Der Gesundbrunnen aus dem Wald

Vorfreude auf die Bärlauch-Zeit: Tipps und Rezepte rund um den heilkräftigen „Stinker“

Bärlauch wächst in dichten Teppichen. Foto: George Dumitriu

Grüner geht’s nicht: leckeres Bärlauch-Pesto. Foto: Pixabay

Was macht der Bär, wenn er aus dem Winterschlaf erwacht? Er schlägt sich den Wanst mit zarten, grünen, aromatischen Blättern voll: Bärlauch! Hartnäckig hält sich diese Legende, die den Namen des wilden Knoblauchs erklären soll. Ob sie aber wahr ist? Kann schon sein, denn tatsächlich fressen Bären auch gerne würzige Kräuter. Wir tun es ihnen jedes Jahr gleich, denn im Frühling heißt es entschlacken, den Stoffwechsel ankurbeln, Vitamin C tanken, Atemwege und Arterien durchputzen. Bärlauch ist gesund und belebt – das fängt schon beim Pflücken im Wald an. 


Die Bärlauchzeit beginnt je nach Wetterlage manchmal schon Anfang März. Gesammelt wird bis zur Blüte im April, danach verliert die Pflanze langsam Geschmack und Wirkstoffe. Das Wichtigste vorab: Wie erkennt man Bärlauch und wie unterscheidet man ihn von seinen hochgiftigen Doppelgängern, der Herbstzeitlosen und dem Maiglöckchen? Bärlauch wächst in Teppichen, riecht und schmeckt stark nach Knoblauch. Die spitzen Blätter haben eine glänzende Ober- und eine matte Unterseite, im Gegensatz zum Maiglöckchen, wo beide Seiten glänzen. Außerdem hat jedes Bärlauchblatt einen eigenen Stiel, beim Maiglöckchen hingegen wachsen die Blätter auf einem gemeinsamen Stamm, bei der Herbstzeitlosen kommen sie ohne Stamm direkt aus dem Boden. Bärlauch blüht in weißen Sternchen, die wie bei der Zwiebel als Dolde angeordnet sind; auch die Blüten sind eßbar. Maiglöckchen hingegen haben Rispen mit kugelförmigen Knospen, die sich zu glockenförmigen Blüten öffnen. Herbstzeitlose blühen violett und nur im Herbst. Gelegentlich kommen die Pflanzen an denselben Stellen vor, daher den Bärlauch nie handvollweise ausreißen, sondern Blatt für Blatt pflücken. Angefressene Blätter sind übrigens keine Garantie dafür, dass die Pflanze ungiftig ist. Was auf unseren Stoffwechsel toxisch wirkt, verträgt so manches Tier.

„Doktor Frühling“

Nicht nur der würzige Knoblauchgeschmack ist ein Grund, reichlich Bärlauch zu essen. Die Wunderpflanze aus dem Wald gilt auch als starkes Heilkraut. Bärlauch ist vor allem bekannt dafür, Ablagerungen in den Blutgefäßen abzubauen, die Arterien elastisch zu halten, Blutdruck und Cholesterin-spiegel zu senken. Er wirkt damit gegen Arteriosklerose, beugt Herzinfarkten und Schlaganfällen vor. Bärlauch regt außerdem den Stoffwechsel an, bringt den Darm ins Gleichgewicht, hilft bei Husten, Asthma und Bronchitis und vieles mehr.

Am besten genießt man die Blätter frisch. Wer in der Nähe eines Waldes wohnt, kann sich einer einmonatigen Bärlauchkur unterziehen: täglich eine Handvoll Blätter knabbern – einfach so. Wem das zu scharf ist, der kann sie auch Blatt- oder Kartoffelsalat beifügen. Übrigens riecht man nur direkt nach dem Genuss von Bärlauch – nicht aber, wie bei Knoblauch, noch am nächsten Tag durch üble Körperausdünstungen. Dies mag am hohen Chlorophyll-Gehalt liegen, oder daran, dass die geruchsversursachenden Schwefelstoffe an bestimmte Eiweiße gebunden sind.

Bärlauch wirkt entgiftend durch seine Schwefelverbindungen, generell desinfizierend, stärkt das Immunsystem, senkt den Blutzuckerspiegel und wirkt sich auch günstig auf Hautausschläge aus (äußere Anwendung als Tinktur).
Die wichtigsten Inhaltsstoffe sind schwefelhaltige ätherische Öle, Senfglykoside, Vitamin C und etliche Mineralstoffe. Bärlauch ist eine gute Eisenquelle und wirkt daher blutbildend. Wie alle grünen Blätter liefert er zudem Magnesium: In der Mitte jedes Chlorophyll-Moleküls sitzt ein Magnesium-Atom. Magnesiummangel aber kommt häufig nach einem langen, „grünzeuglosen“ Winter vor. Auch Alkohol gilt als Magnesium-Killer.

Zerstört man die Zellwände des Bärlauchs durch Zerbeißen oder Zerschneiden, wird das geruchlose ätherische Öl Alliin frei, das sich an der Luft in Alkylsulfensäure verwandelt – das ist der Knoblauch-Stinker! Allerdings wirkt Alkylsulfensäure desinfizierend auf Atemwege und reinigt die Blutgefäße. Die Senfölglykoside hingegen fördern die Verdauung und regen den Stoffwechsel an.
Eine Überdosierung der Wirkstoffe ist kaum möglich, schon allein wegen des Geschmacks: Wer kann schon einen Eimer frischen Bärlauch verdrücken? Nur sollte man während der Schwangerschaft aufpassen: Frischer Bärlauch steht im Verdacht, Fehlgeburten auszulösen.

Ein bisschen Bärlauch-Geschichte

Überreste von Bärlauch fand man schon in jungsteinzeitlichen Siedlungen des Alpenvorlandes, so dass man davon ausgehen kann, dass ihn die Menschen bereits vor 5000 Jahren verwendeten. Funde bei Pfahlbauten wiesen nach, dass Bärlauch auch den Germanen nördlich der Alpen bekannt war. In der Mythologie galt die Pflanze als Aphrodisiakum und Vertreiber böser Geister, Schlangen, Hexen und Vampire. Als Teufelsaustreibemittel musste der Bärlauch unbedingt vor der Walpurgisnacht gesammelt werden, danach sei er nicht mehr wirksam. In Thüringen hielt sich auf dem Dorf bis Anfang des 20. Jahrhunderts der Brauch, am Sonntag vor Walpurgis zum sogenannten Ramschelfest Bärlauch zu sammeln, zu essen und sich mit den Blüten zu schmücken. Ramschel, Ramser oder Rämsch sind alte Worte für Bärlauch, die sich auf das mittelhochdeutsche Wort Rams (althochdeutsch: ramsada) zurückführen lassen. In Deutschland erinnern so manche Ortsnamen noch daran: Ramsau, Ramsthal oder Ramsloh.

Auch die Römer sollen den wilden Knoblauch geschätzt haben. Sie nannten ihn „Herba salutaris“ (heilsames Kraut) und schrieben ihm magen- und blutreinigende Eigenschaften zu. Die Kelten in Wales hingegen sollen verschiedenen Quellen zufolge „wilden Lauch“ - also Bärlauch – vor jeder Schlacht verzehrt haben. Mythische Gründe? Oder wollte man den Feind mit Mundgeruch in die Flucht schlagen? Ein regelrechter Kult entwickelte sich um den Lauch: Noch heute steckt man sich am Nationalfeiertag von Wales, dem Saint David’s Day, Lauch an die Kleidung; es gibt Wettbewerbe im Lauch-Roh-Essen und im Wappen von Wales war einst der Lauch abgebildet, später dann die Narzisse, die denselben sprachlichen Ursprung hat: Lauch hieß „Cenhinen“, Narzisse „Cenhinen Pedr“. Ein altes englisches Sprichwort bringt auf den Punkt: Iss Lauch im März und Bärlauch im Mai, dann haben die Ärzte das ganze Jahr frei.

Doch auch in Europa blühte der Bärlauch-Kult. Der Schweizer „Kräuterpfarrer“ Johann Künzle (1857-1945) schrieb, wohl kein Kraut der Erde sei so wirksam zur Reinigung von Magen, Gedärmen und Blut. Die Verbreitung des Bärlauchs geht vermutlich auf Karl den Großen (747-814) zurück, der in seiner Landgüterverordnung befahl, dass in jedem Garten der kaiserlichen Güter Bärlauch anzupflanzen sei. Daran orientierten sich auch einfache Bauern. In mittelalterlichen Kräuterbüchern Europas wird Bärlauch gleich mehrfach erwähnt. Nur in den mittelalterlichen Klöstern soll man sich in Zurückhaltung geübt haben - galt doch Bärlauch als fruchtbarkeitsfördernd und anregend für die Sinnlichkeit.

Siegeszug in die Gourmetküche

Warum der Bärlauch trotzdem lange in Vergessenheit geriet und erst am Ende des 20. Jahrhunderts die Gourmetküchen im Sturm eroberte, ist schwer zu erklären. Mitterweile gibt es jedenfalls Bärlauch-Kochbücher, Bärlauch-Tabletten erobern den Nahrungsergänzungsmittel-Markt, manche Orte veranstalten Bärlauchfeste oder Wanderungen zur Bärlauch-Ernte. Der wilde Knoblauch trat einen einzigartigen Siegeszug durch die deutsche Küche an und wird Jahr für Jahr beliebter. Starköche und Restaurants kochen längst mit Bärlauch.

Doch was tun mit der selbstgesammelten Blätterpracht? Bärlauch soll man vor allem roh essen - alleine oder als Beigabe zu Quark, Blattsalaten, Bohnen- oder Kartoffelsalat. In einem luftigen Korb an kühler Stelle halten sich die Blätter einige Tage frisch, wenn man sie erst vor dem Verzehr wäscht. Haltbar machen kann man Bärlauch durch Einfrieren oder als Pesto. Für letzteres werden die zarten Blätter mit Olivenöl, Salz und Pfeffer püriert, man kann auch geriebenen Parmesan und Walnüsse beigeben. Getrocknet verliert Bärlauch stark an Aroma und Wirkung, als Tee ist er aus Geschmacksgründen ungeeignet. In Alkohol eingelegt bleiben die wertvollen ätherischen Öle zwar gut erhalten – doch Hand aufs Herz, das Ergebnis ist so scheußlich, dass man schon sehr krank sein muss, um diese Tinktur einzunehmen.

Tiefgekühlter Bärlauch hingegen eignet sich für Gerichte, bei denen die Blätter sowieso erhitzt werden. Doch am besten schmeckt er frisch. Hier ein paar Anregungen für Bärlauch-Blitzgerichte:

Bärlauch-Spaghetti: Die Blätter in grobe Streifen schneiden und mit etwas Olivenöl in der Pfanne anschwitzen. Ein Schuss Weißwein und ein Stück Blauschimmelkäse dazu, kräftig salzen und pfeffern und mit etwas Nudelkochwasser auf den Spaghetti anrichten.

Bärlauchomelett: Zwei Hände voll Bärlauch kleinschneiden und mit vier Eiern verquirlen, mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss würzen, nach Lust und Laune ein paar Mozzarellawürfel dazu – und ab in die Pfanne. In etwas Olivenöl sanft garen. Das Omelett soll noch saftig auf den Teller.

Bärlauchpizza: Geht superschnell mit libanesischem Fladenbrot, die Packung kann man im Gefrierfach halten und die Fladen einzeln gefroren entnehmen. Mit Tomatenpesto bestreichen, geriebenen Mozzarella draufstreuen, auf ein Backblech legen. Bärlauch, kleingeschnitten, mit etwas Olivenöl in der Pfanne anschwitzen, dann mit dünn geschnittenen Pilzen und kleinen Gorgongzola-Stücken auf den Fladen geben und backen, bis der Käse geschmolzen ist.

Bärlauch-Kartoffel-Moussaka: Bärlauch in der Pfanne mit etwas Olivenöl anschwitzen, einen Becher Schmand und getrockene Tomaten in Würfeln dazugeben, mit Muskatnuss, Salz und Pfeffer würzen. Gekochte Kartoffeln in Schreiben schneiden und abwechselnd mit der Bärlauchmasse in eine Auflaufform schichten. Zum Schluss geriebenen Räucherkäse drüberstreuen und backen, bis der Käse geschmolzen und oben knusprig ist.

Wer auch außerhalb der Saison auf Bärlauchgeschmack nicht verzichten will, kann Bärlauchöl zum Würzen von Suppen und Soßen ansetzen (für Salate ist es zu penetrant): Blätter in ein Einmachglas pressen, mit hochwertigem Olivenöl auffüllen und mehrere Wochen stehen lassen, dann durch ein Sieb drücken. Den Blättermatsch fressen übrigens Hunde gerne – das ist gut gegen Würmer.

Lust bekommen auf einen Start in den Bärlauch-Frühling? Bald ist es wieder so weit, wenn der Wald nach Knoblauch „duftet“!