Die BOR und die Politik

Anzeichen für eine vorsichtige Distanzierung der Rumänischen Orthodoxen Kirche (BOR) von Moskau

Ein Paradoxon: Die Lawra, das höchstrangige Kloster der ukrainischen Orthodoxie, das mitten in Kiew steht, ist ein Kloster, das dem moskautreuen Flügel der Ukrainischen Orthodoxen Kirche gehört. Die repräsentativste Kathedrale auf dem weitläufigen Klostergelände – das auf Einsiedler knapp nach der Wende zum zweiten Jahrtausend zurückgeht, die hier in Höhlen am Hochufer des Dnepr eine erste Klostergemeinschaft gründeten – die 1073 erbaute Himmelfahrts- bzw. Uspenskij-Kathedrale, wurde von den deutschen Besatzern im Zweiten Weltkrieg gesprengt und 1998-2000 von der souveränen Ukraine wiederaufgebaut.
Fotos: Wikimedia Commons

Uspenskij-Kathedrale

Die Invasion Russlands in der Ukraine sei „ein Krieg, den Russland vom Zaun gebrochen hat gegen einen souveränen und unabhängigen Staat”. „Die militärischen Gewalttätigkeiten dieses Krieges” sollten nicht auch noch „durch verbale Gewalttätigkeiten, durch Verleumdungen und durch persönliche Angriffe potenziert werden”. Man verstehe: Auch von Kirchenoberhäuptern nicht. Und es wird appelliert an die orthodoxen Gläubigen, „mit Gebeten für Frieden und mit karitativen Gesten” zu einer Beruhigung der Atmosphäre und zum Frieden beizutragen.

Die Invasion Russlands in der Ukraine sei „ein Krieg, den Russland vom Zaun gebrochen hat gegen einen souveränen und unabhängigen Staat”. „Die militärischen Gewalttätigkeiten dieses Krieges” sollten nicht auch noch „durch verbale Gewalttätigkeiten, durch Verleumdungen und durch persönliche Angriffe potenziert werden”. Man verstehe: Auch von Kirchenoberhäuptern nicht. Und es wird appelliert an die orthodoxen Gläubigen, „mit Gebeten für Frieden und mit karitativen Gesten” zu einer Beruhigung der Atmosphäre und zum Frieden beizutragen.

So eindeutig hat die Orthodoxe Kirche Rumäniens (BOR) kaum je Stellung bezogen zu internationalen Problemen, die eine Welt bannen und sie selbst direkt und stark einbinden. Bloß der Funke zu einem Weltbrand fehlt noch. Die Postierung des Sprechers der BOR ist bemerkenswert, ist als Haltung der BOR zum „Dritten Rom” Moskau, gemessen am „Zweiten Rom” Konstantinopel (dem Sitz des ökumenischen Patriarchen, dem autoritätsleeren „Papst” der Ostkirche), und der Haltung zum „Ersten Rom” der „papista{i” - orthodox verächtlich für Papstanhänger - radikal eine andere.

Die Stellungnahme vom 7. März erklärt das starke Engagement der rumänischen orthodoxen Klöster in der Frage der ukrainischen Flüchtlingsströme – immerhin sind auch sie mehrheitlich orthodoxe Brüder und Schwestern. Sie erklärt die Zur-Verfügung-Stellung der Unterkunftsmöglichkeiten für Laien, die es in Klöstern dank Staatshilfe gibt. Gastfreundschaft aus Gehorsam?

Kehrtwende oder Blickwechsel?

Doch ist die Postierung eindeutig eine Kehrtwende in der Politik der BOR? Es geht bei dieser Frage auch um das Kommuniqué des Patriarchen Daniel zur Pandemie, in dem er – nach überlangem Zögern – sich für das Impfen ausspricht und seine „Soldaten“, die Priesterschaft, väterlich-streng dazu ermuntert. Aber auch – vielleicht in erster Linie – um das Kommuniqué nach den rechtsextremistischen Ausfällen der Allianz für die Einheit aller Rumänen (AUR): um die Distanzierung vom Missbrauch religiöser Symbolik und Demagogik durch die AUR.
Die Distanzierung der BOR vom Unterjochungskrieg des Russland-Diktators Putin gegen die Ukraine zeigt sich, wenn der Sprecher der BOR-Patriarchie, Vasile B²nescu, in einem Instagram-Beitrag von der Manifestation des „antichristlichen Menschen” spricht, der „einen furchtbaren und ungerechtfertigten Krieg gegen andere entfesselt hat, durch welchen das Leben eines freien Volkes durcheinandergewirbelt wird, Menschen in Panik gejagt, auf unterschiedlichste Weise gefoltert und in Massen getötet werden, dieselben Menschen, bezüglich welcher uns Christus voller Milde befohlen hat, sie zu lieben wie uns selbst, nicht, sie unter dem schweren Invasions-Stiefel des Todes zu töten.”

Komplizität Kirche und Politik

Als Hauptschuldigen macht der Sprecher der Höchstinstanz der Rumänischen Orthodoxen Kirche den Patriarchen Kyrill I. aus - nach einigen Beobachtern angeblich auch dieser ein ehemaliger KGB-Offizier, wie Putin, mit dem er die Geburtstadt Sankt-Petersburg gemein hat. Der Sprecher der BOR – fast immer betont diplomatisch im Auftreten und Sagen – nennt Kyrills Namen zwar nicht, spricht aber vom „opulenten Patriarchen, der zurückgetreten ist vom Standpunkt eines Christen, zum Komplizen des mörderischen Vertreters der Politik wurde und sich assoziieren ließ mit den scheußlichsten Aktionen, zu denen der antichristliche Mensch imstande ist, sie mit äußerster Grausamkeit zu begehen.” Hier klingt an, was der Patriarchie-Sprecher schon Anfang Februar im Zusammenhang mit den Rechtsextremen der AUR angesprochen hatte: ein allzu enges Verbandeln von Kirche und Politik erfordere „zu viele Opfer”.
Damit stellt der BOR-Sprecher ein altes Dilemma der „nationalen” Kirchen zur Diskussion, egal ob es sich hier speziell um das Problem der orthodoxen Ostkirche oder um das Problem des Protestantismus und - hier als Kontrast zitiert- des Katholizismus in West-europa handelt. Ob B²nescus Bemerkung auch als Selbstkritik im Namen der BOR zu verstehen ist - wie manche es verstanden haben möchten - soll dahingestellt bleiben.

Krieg zur Einheit der Ganzen Rus

Dass die „Komplizität” zwischen den autokephalen Kirchen und dem jeweiligen Staat, dem sie dienen (und der sie be-dient) – oder mit rechtsextremen Parteien wie AUR – die erstmals vom Sprecher der Patriarchie offen angesprochen wird, schädlich ist, sieht Vasile B²nescu – ohne sie namentlich zu nennen - am eklatantesten in der Bande, die Diktator Putin mit dem Patriarchen von Moskau und der Ganzen Rus, Kyrill I., verbindet. Schon sein Titel verpflichtet Patriarch Kyrill I., auf die Einheit der „Ganzen Rus” zu drängen – etwa ein Drittel der Gläubigen des „Dritten Rom” leben in der Ukraine... Diese ukrainischen Gläubigen sieht Patriarch Kyrill I. in einer Predigt vom 27. Februar (Thema: „Die Ereignisse, die in der Ukraine stattfinden”) anscheinend als „ein anderes Volk“ an, das ebenfalls „auf russischer Erde” lebt, „in unserem gemeinsamen historischen Vaterland”, also „Russland, die Ukraine, Weißrussland und andere Stämme und Völker”, wobei „die Bruderschaft” dieser „Stämme und Völker” garantiert wird durch „unsere einzige und alleinige orthodoxe Kirche, vertreten in der Ukraine durch die kanonische ukrainische orthodoxe Kirche, die von Seiner Seligkeit Onufrije geführt wird”. Die „Einheit Russlands und der russischen Kirche” werde „durch die Mächte des Bösen” gefährdet, „durch die dunklen und feindlichen Mächte von Außen”. Aus diesem Grund „müssen wir alles tun, um den Frieden zwischen unseren Völkern zu wahren, unser gemeinsames historisches Vaterland zu schützen vor jedwelchem Eingriff von außen, (...).”

Ukraine: zwei orthodoxe Kirchen

Inhaltlich gibt es frappierende Ähnlichkeiten mit dem Diskurs der russischen Propaganda und den Kriegs-Rechtfertigungen des Diktators Putin, ja sogar mit der letzten Rede Ceau{escus, jener vor seiner Flucht mit dem Hubschrauber. Die Familiarität Putin-Kyrill kommt nicht von ungefähr... Es wird der Unterschied unterstrichen zwischen der Dezember 2018 gegründeten Ukrainischen Autokephalen Kirche, die zum Verdruss des „Dritten Rom” vom „Zweiten Rom”, dem Ökumenischen Patriarchat in Konstantinopel, synodal und per Tomos/Ukas des Patriarchen Bartholomäus I. anerkannnt wurde, anerkannt wurde damit politisch und kirchlich die Unabhängigkeit der Ukraine als Staat – nur (unter anderem) nicht vom Patriarchat der Großen Rus. Die Ukraine wird nun auch vom Krieg der autokephalen mit der von Moskau anerkannten (und die Oberhoheit Moskaus anerkennenden) Orthodoxie zerrissen.

Die Ukraine hat seit 2018 zwei Orthodoxien: die Orthodoxe Kirche der Ukraine, an der Spitze mit Epifanije Domenko (sein Titel: Metropolit-Primas) – deren Autokephaliewerdung trotz des bestätigenden Tomos aus Konstantinopel erst abgeschlossen ist, wenn sämtliche anderen autokephalen Kirchen sie anerkennen. Die BOR erklärte schon ihre Neutralität... in den BOR-nahen Blättern wimmelt es aber von Sympathiekundgebungen für „den einzigen und wahren Oberhirten der Orthodoxen Kirche der Ukraine, Onufrije, unseren Bruder“. Und wieder tut sich der Metropolit von Konstanza, Teodosie, hervor (den viele für einen Ex-Securitate-Spitzel halten und den niemand bisher zurückgepfiffen hat!). Wahrscheinlich will man sich´s nicht ganz mit Moskau verderben, das bis zum Zweiten Weltkrieg als Leitstern für Bukarest und die Patriarchen Rumäniens diente. Die Gründe dafür sind auch pragmatischer Natur: Die BOR will erreichen, dass alle von orthodoxen Rumänen bewohnten Gebiete außerhalb des Hoheitsgebiets Rumäniens kanonisch von Bukarest abhängen, wie es Patriarch Daniel mit Patriarch Kyrill bezüglich Bessarabiens 2017 schon ausgehandelt hat.

Erst kommt das Fressen, dann kommt…

In der Ukraine gibt es zur Stunde also zwei orthodoxe Kirchen. Metropolit-Primas Epifanije hat rund 30 Millionen Gläubige, die  Ukrainische Orthodoxe Kirche unter Metropolit („von Kiew”) Onufrije hingegen rund neun Millionen. Sie ist in den Augen des „Dritten Rom” kanonisch die einzige orthodoxe Kirche der Ukraine. Und Moskau untergeordnet... In der Predigt vom 27. Februar hat Kyrill I. sie zweimal erwähnt. Für Kyrill sind die Panzer, Flieger und Experimentalwaffen, die Diktator Putin auf die Ukraine losgehetzt hat, Instrumente zur Wiederherstellung der „Einheit der Orthodoxie auf russischer Erde”. Also auch in historischer Tradition, seit Zar Peter I. (09.07.1672 – 08.02.1725, Zar und Großfürst von Russland 1682-1721, erster Kaiser von Russland 1721-1725), völlig legitim.

Diese historische Tradition dient auch als ein willkommener Vorwand, Völkermord zu legitimieren...

Ob da, selbst im Kontext jüngster Kurswechsel, eine Neutralität der BOR noch moralisch vertretbar ist?