Der Liftkönig vom Arlberg

Sportler, Erfinder, Unternehmer und Umweltexperte - alles für den Skitourismus

Manchmal wünscht sich Michael Manhart mehr Zeit für Sport oder seine Enkel – doch die Skigebiete bestimmen sein Leben.

Das Österreich-Tourismusbüro Bukarest gibt Pressevertretern die Eröffnung der Skisaison bekannt.
Fotos: die Verfasserin

Gemeinsame Tageskarten für alle Lifte eröffnen dem Kunden eine riesige Pistenlandschaft.

Anspruchsvolle Infrastruktur und eine intakte Umwelt sind das Erfolgsrezept des Skigebietes Lech am Arlberg.
Fotos: www.skiarlberg.at

72 Jahre ist er alt. „Ein Dinosaurier“, lacht Michael Manhart. Doch den Kopf hat er immer noch voller Ideen. In seinem vom Leben gegerbten Gesicht spiegeln sie sich alle: der kleine Junge, der schon immer gern knallte und ballerte; der ambitionierte Skirennfahrer mit Hoffnung auf eine Profi-Karriere; der risikofreudige Drachenflieger-Pionier; der Maschinenbaustudent, der Anfang der 70er Jahre seine erste Erfindung patentierte. Und nun der erfolgreiche Geschäftsmann, der sich ein Vermögen mit Liftbetrieben auf dem Arlberg erworben hat. „Die Skigebiete sind mein Leben“, gesteht er voll Inbrunst. „Im Winter habe ich keinen einzigen Tag frei.“

Michael Manhart ist die Überraschung, die das österreichische Tourismusbüro Bukarest auf seiner Eröffnungsveranstaltung der Skisaison präsentiert. „Fragen Sie mich ruhig – ich weiß alles!“ provoziert der korpulente Österreicher mit akzentreichem Englisch, während er sich visitenkartenverteilend zwischen den Tischen des Veranstaltungslokals durchzwängt. Die ersten Schneebilder von Tirol flimmern über die Leinwand, sollen Lust machen auf das größte Skigebiet der Alpenrepublik. Dann rückt Gabriele Lenger, die Leiterin des Büros, mit ihrem Landsmann als „Zuckerl“ für uns Journalisten heraus: Manhart ist nicht nur einer der Arlberger Skilift-Barone, nicht nur ein international bekannter Experte, was Seilbahnsicherheit und umweltfreundlichen Pistenbetrieb betrifft, sondern auch – ein begnadeter Erfinder!

Die druckluftbasierte Schneekanone, der ferngesteuerten Lawinen-Auslöser und viele andere technische Raffinessen rund um den Liftbetrieb entspringen seiner Feder, erfahre ich später von ihm. Wie wird man wohl Erfinder? Ein feines Lächeln umspielt seine Mundwinkel: „Ich hab als Junge schon gern geballert“, lacht er und motiviert damit seinen einstigen Traum, Lawinen per Knopfdruck vom Schlafzimmer aus abgehen zu lassen, ohne dabei sein Leben zu riskieren. Vom Großvater vorbelastet, der schon zur Nazizeit Skilifte gebaut hatte, war es nur natürlich, dass sich auch der junge Michael, damals frischgebackener Maschinenbauingenieur, seine Herausforderungen in der Branche des Familienbetriebs suchte.

Umweltexperte aus Notwendigkeit

Heute nennt Manhart vier Seilbahn-Betriebe im Tiroler Skigebiet Lech am Arlberg sein eigen, die ihm ein beachtliches Vermögen eingebracht haben. Darüberhinaus betreibt er eine Firma, die sich mit Langzeitstudien über die Auswirkungen des Skibetriebs auf die Umwelt befasst. „Schon mein Großvater hätte nie einen Baum gefällt, um einen Lift zu bauen“, motiviert er dieses Interesse. Dennoch hat Michael Manhart viel aus den vergangenen Fehlern in Österreich gelernt. „Früher zerstörten wir mit Pistenraupen die Natur. Skipisten zerschnitten die Landschaft wie ein Messer“, erzählt er. Vor allem die Vegetation hat gelitten.

Man sah im Sommer genau, wo im Winter die Pisten entlangführten. Heute macht man das anders, erklärt der längst zum Umweltexperten avancierte Unternehmer: Man trägt die oberste Erdschicht ab, pflügt dann die Piste passend zur Landschaft, fügt die Erde wieder hinzu und pflanzt die Originalvegetation entlang der Piste zurück. „Wir haben sogar Samen der lokalen Pflanzen gezüchtet. Ein extrem teures Verfahren – 35 Euro pro Kilogramm – doch es lohnt sich, denn man braucht nur wenig und vor allem keinen Kunstdünger. Nichtmal ein Experte erkennt den Unterschied!“ frohlockt der Unternehmer. Dank solch schonender Pistenwirtschaft freuen sich nicht nur die Skifahrer über ungetrübten Landschaftsgenuss. Lech am Arlberg ist heute auch ein beliebtes Sommererholungsgebiet.

An seinen Erfahrungen lässt Michael Manhart andere gerne teilhaben. Seine Zucht schottischer Hochlandrinder, die die Hänge so beweiden, dass die Lawinengefahr minimiert wird, ist ein Musterbeispiel für die Bauern in der Region. „Auch Landwirtschaft und Naturschutz passen zusammen“, erklärt er. Darüber hinaus war Manhart lange Jahre Chef der Umweltabteilung des österreichischen Fachverbandes für Seilbahnen, aber auch des weltweiten Seilbahnverbands. Als Leiter der Pistenkommission, die aus Fachleuten und Praxiserfahrenen wie ihm bestand, organisierte er Meetings, in denen umweltfreundliches Pistenmanagement vermittelt wurde. Die Kommission kam aber auch ungefragt zum Lokalaugenschein, kritisierte und erteilte Ratschläge, die zwar nicht rechtlich bindend waren, doch in der Regel befolgt wurden, um geschäftsschädigende negative Presse zu vermeiden.

Gemeinsam stark – und wettbewerbsfähig

Der ungewöhnliche Gemeinschaftssinn des Geschäftsmannes kommt nicht von ungefähr. Schon Michaels Mutter Adelheid Schneider hatte sich in der Arlbergregion in beispielhafter Weise für eine gemeinsame Preisstrategie unter den verschiedenen Liftbetreibern eingesetzt – mit Erfolg. „140 Meetings hat sie dafür gebraucht“, bewundert der Sohn ihre Hartnäckigkeit. Er selbst hatte sich damals für die Kalkulation des Gewinnanteils für jeden Beteiligten erboten, errechnet aus Länge und Steigungsgrad der Pisten sowie aus dem über ganz Österreich gemittelten Liftpreis. „Nachdem gemeinsame Tagestickets eingeführt wurden, ging der Gewinn für alle rasant nach oben“, strahlt der Unternehmer und legt die Strategie, in Österreich längst gang und gäbe, auch den Rumänen wärmstens ans Herz. „Sie werden sehen, es lohnt sich - langfristig geht es gar nicht anders.“ Dank Adelheid Schneider bilden die zusammenhängenden Pisten der Lech-Arlberg-Region heute eines der größten Skigebiete Österreichs. „Wir brauchen nur noch eine Seilbahn, die Schröcken mit Sankt Anton verbindet, dann sind wir Nummer Eins“ freut sich Manhart.

Doch zur erfolgreichen Vermarktung gehört auch das Wissen um seine Grenzen: 14.000 Tageskarten für 32 Lifte werden derzeit im Skigebiet Lech verkauft, 40.000 in ganz Lech-Zürs, für insgesamt 47 Lifte. „Nicht mehr“, insistiert Michael Manhart. „Manchmal sagen wir den Leuten schon morgens an der Straße, fahrt nicht rauf, die Tagespässe sind ausverkauft – das ist hart, aber es funktioniert gut.“ So dirigiert man die Kunden in ein weniger ausgelastetes Gebiet um und erspart ihnen den Frust überlaufener Pisten.

Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben und die Preise klein halten zu können, sollen in Kürze alle vier Seilbahnbetriebe in Lech in einem einzigen Unternehmen vereint werden, so Manhart. Schon jetzt verwaltet man den Sprit für die Dienstfahrzeuge gemeinsam, aber jede hat noch einen eigenen Direktor und eigene Büros. Eine gemeinsame Infrastruktur soll weitere Einsparungen bringen.

Der kalkulierte Risikomensch

Sein Erfolg macht neugierig. Nicht nur auf das Rezept, sondern vor allem auf den Menschen, der dahinter steht. Wer ist Michael Manhart? Wie lautet seine Lebensphilosophie? Wovon hat er als kleiner Junge geträumt? „Ich liebte schon immer das Risiko – aber ein kalkuliertes“ gesteht der heutige Geschäftsmann. Sport. Schnelle Autos. Als begeisterter ud talentierter Skirennfahrer musste er sich in jungen Jahren entscheiden: Mitglied der Nationalmannschaft werden, oder lieber studieren? „Ich entschied mich für das Studium, denn Nationalmannschaft bedeutet nicht automatisch, dass man auch zum Gewinner wird. Das entscheidet sich oft erst nach vielen Jahren. Es schien mir sicherer, der geschäftlichen Schiene zu folgen“, gesteht Michael Manhart.

Vom Sport konnte er trotzdem nicht lassen. Nachdem er als leidenschaftlicher Skispringer das Gefühl des Fliegens gekostet hatte, träumte er davon, frei durch die Lüfte zu schweben. Als er sich in Kanada dann zum ersten Mal mit einem Flugdrachen konfrontiert sah, war es um ihn geschenen: Mit zwei Delta-Wings im Gepäck kehrte er nach Österreich zurück - und wurde der erste lizenzierte Drachenflieger der Alpenrepublik. „Ich flog Slalom zwischen den Bäumen“, lacht er und ergänzt: „Später wurde ich Mitglied der österreichischen Flugunfallkommission. Nach jedem Crash eines Drachens musste ich die Ursache herausfinden.“ Er hat sie stets erfolgreich ermittelt und dabei enorm viel gelernt, um eigene Fehler zu vermeiden. Nur deswegen sei er noch am Leben, bekennt der risikofreudige Abenteurer. Gerne erinnert er sich an seine Ankunft aus Kanada zurück: „Meine Mutter holte mich vom Flughafen ab und fragte, was das für ein merkwürdiges Gepäck sei. Als ich es ihr erklärte, meinte sie bloß: Du bist doch total verrückt!“

Es gibt eine weitere, wichtige Eigenschaft, die Michael Manhart auszeichnet: Fairness und Verlieren können. Seine erste Erfindung,  eine Fräse für Pistenraupen, die aus Eisplatten wieder Schnee macht, ist heute überall Standard. Doch ihm war es damals nicht gelungen, einen  Hersteller zu finden, bevor das Patent auslief. Kurz darauf produzierte sie ein anderer.  „Völlig legal“, betont Manhart ohne jeden Anflug von Bitterkeit.
Geben und Nehmen. Leben und Leben lassen. Seine Außenwelt ist der Spiegel für diese innere Philosophie.