Deutsche Planung

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Weil uns in Kürze ein Familienfest ins Haus steht, bei dem auch Gäste aus Deutschland erwartet werden, bekommt mein Mann, je näher das Ereignis rückt, gelegentlich einen nervösen Hektik-Anfall. Noch so viel zu erledigen, und so wenig Zeit! Letzten Samstag – wir hatten mal wieder zu lange geschlafen  -  saßen wir uns morgens beim Kaffee gegenüber und dachten an all das, was noch zu erledigen sei. „Schau mal, ich plane meinen Tag, damit ich den Überblick bewahre“ belehrte ich ihn und griff mir eifrig ein Stück Papier. Darauf kritzelte ich: Koffer von der letzten Reise versorgen, Wäsche, Gästezimmer entrümpeln, saugen, Betten überziehen und vieles mehr. Eifrig machte ich mich ans Tageswerk, während er sich noch mit sorgenvollem Blick, aber dennoch gemütlich, einen zweiten Kaffee aufbrühte. Ich sause schnell ins Bad – aber o weh! Da steht ja noch der Äpfelsack, der verarbeitet werden will! Na, das hat jetzt Priotität, sonst werden sie schlecht.

 

Drei Stunden später liegt das Obst säuberlich geschnitten in Plastiktonnen für den Apfelmost. So, jetzt aber an die Liste.... Was suchen denn noch die Haferflocken auf dem Tisch? Zack, in den Lebensmittelschrank gepfeffert. Drei silberne Motten tänzeln mir lustig entgegen. Mist, wo kommen die denn her? Die Ursachenforschung dauert eine Weile, dann fliegt ein Päckchen „Mamaliga“ in den Müll, das die Schwiegermama postwendend wieder rauskramt. „Was willst du denn damit?“ ruft ihr mein Mann entnervt hinterher.  Sie presst das Päckchen fest an die Brust und meint: „Das koch ich wenigstens für die Hunde!“ Ich streife Gummihandschuhe über ...  und nur zwei Stunden später duftet der Schrank lieblich nach insektenabschreckendem Lavendelöl. Alles ist nun säuberlich in Gläschen und Deckelbehältnisse abgefüllt. Eigentlich kann man jetzt auch gleich die Speisekammer saubermachen.

 

Während die Lebensmittelkörbe, Töpfe und Schüsseln in der Sonne trocknen, ernte ich noch rasch die Basilikumstauden ab und denke mit einem leichten Anflug von Panik an meine Liste. Da bringt die „Mama“ freudestrahlend eine Schüssel entkernter Zwetschken! Die kann man bei der Hitze auch nicht stehen lassen. Auf dem Weg vom Garten in die Küche kommt mir mein Mann fröhlich pfeifend mit einem Hammer in der Hand entgegen. „Willst du nicht noch ein paar Blutegel ansetzen?“ schlägt er mir vor, „wer weiß, wie lange die im Glas überleben und wenn Besuch da ist, passt es sicher nicht.“ Nach der Zwetschkenmarmelade brauch ich tatsächlich eine Pause und lasse mir von ihm die Tierchen ans Bein heften. Mit Tupfer und Leukoplast verklebt er die blutenden Bisswunden. Nun aber endlich an die Liste! Während er fröhlich pfeifend unser Abendessen grillt, wechsle ich dreimal den Verband, wische die Blutspur vom Küchenboden, wickle eine Mullbinde ganz fest um die Wade – Himmel, wie spät es ist! Mit dem Hund muss ich auch noch raushumpeln. Draußen duftet es verführerisch nach Fisch.

 

Der Mond steht schon hoch am Himmel, als wir uns endlich bei einem Glas Wein gegenübersitzen. „Und, was hast du heute geschafft?“, will ich wissen und stöhne über meinen Rücken. „Ich war heute sehr operativ“, freut sich mein Mann und zählt lauter Dinge auf, die zwar nützlich sind, doch mit dem bevorstehenden Besuch hat keins davon zu tun. Die Freude will ich ihm dennoch nicht verderben. Sein nächster Hektik-Anfall kommt früh genug. „Und du?“  will er von mir wissen. „Ach...“ seufze ich ergeben, „mein Tag war leider ein totaler Misserfolg. Von all den Punkten auf der Liste hab ich keinen einzigen geschafft!“
Ja, so ist das mit der deutschen Planung... Aber immerhin hab ich nun schon eine fertige Arbeitsliste für den nächsten Tag.