„Die Existenz im sozialistischen Rumänien als eine dadaistische Tragikomödie“

Arzt und Schriftsteller Peter Biro zu Gast im Erasmus-Büchercafé

Peter Biro (links) und Ruxandra Stanescu (rechts), Redakteurin der Hermannstädter Zeitung (HZ), vor dem Publikum und der Theke des Erasmus-Büchercafés. Auch in Neumarkt am Mieresch/Târgu Mureș, Klausenburg und natürlich Großwardein hat der sprachlich begnadete Facharzt für Anästhesiologie sein autobiografisches Buch vorgestellt. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Natürlich zählt Großwardein/Oradea nicht zu Siebenbürgen. Im geographischen Licht jedenfalls nicht. Als 1956 in der Elitestadt des „literarischen Champions“ Ady Endre zur Welt gekommener Wahl-Schweizer hätte Peter Biro die vor einem Jahr im Werd & Weber Verlag gedruckte Autobiografie seiner Jugend hinter dem Buchdeckel „Vom Taumeln zwischen den Kulturen“ nicht strikt mit dem vieles vorwegnehmenden Untertitel „Einer Kindheit in Transsylvanien“ versehen müssen. Dort jedoch, wo wenig verboten und eine Menge erlaubt ist, schöpft Anästhesist Peter Biro virtuos aus dem Vollen. Die Hauptstadt des „partium regni Hungariae“ wäre noch im 17. Jahrhundert zum Fürstentum Transsylvanien hinzugekommen „wie die unvorsichtig gewordene Jungfrau zum Kinde“. Womit zu verstehen ist, dass Siebenbürgen als „metaphorische Dame“ wenigst dagegen hatte, sich das nicht minder ungarische Nagyvárad einzuverleiben. Die Annexion des Partium war bedeutend, ohne Letzterem dafür seine Eigenheit zu nehmen. In ihr verortet Peter Biro die Zeit seines Aufwachsens im siebenbürgischen Großwardein. „Dieses einerseits Dazugehören und andererseits Doch-nicht-Teil-davon-Sein ist mir irgendwie auch zu eigen geworden.“ Dienstagnachmittag, am 7. Juni, bestritt er im Erasmus-Büchercafé in Hermannstadt/Sibiu seine allererste Autorenlesung als Pensionär und durchstartender Schriftsteller in Personalunion.

Dabei steht zu Buche, dass Peter Biro bis zur Auswanderung 1970 daheim in Großwardein bloß das Rumänische und das Ungarische beherrschte und noch während des Emigration-Zwischenhalts in Wien schlicht aus der Vorstellung lebte, mit seinen Eltern einfach nur auf Durchreise nach Australien unterwegs zu sein. Was aber flugs versandete, weil ein jäh über Nacht umgeändertes Gesetz in Australien es seinem Vater unerwartet verunmöglicht hätte, dort als mit allen Berufsrechten anerkannter Apotheker auf Arbeitssuche gehen zu können. Heute ist Mediziner und Literat Peter Biro, den es 1987 nach 17 Jahren Westdeutschland in die Schweiz verschlagen hat, stolz auf seine „sehr realistische Sprache“, die er sich ohne den „Crashkurs“ für das Deutsche als 13 Jahre alter Neuankömmling an einer baden-württembergischen Schule sicher nicht erarbeitet hätte. Auch aus dem Medizinstudium in Frankfurt am Main ab 1976 wäre wohl ohne das Halbjahr zum Start desselben in Klausenburg/Cluj-Napoca eher nichts geworden. Das Arzt-sein hat ihm Spaß gemacht, aber nun spitzt Peter Biro nur noch darauf, als ein Schriftsteller von sich reden zu machen.

Und so schlechte Karten hat er gar nicht. Glücklichst, wem es wie ihm gegeben ist, darauf verzichten zu können, „als unbekannter Schreiberling einen Verlag finden“ zu müssen, weil das bei nur ein bis zwei veröffentlichten von tausend eingesandten Manuskripten „sehr schwierig“ wäre. Auch einen bezahlt für ihn vorsprechenden Agenten hat Peter Biro nicht suchen müssen. Stattdessen ließ er nicht locker, seinen in der Szene bestens vernetzten Kollegen und Kinderchirurg Martin Meuli am Zürcher Universitätsspital so lange zu traktieren, bis dieser „entnervt nachgab“ und ihm den Kontakt zum schweizerischen Werd & Weber Verlag vermittelte. Wo Peter Biro es für den Anfang noch nötig hatte, dass für ihn gebürgt wird, hat ihm sein 350 Seiten dickes „Taumeln zwischen den Kulturen“ der „Kindheit in Transsylvanien“ zur Selbstständigkeit verholfen. Klarer Fall eines glücklichen Karrierebeginns, dem integer verdient nachgeholfen wurde.

Für seinen alles andere als provinziell abgestandenen Wortschatz, worin es weder mit einer „Tradition“ anfängt noch den politisch korrekten „Mehrfachidentitäten“ endet, steht dem „Kulturkenner und weitgereisten Weltenbürger“ Peter Biro die Veröffentlichung im schweizerischen Sachbuch- und Belletristik-Verlag Werd & Weber richtig souverän zu Gesicht. Im Kapitel „Die hohe Kunst des angewandten Chamäleonismus“ klärt er mit „verschiedensten, teils diametral entgegengesetzten Versatzstücken“ über das „Sammeln“ seiner „persönlichen“ Identität auf: „jüdisch, ungarisch, rumänisch, städtisch, ländlich, systemkonform, oppositionell, rational, irrational, atheistisch, traditionsbewusst, liberal, konservativ und vielleicht noch einiges mehr. Also ein veritables Panoptikum.“ Mehr als begehrenswert, so eine Fähigkeit – und Freude! – zur Anpassung.