Desinformation in Rumänien:  Corona und die „feindliche Ukraine“

Ciprian Cucu berichtet für die Konrad-Adenauer-Stiftung über Desinformation in rumänischen Medien

„Blurring the Truth: Disinformation in Southeast Europe“. Herausgegeben 2023 von der Konrad Adenauer-Stiftung, editiert von Dr. Christopher Nehring und Hendrik Sittig, ISBN: 978-3-98574-110-6. Autoren und Autorinnen: Christopher Nehring; Patrick Gensing; Gordan Akrap; Marina Tuneva; Ciprian Cucu; Rrapo Zguri; Lejla Turcilo; Dren Gërguri; Elena Marzac; Nataša Ružic; Stefan Janjic; Ruslan Stefanov / Boryana Velcheva / Goran Georgiev

Medien, Privatpersonen im Internet und Politiker haben in den vergangenen fünf Jahren  versucht, vom Schlachtruf „Fake News“ zu profitieren  Doch bei diesem Begriff fangen bereits die Probleme an, berichtet Ciprian Cucu in einer Studie für die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Diese heißt: „Blurring the truth – Disinformation in southeast europe“ (Verschleierung der Wahrheit – Disinformationen in Südosteuropa), wobei er sich in seinem Beitrag mit Rumänien beschäftigt.  Cucu hat in Bildungstechnologien promoviert und arbeitet an intelligenten Tutorensystemen. Das sind computerbasierte Tutoren, die menschliches Verhalten nachahmen. Seit 2008 ist er in der Informatik-Abteilung der Universität „1. Dezember 1918“ in Alba Iulia tätig. 2017 war er Mitbegründer des Forum Apulum, einer NGO, die sich der Förderung der politischen Bildung und des kritischen Denkens verschrieben hat.

Von „Fake News“ zu „Știri false“

Aber warum ist der Begriff „fake news“ gefährlich? Das Problem laut Cucu ist, dass er uneindeutig ist. „Fake News“ werden alle falsche Nachrichten benannt, aber es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen fehlerhafter Berichterstattung – bei der unbeabsichtigt Fehler gemacht werden – oder falscher Berichterstattung, den richtigen „Fake News“ – bei denen absichtlich gelogen wird. 

Dazu wird der Begriff regelmäßig, unter anderem von Politikern, missbraucht, um die Gegenseite zu diskreditieren. Dafür führt er ein paar Beispiele an: „Im März 2019 hat Dan Nica, der führende rumänische Europaabgeordnete, einen offenen Brief an den damaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments Antonio Tajani  geschickt und sich über von Frank Engel (aus Luxemburg) verbreitete ‘Fake News’ beschwert. Im Januar 2021 hat Florin Cî]u (Premierminister zu der Zeit) veröffentlicht, dass einige Kommentare der Opposition ‘Fake News’ seien“. 

Mittlerweile werden jedoch in mehreren Medienhäusern, wie Cucu lobt, andere Begriffe verwendet. Zum einen „{tiri false“, – die direkte rumänische Übersetzung von „Falschen Nachrichten“ – sowie „Dezinformare“ (Desinformation) und manchmal sogar das noch präzisere Wort: „narativ²“ (Narrativ), welches deutlich macht, dass sich hinter den fälschlichen Artikeln oft ein bestimmtes Narrativ versteckt.

„Desinformation“ schreien – und selbst verbreiten

Jedoch nicht jedes Medienhaus scheint sich daran zu halten. „Es gibt zwei Hauptfernsehsender, die konstant Fehlinformation, Desinformation und Propaganda in den Fokus gerückt haben: RomaniaTV und Antena3“, erklärt er in der Studie. 

Das ist insbesondere ein Problem, weil laut einer weiteren Studie des Europäischen Parlaments (EP) und des Reuthers Institut Menschen in Rumänien dem Radio und dem Fernsehen mehr vertrauen als anderen Medien, wie Cucu berichtet. Außerdem haben die beiden Sender die größte Reichweite im Land und vergrößern sich konstant. Unter anderem haben sie auch „die aktiveren und populäreren ‘Disinformation-Influencer’ unter Vertrag genommen“, berichtet der KAS-Artikel.

Daneben finden sich die meisten Falschinformationen in den Sozialen Netzwerken, in Rumänien vor allem auf Facebook, welches am meisten benutzt wird. Dabei habe sich herausgestellt, dass diese Accounts nicht von Bots geführt werden, sondern zentral von Privatpersonen genutzt werden, so Cucu. 

Dies gehe so weit, dass es eben die bereits benannten „Fehlinformation-Influencer“ gibt – deren Hauptbeschäftigung auf Facebook daraus besteht, {tiri false (Falschnachrichten) zu verbreiten.

Russland als Freund und die Ukraine als Feind?

Doch um wasdrehen sich diese „false news“ in Rumänien hauptsächlich? Zentral ist insbesondere eine Theorie, welche er „sovereignism“ (Souveränismus) nennt. Dies sei: „eine reaktionäre Bewegung, die Brücken zu Populismus und Nationalismus schlägt und die darauf abzielt, dem Nationalstaat ‘die Kontrolle zurückzubringen’, und speziell den ‘einfachen Bürgern’. 

Diese antiwestlichen und antiglobalistischen falschen Erzählungen haben in den letzten Jahren zugenommen. ‘Rumänien, eine Kolonie der EU und des Westens’ ist ihre Haupterzählung, aber sie verbreiten außerdem häufig Verschwörungs-theorien, die die Existenz einer verborgenen globalen Elite behaupten, welche die Weltbevölkerung dezimieren möchte oder vorhat, die Kontrolle über die Menschen zu übernehmen.

Beispiele dazu wären die ‘Neue Weltordnung’, der ‘Große Reset’ und die ‘Agenda 21/2030’ Theorie.“ Genau diese Theorie schlägt eine Verbindung zu Russland, beziehungsweise zum Angriffskrieg gegen die Ukraine – und das, obwohl viele Rumänien laut einer Studie aus historischen Gründen eine Antipathie gegen Russland hegen, welches in der Geschichte oft eine Gefahr für Rumänien dargestellt hat. 

Viele dieser Theorien orientieren sich laut Cucu an russischer Propaganda, und die Verbeiter der Theorie – namentlich unter anderem „Calin Georgescu, Senatorin Diana [o{oac² und Erzbischof   Teodosie sowie die Journalisten und Influencer Iulian Capsali, Oana Lovin, Dan Chitic oder Iosefina Pascal“ – bewerben teilweise auch den russischen staatlichen Propagandasender „Sputnik“.

Dazu möchten einige Souveränisten außerdem die Ukraine als Feindbild in Rumänien aufbauen. Zum einen werde die Russische Propaganda übernommen, dass die Ukraine immer ein Teil Russlands gewesen oder in Kiew Nazis an der Macht seien. Auf der anderen Seite wird die Ukraine als „feindlich“ gegenüber Rumänien aufgebaut. Dafür gibt es zwei Begründungen: „Die erste betrifft die Regionen Budjak, Hertsa und die nördliche Hälfte der Bukowina. Diese Regionen gehörten zeitweise zu Rumänien, wurden aber von der UdSSR besetzt und 1944 von der (sowjetischen) Ukraine annektiert. 

Die Erzählung gibt der modernen Ukraine die Schuld dafür, diese Gebiete nicht zurückzugeben. Der zweite Punkt konzentrierte sich auf Beschränkungen für den Gebrauch des Rumänischen in der ukrainischen Öffentlichkeit, Verwaltung und Bildung. 

Diese Gesetze – verabschiedet, um das Wissen der ukrainischen Sprache zu stärken und zur Begrenzung des russischen Einflusses in der Ukraine – werden zu Recht kritisiert, konzentrieren sich aber nicht besonders auf die rumänische Minderheit, wie die Propaganda jedoch behauptet“, schreibt Cucu.

Corona von Eliten erfunden zwecks Chip-Impfung?

Doch nicht nur der Krieg bietet Nährboden für Desinformation. Der Bericht deutet auf viele Felder – unter anderem die ethnischen Spannungen zwischen der ungarischen Minderheit und der Rumänischen Bevölkerung in Siebenbürgen/Transsylvanien – in welcher immer wieder verschiedene Interessensgruppen Desinformation verbreiten. 

Daneben ist jedoch meistens die groß gefasste Gruppe der Souveränisten für „Fake News“ verantwortlich. Dabei gibt es auch die „Deep State“-Theorie (innerer Staat), welche behauptet, dass es einen verschleierten Staat von Funktionären, Richtern, Politikern gäbe, welche im geheimen den rumänischen Staat lenkten. 

Insbesondere beim Thema „Corona“ gibt es außerdem zahlreiche Desinformationen, berichtet Cucu in seinem Text. Dabei sind diese nicht nur lokal aus Rumänien, „sondern diese zirkulieren global und werden nur übersetzt/adaptiert.“ 

Die populärsten darunter sind sicherlich: „Corona ist nur eine Grippe“ und „Corona gibt es gar nicht“. Lokale Theorien wären laut Cucu, dass die Corona-Einschränkungen bei religiösen Aktivitäten dafür da seien, gezielt „die nationale Identität zu zerstören“, oder dass der Lockdown nur verhängt wurde, damit ausländische Firmen illegal Holz aus Rumäniens Wäldern schlagen könnten. 

„Beobachtungen von Glauben an Verschwörungstheorien rund um die COVID-Pandemie zeigen auf, dass über 65 Prozent der Rumänen glauben, dass die Pandemie von globalen Eliten ausgelöst wurde, die versuchen, die Kontrolle über die Welt zu übernehmen. Auch fast 30 Prozent glauben da-ran, dass ein globaler Plan im Gange sei, bei dem Menschen durch Impfung Chips implantiert werden“, berichtet Cucu.

Demokratische Gratwanderung bei Gegenmaßnahmen

Das Problem bei der ganzen Thematik ist, dass laut Cucu „das rumänische Recht wenig zu sagen hat bei Fehlinformationen“. Zwar kann man Personen wegen Verleumdung anzeigen, was zur Löschung der Inhalte führen könnte, jedoch ist dies ein langer und komplizierter Weg.  

Jedoch, wie er auch anmerkt, ist jedes Gesetz zu Falschinformationen – beziehungsweise „Fake News“ – kompliziert, weil es die freie Meinungsäußerung nicht angreifen darf – und Regierungen keine Möglichkeit geben darf, ein solches Gesetz ausnutzen zu können. Eine Zwickmühle zwischen nicht strafbaren, obwohl bewusst verbreiteten falschen Narrativen, welche oftmals aus eigener Profilierung heraus erzählt werden, und dem allgemeinen Recht eines jeden Menschen in einer Demokratie, seine bzw. ihre Meinung frei zu äußern. 
So führt die Entwicklung laut Cucu dazu, dass „der Informationsraum in Rumänien in den letzten fünf Jahren chaotisch und verwirrend gewachsen ist. Vor allem unter dem Druck von Medien, Organisationen und Influencern, die falsche Erzählungen intensiv fördern und politische Propaganda bis hin zu Desinformationskampagnen und wilden Verschwörungstheorien verbreiten.“ 

Alles in allem weise laut Autor Cucu „diese Entwicklungen auf den Hauptkonflikt im postkommunistischen Rumänien hin: Die Auseinandersetzung zwischen einer westlich orientierten, liberal gesinnten Zivilgesellschaft und einer autoritären, traditionalistischen Denkweise, die von einigen Unternehmen und der Politik geteilt wird, von denen viele aus den Reihen der ehemaligen kommunistischen Machtstrukturen aufgestiegen sind.“