Die Corona-Pandemie und das Ausland

Eine Begegnung mit Erasmus-Studierenden an Temeswarer Hochschulen

Ein, zwei Semester im Ausland gehören in vielen Studiengängern ganz einfach dazu. Und über das Erasmus-Programm der Europäischen Union lassen sich solche Aufenthalte ja auch ganz gut finanzieren – wenn es in ein anderes europäisches Land geht.  Aber da ist halt auch noch … die Corona-Pandemie. 

Die hat vielen Studierenden die Lust auf ein Auslandssemester gründlich verdorben. Nach Angaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes haben von Ende April 2020 bis Ende April 2021 deutschlandweit etwa 9000 Studierende über Erasmus plus einen Auslandsaufenthalt begonnen - gut ein Viertel weniger als im Vorjahr. Und von diesen 9000 sind um die 800 gar nicht mehr in ihr anvisiertes Gastland gefahren, sondern klicken sich von ihrem deutschen Zuhause aus durch die Online-Vorlesungen an ihrem jeweiligen zeitweiligen Studienort.  Aber wer Land und Leute kennenlernen will, der möchte auch reale Begegnungen haben – direkt vor Ort, beispielsweise im Westen Rumäniens. Und dort haben wir Anfang Juli 2021 Erasmus-Studierende getroffen.

Abschiedsstimmung: An einem Tisch im „Complex Studentesc“, einer Art Kneipenmeile nahe der Temeswarer West-Universität, sitzen fünf Studierende – ihr letzter Abend nach neun Monaten Erasmus-Aufenthalt im westrumänischen Temeswar.  Und dieser Studienaufenthalt gestaltete sich nicht immer einfach: „Wir hatten alle unsere Kurse auf Rumänisch, und das war schon echt hart genug. Wir hatten zwar davor ein paar Rumänisch-Kurse. Aber verstanden haben wir nicht viel, wenn wir aufgepasst haben, zehn Prozent. Und dann in seinem kleinen Zimmer die ganzen Vorlesungen zu hören, war schon irgendwie schwer. Wenn man in die Uni hätte gehen können, wär das schon angenehmer gewesen.“

Doch die Uni blieb zu: Keine Präsenzangebote während der Pandemie, nur Online-Vorlesungen auf Rumänisch, erinnert sich Nadine Lankers, die in Berlin „Soziale Arbeit“ studiert – und sich in den vergangenen Monaten unter Pandemiebedingungen an einer rumänischen Uni durchschlagen musste. 

Zum Glück gab es Hilfe: „Manche Lehrer, manche Professoren waren sehr nett. Die haben uns englische Artikel, Lektüre, was auch immer online gestellt. Dann konnten wir das lesen.“ Wenigstens etwas. Dann die Prüfungen am Ende des Semesters. „Wir haben es irgendwie geschafft, wir haben bestanden, echt, auch ganz gut. Wir konnten vieles auf Englisch schreiben. Wir haben auch ein bisschen andere Prüfungen bekommen als die rumänischen Studentinnen und Studenten. Manchmal war es okay, wenn wir einfach einen Essay abgeben konnten oder zwei. Dann ging das schon.“

Dabei gestaltete sich das Leben der Studierenden während des rumänischen Corona-Lockdowns deutlich schwieriger als in Deutschland: Generelle Ausgangssperre – die Studierenden waren für mehrere Wochen in ihren kleinen Zimmern im Wohnheim regelrecht eingeschlossen, erinnert sich Erasmus-Stipendiatin Luzi Bremer aus Berlin, die ebenfalls soziale Arbeit studiert: „Die schlimmste Zeit hatten wir hier in Rumänien, als wirklich der Lockdown war, als es wirklich hieß: Wir dürfen gar nicht mehr raus, wir dürfen nur noch raus mit einer Declara]ie, da waren wir halt echt ein bisschen aufgeschmissen. Wir dachten halt, als Erasmus-Studierende können wir ein bisschen frei drehen. Aber das war echt nicht so.“

Doch noch vor dem harten Lockdown im Winter hatte Luzi Bremer eine Möglichkeit, die während der darauf folgenden harten Ausgangssperre nicht mehr gegeben war:„Ich habe in Bukarest in einer NGO gearbeitet.“

Während jenes Praktikums habe sie wertvolle Erfahrungen gesammelt. Denn: „Soziale Arbeit“ stößt in einem Land wie in Rumänien auf deutlich härtere Bedingungen als in Deutschland”, berichten gleichlautend Nadine Lankers und Luzi Bremer: „Wir haben in NGO’s gearbeitet. Und man kann sagen, dass die vom Staat kaum unterstützt werden. Hilfsangebote sind nicht so ausgeprägt wie in Deutschland. Und soziale Probleme sind  auch ein bisschen schwieriger als in Deutschland. Es gibt echt sehr viel weniger Sozialhilfe hier, irgendwie. Und zum Beispiel die Gelder, die die Leute bekommen, wie zum Beispiel Kindergeld, das ist sehr viel geringer als in Deutschland.“

Ein Praktikum unter solchen erschwerten Bedingungen gemacht zu haben, sei für das weitere Studium wichtig, ergänzt Nadine Lankers: „Außerdem lernt man hier interkulturelle Kompetenzen, was gerade für soziale Arbeit total wichtig ist und immer wichtiger wird. Und es wird ein interessanter Punkt im Lebenslauf, wenn man sieht: Die Person hat einen Doppelabschluss.“

Die beiden Erasmus-Studentinnen aus Berlin bekommen nämlich sowohl den Abschluss ihrer deutschen und wie ihrer rumänischen Hochschule. Damit lässt sich später einmal punkten. Ein anderer Punkt, der für viele Erasmus-Studierende aber wichtig ist, war während der Corona-Pandemie eher schwierig, so die Kroatin Vanessa Kotlar, die für ihr Studium der Ingenieurwissenschaften ebenfalls für neun Monate nach Temeswar gekommen war: „Was ein wenig schade war: Ich habe viele Studierende aus anderen Ländern hier getroffen, aber eben keine rumänischen Studierenden, vor allem keine, die dasselbe studieren wie ich. Das habe ich vermisst.“