstechniker beim Institut für hydroelektrische Studien und Entwürfe ISPH, wo ich 3000 Lei, ein damals sehr guter Lohn, verdiente. Ich musste es tun, denn die Behörden wollten zu der Zeit alle Grundstücksbesitzer, die der Zwangskollektivierung aus den 50er Jahren unversehrt entkommen sind, enteignen. Meine Großmutter erbte 2,5 Hektar Ackerland bei Ploiești. So dachten die Behörden, sie würden das Land einer einsamen, alten Frau, die weder die entsprechenden Geräte noch die Kraft, es zu bebauen hatte, konfiszieren, um der örtlichen Landwirtschaftskooperative CAP anzuschließen. Dann sagte ich „Finger weg! Sie wird das Gelände zusammen mit ihrer Familie bebauen.“ 

Sie waren opferbereit um Ihrer Familie willen.
Ich musste es sein. Jedenfalls begannen die Lokalbehörden, mich nach einem Jahr zu untersuchen. Sie wollten wissen, wovon ich lebte, zumal ich nirgendwo angestellt war und kein Staatsgehalt erhielt. Und ich erwiderte ihnen, dass ich eine Farm zu leiten hatte und sogar besser als ein Staatsangestellter verdiente.

Gab es eine enge Verbindung zwischen Ihrer Familie und der königlichen Familie Rumäniens?
Ja, wir standen einander nahe. Meine Eltern haben König Michael I. vor dem Kommunismus kennengelernt, aber nicht bis nach der Wende 1989 gelebt, um Seine Majestät wiedersehen zu können. Meine Frau und ich wurden jedoch einmal zum Elisabeth-Palast eingeladen. Der Besuch hat wahrscheinlich zwei-drei Stunden gedauert, und die Erfahrung war wunderbar. Der König war ein ausgezeichneter Mensch, immer freudig und voller Humor, trotz seines traurigen Schicksals. Ich habe auch eines seiner Enkelkinder, Prinz Nicholas de Roumanie, bei einer Buchvorstellung kennengelernt und nun stellt er sein bereits veröffentlichtes Familienalbum in meinem Wirtshaus vor. 

Wie haben Sie es geschafft, im Laufe der Zeit und unter feindlichen Bedingungen die adligen Gepflogenheiten zu erhalten und wie viel Wert wird heute noch auf die Etikette gelegt?
Meine Eltern und Großeltern haben mich auf eine besondere Weise erzogen. Ungeachtet des kommunistischen Regimes waren im Haus die alten Sitten unserer Familie zu befolgen. Heute wirkt die Sache mit der Etikette eher problematisch, denn viele Leute, vor allem Arrivierte und Neureiche, halten das Etikett für wichtiger als die Etikette oder verwechseln sie miteinander. 
„Sie kennen den Preis von allem und den Wert von nichts“, würde dazu der britische Schriftsteller und Essayist Oscar Wilde sagen. 
Man kann wohlhabend sein oder auch nicht. Hauptsache man ist Mensch und benimmt sich menschlich mit den anderen.

Sie sprechen ganz im Sinne von Manuc Bey, dem gastfreundlichen Gründer Ihrer  Herberge! Wann wurde Ihnen das Gasthaus vom rumänischen Staat nach der Zwangsenteignung 1950 zurückgegeben und wie lange hat das Gerichtsverfahren  gedauert?
Der Prozess verlief über zehn Jahre, obwohl das Verfahren nicht länger als drei Jahre hätte dauern sollen. Das Gasthaus ist in meinem Besitz seit 2007. Weitere zehn Jahre führte ich Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten daran durch und diese sind noch nicht zu Ende. Zurzeit renovieren wir die Hotelzimmer im oberen Stockwerk.

Das Gasthaus befand sich 1966 auf der schwarzen Liste der Abbruchhäuser. Wieso wurde es damals nicht abgerissen?
Dies haben wir einem schlauen Architekten Namens Miclescu, der Ceaușescu überlistete, zu verdanken. Sonst stünde hier heute ein „schöner“ Wohnblock. Miclescu hatte dem Diktator einen eiligen Brief geschickt, in dem er ihn an den historischen Wert des für Bukarest kennzeichnenden Gebäudes erinnerte und ihn darauf aufmerksam machte, das sich im Gasthof 1920 die ersten kommunistischen Arbeiter – die es in Rumänien damals kaum gab – heimlich trafen. Letzteres sensibilisierte den kleinen Diktator, der die Abbruchgenehmigung sofort widerrief und die Sanierung der ehemaligen Karawanserei anordnete. Die Sanierungsarbeiten wurden eilig und nachlässig unternommen. Als der Genosse Ceaușescu sich an der Wiedereröffnung der Herberge beteiligte, wurden nach dem Regen vom Vortag seine Schuhe im Hof ein wenig mit Schlamm schmutzig. Es gab einen Riesenkrach und der Hof sollte sofort betoniert werden. Wegen der mit Beton verstopften Kanäle wurde das Erdgeschoss bei starkem Regen immer wieder bis 2007 überflutet.

Welche Schwierigkeiten und Kosten kamen bei der Sanierung des Gasthauses auf Sie zu?
Von den Kosten her könnte ich Ihnen nicht genau sagen auf welche Summe sie sich bis dato belaufen haben. Es ist auf alle Fälle die Rede von einem erheblichen Betrag. Stellen Sie sich vor, das Gebäude wurde jahrelang vom Staat nur ausgebeutet und war stark verfallen, als es in meinem Besitz kam. Ich musste acht Kilometer Rohre durch neue ersetzen lassen. In den Badezimmern waren je drei Reihen Keramikfliesen übereinander an die Wänden geklebt, denn die Kommunisten haben die alten Fliesen nicht mehr entfernt, um neue aufzukleben. Die alten, wertvollen hölzernen Möbel und die Wände wurden mit verbrannter Ölfarbe gestrichen und waren schwer auf ihren einstigen Zustand zu restaurieren. Nun sehen die Holzmöbel und Schmiedeeisengegenstände gut aus. Der Dachboden war mit Schutt überfüllt und als wir diesen entfernten, bildeten sich im Innenhof Schutthaufen, die bis zum ersten Stock reichten. Insgesamt 1200 Container voller Schutt haben wir weggeschafft. Es war unglaublich schwierig, aber die Sanierungsarbeiten werden bald abgeschlossen (lächelt optimistisch). 
Die Behörden – sowohl die kommunistischen als auch die heutigen – haben ein historisches Denkmal zum Gegenstand des Spottes gemacht und es jahrelang vernachlässigt. Die Gleichgültigkeit der Behörden ist sogar schlimmer als ihre Korruption.
„Hanu’ lui Manuc“ ist inzwischen offen, wird als Restaurant betrieben und verfügt über 350 Sitzplätze im Innenhof, 150 im Weinkeller, 170 im Salon und 70 auf der Veranda. Hier werden allerhand Veranstaltungen organisiert und unsere eigene Fiedlergruppe spielt jeden Abend für die Gäste.

Leiten Sie „Hanu’ lui Manuc“ allein oder hilft Ihnen die Familie dabei?
Ich betreibe „Hanu’ lui Manuc“ als Familiengeschäft. So habe ich ein gutes Gewissen. Mein Sohn Matei [erban Cantacuzino hilft mir dabei und meine Frau, Alina-Daniela Cantacuzino, unterstützt mich auch. 

Vielen Dank für das interessante Gespräch!