Der orthodoxen Neigung zu Nationalismus kirchengeschichtlich nachgespürt

Ein beherzter Forscher, der auch Kommunistisches nicht von der Kritik ausspart

Rumäniens intellektuelle Rechte war für den Faschismus sehr empfänglich. Auch Dr. Ionuț-Florin Biliuță aus Neumarkt, ein Forscher der Rumänischen Akademie, macht kein Geheimnis daraus. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Theologe ist Dr. Ionuț-Florin Biuliuță nicht, aber dafür ein sehr streitbarer Historiker und Stellvertreter einer postrevolutionären Generation von Akademikern, der sich in der spannend-pikanten Geschichte der Orthodoxen Kirche Rumäniens (BOR) im 20. Jahrhundert wie kaum ein zweiter Intellektueller der Branche auskennt. Pilgerstätten sind ihm die Archive im gesamten Land und sein Steckenpferd die Verstrickungen der BOR mit dem faschistisch populären Redeton der nationalen Zwischenkriegszeit. Über dieses berührungsempfindliche Thema hat der einnehmende Forscher des Geisteswissenschaftlichen und nach Gheorghe Șincai (1754-1816) benannten Tochterinstituts der Rumänischen Akademie in Neumarkt/Târgu Mureș an der Zentraleuropäischen Universität Budapest (CEU) promoviert. Zehn Jahre ist das her. „Alle Kirchen waren geheimpolizeilich durchsetzt!“, unterstrich Dr. Ionuț-Florin Biliuță Donnerstagnachmittag, am 4. Mai 2023, zu Anfang seines Vortrags im Kultur- und Begegnungszentrum der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) für die aus dem westeuropäisch-deutschen Sprachraum stammenden Studierenden des Ökumene-Semesters an der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt/Sibiu (ULBS). Wo er das national-kirchliche Sündenregister Rumäniens betreffend die zwei Jahrzehnte zwischen dem Ende des Ersten und Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beispielhaft auf Herz und Nieren geprüft hat, nimmt es auch nicht wunder, dass die kommunistische Geschichte der BOR ihm ebenso geläufig ist. Genau wegen ihr hatte Priester Dr. Alexandru Ioniță, Studienleiter des besagten Ökumene-Semesters, Dr. Biliuță nach Hermannstadt eingeladen. Der Gast aus Neumarkt legte denn auch sofort packend los, nachdem er die Fälle Veronica Gurău und Nil Dorobanțu knapp vorgestellt und den Fakt angesprochen hatte, dass ehemalige Legionäre wie Sympathisanten derselben Legionärs-Bewegung auch nach dem Zweiten Weltkrieg ungebrochen im Untergrund der BOR weiterwirkten. Entgegen des Umstands, dass „die BOR zur Institution transformiert wurde und ihre geistliche Gestalt verlor“.

Doch genau jener für Rumäniens größte Kirche schwerwiegende Verlust bereitete vielen hartnäckigen Widerstandskämpfern unter den orthodoxen Klerikern, die der kommunistischen Macht zwar ohne Gewalt, aber mit gutem Draht zur einfachen Bevölkerung vor allem im Ruralen begegneten, den Nährboden für eine Fortführung des nationalistischen Werbens im Aufmerksamkeits-Schatten der ominösen Securitate. „Die meisten Kleriker verstanden es nicht, als Boten Gottes aufzutreten“, meinte rückwirkend Forscher Dr. Ionuț-Florin Biliuță in Hermannstadt. Einige jedoch, die es taten, spielten „den Drang nach Wunder in einer unterentwickelten Gesellschaft“ recht manipulierend aus, wozu die flächendeckend weit verbreitete Armut der mehrheitlich orthodoxen Bevölkerung Rumäniens nach Kriegsende ihr Übriges beitrug. Das der Kontext, vor dem völkische Massenphänomene, die während der Zwischenkriegszeit von Orten wie Maglavit oder Vladimirești ausgingen und noch geraume Jahre später trotz kommunistischer Diktatur Anhänger verzeichneten, zu verstehen sind. An den meist verklärend stilisierten Biografien von Persönlichkeiten wie Priestermönch Nil Dorobanțu (1920-1977) und Äbtissin Veronica Gurău (1922-2005) könne sich offen deuten lassen, dass die Securitate es nicht vermochte, das völkisch bedingt Religiöse, das in einigen Fällen zum Faschismus mutiert war, postwendend wieder ganz von ihm ausheilen zu lassen. Schwierigst auch für Patriarch Justinian Marina, den ersten Obervorsteher der BOR zur Nachkriegszeit.

Nachvollziehbar auch die deutliche Zurückhaltung eines redlichen Binnenlagers der BOR, Priester Ioan Iovan (1922-2008) in das Bild des kanonischen Ehrengedächtnis-Kults aufschließen zu lassen, da er vor dem Zweiten Weltkrieg die studentische Anhängerschaft der Legionärs-Bewegung in Klausenburg/Cluj geleitet hatte. „Es wäre Fassade für anderes, ihn zu rehabilitieren“, motiviert Forscher Dr. Biliuță. In der BOR gehe immer noch die „Angst“ um, bedenklich verselbstständigte Massenbewegungen älterer Zeiten wie jene um das 1955 aufgelöste und 1990 wiedereröffnete Kloster Vladimirești erneut mitansehen zu müssen.