Der eigenen Tradition treu: modern und sächsisch

Zum 55. Jubiläum der Hermannstädter Zeitung

Benjamin Józsa moderierte die Feierlichkeiten. Foto: der Verfasser

Sucht man die Anfänge der deutschsprachigen geschriebenen Presse in demjenigen geografischen Raum, der sich heutzutage zwischen den Grenzen Rumäniens befindet, wird man in Hermannstadt/Sibiu fündig. 1778 erschien in der Herausgeberschaft Martin von Hochmeisters das „Theatrale Wochenblatt“, die erste regelmäßig erscheinende Publikation in Siebenbürgen. 190 Jahre später, am 25. Februar 1968, hielt die Hermannstädter Leserschaft die erste Nummer der „Hermannstädter Zeitung“ in den Händen. Die neue Zeitung in deutscher Sprache wurde im Rahmen der administrativen Reform und der einhergehenden Gründung von Regionalzeitungen in den Sprachen der in Rumänien lebenden Minderheiten ins Leben gerufen. Dem ersten Leitartikel kann man das Zielvorhaben entnehmen: „Sie macht es sich vom ersten Tag zur Aufgabe, ihre Leserschaft mit einer reichen Information, mit aufklärenden und beratenden Beiträgen guten Dienst zu leisten und so dem realen Lesebedürfnis gerecht zu werden.“

Am 25. Februar 2023 feierte die „Hermannstädter Zeitung“, allen auch als „HZ“ bekannt, im Spiegelsaal des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt ihr 55. Jubiläum. Die Bedeutung, welche die jeden Freitag erscheinende Wochenzeitung im Leben der Deutschen Minderheit in Rumänien (aber nicht nur) hat, konnte leicht an der großen Anzahl der anwesenden Gäste abgelesen werden. Es waren Freunde der Zeitung von nah und fern dabei, wobei nicht alle aus den Reihen der deutschsprachigen Leserschaft entstammten – auch rumänischsprachige Kollegen und Gäste waren anwesend, um ihren Respekt zu zollen. 

Das Musiker-Ehepaar Britta Falch-Leutert und Jürg Leutert eröffnete die Feierlichkeiten mit einer Überarbeitung des 1968 erschienen Beatles-Lied „Hello, Goodbye“. Nach den anschließenden Eröffnungsworten von Benjamin Józsa, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, der auch die Feierlichkeiten moderierte, übernahm Beatrice Ungar das Mikrofon, die amtierende Chefredakteurin der „Hermannstädter Zeitung“. In ihrer unverkennbaren Weise führte sie die Zuhörerschaft durch die Meilensteine der Geschichte der Wochenzeitung. Von der ersten Publikation, die zwischen 1861 und 1907 unter dem Namen „Hermannstädter Zeitung“ erschienen war, über die Neugründung der Zeitung 1968, die dann zwischen 1971 bis 1989 den Namen „Die Woche“ trug, da die Nutzung von Ortsnamen in anderen Sprachen als Rumänisch verboten wurde; über die bewegten Tage der Wende 1989, als am 26. Dezember zwischen fliegenden Kugeln erneut der Name „Hermannstädter Zeitung“ auf dem Titelblatt erschien, zu den inhaltlichen und design-technischen Veränderungen nach 1990, die die „HZ“ zu dem machen, was sie heute ist. 

Am Ende des mit historischen Bildern untermalten Vortrags wurde noch einmal allen Anwesenden klar, was eine der Besonderheiten der „Hermannstädter Zeitung“ ist und was ihr Erfolgsrezept ausmacht: Die „HZ“ hat immer Menschen um sich versammeln können, die es ihr ermöglichten, am Puls der Zeit zu bleiben, ohne an Qualität einzubüßen. Beispielhaft dafür kann auch die Tatsache gelten, dass sie 1997 die erste in Rumänien erscheinende Zeitung war, die online ging. Über die damit verbundenen Schwierigkeiten und Herausforderungen berichtete Michael Kothen, der damals zusammen mit Dirk Bekesch die technischen Voraussetzungen und ihr Können zur Verfügung stellten. Dabei betonte Kothen, dass die „Hermannstädter Zeitung“ immer der eigenen Tradition treu geblieben sei: Sie war und ist immer noch „modern und sächsisch“ zugleich. 

In seinem Grußwort betonte Martin Bottesch, stellvertretender Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen (DFDR), dass die Existenz der Zeitung auf einem partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Leser und Redaktion beruht: Die einen erwarten, dass die Zeitung geschrieben wird und den Qualitätsanforderungen entspricht, die anderen, dass die Zeitung gelesen wird. Dabei zitierte er ein beflügeltes Wort von Beatrice Ungar: „Wer nicht weiß, was in der „Hermannstädter Zeitung“ steht, ist selber schuld“. Das Besondere an der „HZ“ sei, dass sie nicht nur für die deutsche Minderheit da sei, sondern eine wichtige Rolle für eine breite deutschsprachige Leserschaft spiele. In diesem Kontext muss die Rolle des DFDR in Rumänien als Herausgeber der vier in Rumänien erscheinenden deutschsprachigen Zeitungen hervorgehoben werden. Zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent des jährlichen Budgets werden dafür vorgesehen, so Benjamin Józsa, der aber zugleich betonte, dass sich das Forum keine Vereinszeitung wünsche, sondern bestrebt ist, eine freie Presse in deutscher Sprache zu fördern. 

Über Förderung und Ansprüche sprach auch Unterstaatssekretär Dr. Thomas [indilariu in seinem Grußwort. Zwar liefere die europäische und nationale Gesetzgebung die Rahmenbedingungen für den Schutz und das kulturelle Leben der Minderheiten, doch muss dieser Rahmen auch mit Inhalt gefüllt werden. Die „Hermannstädter Zeitung“, so  Șindilariu, habe während ihres Daseins ein Beispiel geliefert, wie man durch Vertrauenswürdigkeit und Themenvielfalt diesen Rahmen füllen kann, indem man kritisch die Entwicklung einer Region begleitet. 

Kerstin Ursula Jahn, Konsulin der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt, betonte in ihrer Ansprache den ausdauernden Mut, den es abverlangt, eine lokale Zeitung mit überregionaler Wirkung zur Erfolgsgeschichte zu machen. Frau Jahn wies auch darauf hin, dass die erste Nummer 1968 an einem Sonntag erschienen war, was für alle eine Überraschung war, da man den Freitag als Erscheinungstag kannte. 

Hermannstadts Bürgermeisterin Astrid Fodor beschrieb die „Hermannstädter Zeitung“ als Teil der lokalen Geschichte: „Es ist unsere Zeitung, mit der wir uns identifizieren“. Über die Funktion der Zeitung als Bindeglied vor und nach 1989 sprach auch Friedrich Gunesch, Hauptanwalt der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. In seinem Grußwort, welchem er auch die Glückwünsche von Bischof Reinhart Guib beifügte, hob er die gemeinschaftsstiftende Rolle der Zeitung sowie die Partnerschaft zwischen den beiden Einrichtungen hervor. Die partnerschaftliche Beziehung war auch Thema des Grußwortes von Dr. Sunhild Galter, Vorsitzende der Frauenarbeit der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien: Nicht nur, dass die HZ für die Verbreitung notwendiger Informationen sorge, es würde sich auch immer Platz für Berichte über die Veranstaltungen der Frauenarbeit finden. 

„Die ‚Hermannstädter Zeitung‘ ist wie ein Spiegel, der uns vorgehalten wird. Ein Spiegel, der in Farbenvielfalt die Hermannstädter Politik, Gesellschaft, Kultur und das Glaubensleben wiedergibt“, beschrieb Pfr. Dietrich Galter, Bezirksdechant und Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Akademie Siebenbürgen, die Bedeutung der Wochenzeitung in seiner Dankesrede. 

Mit einer Auflage von 2000 Exemplaren wöchentlich (in den Sommermonaten höher) und ungefähr 1000 Abonnenten (die meisten im deutschsprachigen Ausland, aber auch etwa in Südamerika oder Japan), ist die Hermannstädter Zeitung aus der rumänischen Medienlandschaft nicht wegzudenken. Man darf sich nur wünschen, dass sie auch in Zukunft so nah am Ball bleibt wie sie es in den vergangenen 55 Jahren war und weiterhin „modern und sächsisch“ zur Kulturvielfalt in Rumänien ihren Beitrag leisten wird.