Der Teufelskreis muss durchbrochen werden

UNICEF veröffentlichte Studie zum Thema Gewalt an Kindern

Vergangenen Monat veröffentlichte das Weltkinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) die Studie „Hidden in Plain Sight“. Sie beinhaltet die größte Datensammlung über Gewalt gegen Kinder weltweit. Daten aus 190 Ländern mit schockierenden Ergebnissen: Sechs von 10 Kindern im Alter von 2 bis 14 Jahren werden regelmäßig mit Gewalt bestraft. Das gewalttätige Disziplinieren von Kindern durch verbale Aggression findet allein in Rumänien in 54 Prozent der Familien statt, in 11 Prozent der Fälle sogar mit physischer Gewalt. Im Jahr 2011 wurden in Rumänien 11.000 Fälle von Gewalt gemeldet.

Die Dunkelziffer dürfte um einiges höher sein. „Gewalt gegen Kinder tritt täglich auf. Überall: Die Ohrfeige eines enttäuschten Elternteils, um das ungezogene Kind unter Kontrolle zu bekommen, sexuelle Belästigung von Teenagern durch Gleichaltrige oder Mobbing auf dem Schulhof“, so Jeffrey O’Malley, Leiter der Studie von UNICEF. Der erste Schritt, um das Problem zu behandeln, ist, es ans Tageslicht zu bringen. Denn leider ist in nur acht Prozent aller Länder das Ausüben von Gewalt gesetzlich verboten.

Der Grund dafür ist häufig, dass gewalttätige Maßnahmen zur Erziehung zum Teil gesellschaftlich akzeptiert sind und nicht als Misshandlung wahrgenommen werden. In vielen Fällen werden diese Methoden von Eltern genutzt, die wütend und frustriert sind oder nicht wissen, wie sie gewaltfrei reagieren können. Vor allem verbale Gewalt, wie Drohungen, Einschüchterungen, Spott, Schuld, Erniedrigung, Liebesentzug oder emotionale Manipulation werden nicht als solche wahrgenommen. Studien zeigen jedoch die Konsequenzen dieser Erziehungsmethoden auf: Neben Entwicklungsstörungen, schlechten Leistungen in der Schule, geringerem akademischem Erfolg, einem niedrigen Selbstwertgefühl und Depression ist ein weiterer Faktor, dass dieses Verhalten akzeptiert und adaptiert wird. So sind Kinder, die wiederholt einer gewalttätigen Erziehung ausgesetzt werden, häufiger ablehnend, aggressiv und unbeliebter unter Gleichaltrigen. In Rumänien sind 60 Prozent der 11 bis 15-Jährigen innerhalb eines Monats in Mobbing-Fälle verwickelt gewesen. Ein Teufelskreis entsteht.

Die Frage ist, wie der Glaube entsteht, dass diese Art von Erziehung erfolgreich sein kann. Ist es nicht logische Konsequenz, dass ein Kind keinen Spaß an Bildung hat, wenn es für schlechte Noten bestraft wird? Druck und Angst dominieren dann sein Bild. Und die Angst allein ist der Grund für Gehorsam, nicht aber weil das Kind versteht, weshalb es bestimmte Verhaltensweisen annehmen soll. Wäre es nicht besser, einem Kind verständlich zu machen, dass es sein Gemüse aus gesundheitlichen Gründen essen sollte, als es zu essen, weil Mama sonst schreit? Kennen wir es nicht auch als Erwachsene, dass man Aufgaben mit weniger Motivation erledigt, wenn der Chef cholerisch ist? Und ist es nicht bekannt, dass die meisten Kriminellen auf eine gewalttätige Kindheit zurückblicken? Wie soll ein Kind als Erwachsener einen respektvollen, gar liebevollen Umgang mit seinen Mitmenschen finden, wenn es diesen nie gelernt hat?

Im Grunde reichen einige rationale Gedankengänge, um zu verstehen, dass Gewalt zu nichts Gutem führt. Deshalb ist es umso wichtiger, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln.

UNICEF stellt sechs Strategien auf, um den Teufelskreis zu durchbrechen. Dazu zählt unter anderem Aufklärungsarbeit, die Unterstützung sowohl von Eltern als auch von Kindern sowie eine gesetzliche Grundlage. In Rumänien soll mit Hilfe einer dreijährigen Kampagne in Kooperation mit dem Ministerium für Arbeit, Familie und Sozialschutz auf die Missstände aufmerksam gemacht werden. Auf lokaler Ebene soll mit Sozialarbeitern zusammengearbeitet werden. Zudem werden Modelle entwickelt und getestet, die helfen, Gewalt zu identifizieren und zu melden. UNICEF-Vertreterin in Rumänien Sandie Blanchet äußerte sich wie folgt: „Gewalt ist ein komplexes Phänomen, das Kinder stark prägt. Deshalb ist es wichtig, sie zu vermeiden. Eltern müssen auf die Nachwirkungen von Gewalt aufmerksam gemacht werden.”