„Die familiäre Abstammung ist natürlich eine zusätzliche Verantwortung“

ADZ-Gespräch mit Georg Bardeau, dem Honorarkonsul Österreichs in Temeswar

Georg Bardeau (37) ist der neue österreichische Honorarkonsul in Temeswar. Foto: Privat

Bei der Angelobungsfeier, die coronabedingt in sehr engem Rahmen und unter Einhaltung aller Schutzmaßnahmen am 14. Oktober in Temeswar stattfand: Die österreichische Botschafterin Isabel Rauscher und der neue österreichische Honorarkonsul in Temeswar, Georg Bardeau. Foto: Elke Erk/Österreichische Botschaft Bukarest

Seit Mitte Oktober ist Georg Bardeau der neue österreichische Honorarkonsul in Temeswar/Timișoara. Seine Amtsbefugnis umfasst die rumänischen Verwaltungskreise Arad, Bihar/Bihor, Karasch-Severin/Caraș-Severin, Hunedoara, Mehedinți und Temesch/Timiș. Der 37-jährige Georg Bardeau, der aus einer Familie mit adeliger Herkunft stammt, ist seit 2002 durchgehend in Rumänien tätig, in den Hauptbereichen Landwirtschaft und Immobilien. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder, die die deutsche Nikolaus-Lenau-Schule in Temeswar besuchen. Was er sich für seine Amtszeit als Honorarkonsul vornimmt bzw. welche die Situation österreichischer Unternehmen in der Westregion Rumänien ist, das erzählt Honorarkonsul Georg Bardeau u.a. in folgendem Interview. Die Fragen stellte ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu.


Sie wurden Mitte Oktober zum Honorarkonsul Österreichs in Temeswar ernannt. Was haben Sie sich für Ihre Amtszeit vorgenommen?
Ich möchte die schon guten Beziehungen zwischen Österreich und der Region, in der ich zuständig bin, verbessern und intensivieren, vor allem im Kulturbereich und im Bereich der Städtepartnerschaften.

Was meinen Sie damit konkret?
Im Kulturbereich würde ich gerne die Beziehungen zwischen dem Österreichischen Kulturforum Bukarest und der Stadt Temeswar für das Europäische Kulturhauptstadtjahr 2023 intensivieren. Da geht es vor allem darum, dass von Österreich aus Projekte angeboten werden, die zusammen durchgeführt oder auch nur vermittelt werden können. Bei den Städtepartnerschaften geht es mir darum, zum Beispiel die Beziehung der Stadt Temeswar zu ihrer Partnerschaft Graz wieder neu aufleben lassen, und dass die eine Stadt von der anderen Stadt etwas lernen kann. Auch im Bezug auf das Kulturhauptstadtjahr, weil Graz vor ungefähr 20 Jahren Kulturhauptstadt Europas gewesen ist.

Was die Europäische Kulturhauptstadt betrifft, ist die Entscheidung mittlerweile schon gefallen – Temeswar wird erst 2023 Europäische Kulturhauptstadt. Wie finden Sie diese Entscheidung?
Ich begrüße diese Entscheidung sehr, da es den neuen politischen Verantwortlichen, dem Bürgermeister Dominic Fritz und dem Kreisratspräsidenten Alin Nica die Möglichkeit gibt, das Projekt dementsprechend zu unterstützen. Ich hatte schon ein Gespräch mit der Geschäftsführerin des Temeswarer Kulturhauptstadtvereins, Simona Neumann, über mögliche Kulturprojekte, die mit österreichischer Unterstützung realisiert werden können. Es gibt einfach mehr Zeit, um dieses große Event neu auf die Beine zu stellen.

Abgesehen von diesen Beziehungen im Kulturbereich. Was sind sonst die Zuständigkeiten eines Honorarkonsuls bzw. eines österreichischen Honorarkonsuls?
Das Honorarkonsulat ist die erste Anlaufstelle für Auslandsösterreicher. Eine der Hauptaufgaben ist die Betreuung und Unterstützung von österreichischen Staatsangehörigen in Notlagen. Aber auch die Mithilfe bei der Organisation von Kulturveranstaltungen oder die Unterstützung bei Betriebsansiedlungen gehören zu den Aufgaben.

Wie viele österreichische Unternehmen gibt es derzeit in Ihrem Amtsbezirk, in den Kreisen Temesch, Arad, Karasch-Severin, Bihor, Hunedoara, Mehedinți? Welche Rolle spielen die österreichischen Unternehmen in Westrumänien?
In der Region sind über 120 österreichische Unternehmen tätig, die zusammen einen Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro und mehr als 6500 Mitarbeiter haben. Die meisten sind in den Kreisen Temesch und Arad. Das sind z. B. Firmen, die im pharmazeutischen Bereich tätig sind, im Immobilienbereich, Logistikunternehmen, aber auch im Handel – in allen möglichen Branchen sind diese tätig.

Wie schwer hat die Corona-Krise die österreichischen Unternehmen in Westrumänien betroffen?
Die Unternehmen waren anfangs durch die Grenzschließungen sehr betroffen. Aber auch vor allem die fehlenden Informationen und Antworten auf Anfragen durch die Behörden erschwerten die Situation. Mittlerweile haben sich die meisten der neuen Realität angepasst.

Wie ist derzeit die Situation, wenn man nach Österreich fährt? Wie lange muss man dort in Isolation verbleiben?
Derzeit ist es so, dass, wer nach Österreich fährt, einen negativen Covid-19-Test vorlegen muss, um ohne Probleme einreisen zu können. Sollte man den nicht haben, muss man solange in Quarantäne in Österreich verbleiben, bis man einen negativen Test vorweisen kann. Bei der Rückreise nach Rumänien ist es nun wieder so, dass man in Quarantäne muss, weil Österreich wieder auf der Liste der gelben Länder gelandet ist.

Wie hat Österreich die Corona-Krise gehandhabt, im Vergleich zu Rumänien?
Österreich hat am Anfang, gleich wie Rumänien, eigentlich sehr gut reagiert, weil sie recht schnell einen Lockdown durchgeführt haben. Wir sind jetzt aber mittlerweile leider auch wieder von der Krise sehr betroffen und es hat eigentlich eher die schlimmsten Szenarien schon übertroffen. Und da ist vor zwei Wochen auch wieder ein Lockdown für Österreich beschlossen worden, der gerade in Kraft ist, um einfach die Kapazitäten in den Krankenhäusern freizuhalten, weil sie langsam schon an die Grenzen stoßen – ich beziehe mich vor allem auf die Betten auf der Intensivstation. Leider sind wir auch hier, in Temeswar und in der Region, schon am Limit, was die Plätze auf den Intensivstationen betrifft.

Das war auch ein erstes Anliegen des neuen Bürgermeisters Dominic Fritz, dass er Lösungen findet, damit Temeswar die Corona-Krise bewältigt. Apropos Dominic Fritz: Wie sehen Sie Temeswar in der „Ära Fritz“? Was erhoffen Sie sich davon?
Erstmal muss ich sagen, dass ich sehr froh bin, dass Dominic Fritz Bürgermeister von Temeswar geworden ist. Weil ich hoffe, dass er das Multikulturelle der Stadt wieder ein bisschen aufleben lässt. Außerdem finde ich sehr gut, dass er auch ein Versprechen, das er vor der Wahl gemacht hat, gleich auch am Tag seiner Angelobung umgesetzt hat: Er hat nämlich alle Minderheitenvertreter zu sich eingeladen, auch das konsularische Korps und Vertreter der Kirchen aller Konfessionen. Ich erwarte mir von Dominic Fritz, dass er die Stadtverwaltung, die er anführt, wieder mehr mit der Bevölkerung und mit den Spezialisten der einzelnen Bereiche in Dialog setzt und einen Dialog führt.

Sie haben das multikulturelle Temeswar erwähnt. Es schien mir in dem jüngst abgelaufenen Wahlkampf ziemlich wenig davon übrig geblieben zu sein. Es kamen viele solcher nationalistischen Stimmen zu Wort, vor allem in den sozialen Medien. Gibt es noch etwas vom einstigen Klein-Wien, dem multikulturellen Klein-Wien Temeswar? Wie empfinden Sie das?
Ich muss sagen, diese populistischen Strömungen gibt es leider derzeit nicht nur in Rumänien. Das Phänomen gibt es weltweit. Dieses wird natürlich, so wie Sie auch gesagt haben, durch die sozialen Netzwerke verstärkt, da der Filter der Presse einfach wegfällt – das war vor 15 oder 20 Jahren anders. Ich persönlich muss aber sagen, dass ich mich in all den Jahren in Rumänien, vor allem in Temeswar, als Österreicher immer respektiert gefühlt habe und nie das Gefühl gehabt habe, unerwünscht zu sein. Es war immer eine sehr offene Beziehung. Die Leute haben sich immer gefreut, wenn man mit jemandem Deutsch sprechen hat können. Man erlebt hier, dass man auch andere Sprachen spricht, auf der Straße usw. Es hat mich immer, von Anfang an, hier in Temeswar, sehr begeistert.

Haben Sie mittlerweile auch die rumänische Staatsbürgerschaft?
Ja, ich habe seit zwei Jahren auch die rumänische Staatsbürgerschaft. Es war ein sehr, sehr schwieriger Prozess, dass ich diese rumänische Staatsbürgerschaft erlangen konnte. Nicht von der rumänischen Seite her war es so kompliziert – es war eher kompliziert von der österreichischen Seite her, das normalerweise keine Doppelstaatsbürgerschaften erlaubt. Ich habe zuerst um meine Beibehaltungsgenehmigung ansuchen müssen, die mir dann auch erteilt wurde, und dann habe ich erst für die rumänische Staatsbürgerschaft ansuchen und dann einen Test in Bukarest absolvieren können. Die ganze Prozedur hat ungefähr drei Jahre gedauert.

Sie haben zuerst Tourismus studiert. Was von diesen Kenntnissen konnten Sie bisher in Ihrer Tätigkeit einbringen bzw. planen Sie, das vielleicht in Zukunft zu tun? Sie sind ja derzeit in einem völlig anderen Bereich tätig, nämlich in der Landwirtschaft.
Ich habe wohl einige Teile meiner schulischen Laufbahn einbringen können, hauptsächlich, was das offene Zugehen auf die Leute angeht, und das „Dienen“ oder der Respekt für andere Personen. Das habe ich sehr gut umsetzen können, was ich von dieser Schule gelernt habe.

Wie fühlt man sich als ein Verwandter der Habsburger?
Die familiäre Abstammung ist natürlich eine zusätzliche Verantwortung und verpflichtet uns, einerseits ein Beispiel für die Gesellschaft zu sein, aber auch mitzuhelfen dort, wo wir es für nötig empfinden.

Ein Beispiel dafür wäre die Afterschool für die Kinder in Berliște, welche durch die Stiftung, die von meiner Gattin gegründet wurde, unterstützt wird, und wo wir den Kindern am Nachmittag eine kostenlose Betreuung mit einem warmen Mittagessen und auch Lehrerinnen und Lehrern ermöglichen.

Erzählen Sie mir bitte mehr über das soziale Projekt in Berliște!
Es ist ein Projekt, das wir letztes Jahr begonnen haben, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Berliște. Wir haben ein Gebäude, das die Gemeinde schon besessen hat, ein bisschen hergerichtet und ausgestattet. Und dort ist es so, dass jeden Tag eine andere Klasse zum Mittagessen kommt und dann zusammen mit Lehrern ihre Aufgaben und andere verschiedene Projekte macht.

Wir haben es dann auch geschafft, dass wir von Temeswar verschiedene Leute gebracht haben, die den Kindern Vorträge gehalten haben, etwas erklärt oder Sport mit ihnen gemacht haben. Wir haben da einen Bekannten gehabt, der Sportlehrer ist, eine Ärztin, die die Hygienestandards erklärt hat, verschiedene Vorträge für die Kinder. Das Projekt ist in Berli{te angesiedelt, weil wir dort unseren Hauptstandort der Landwirtschaft haben und weil wir ja schon immer sehr verbunden mit diesem Ort gewesen sind.

Wo kann man das Österreichische Honorarkonsulat in Temeswar finden?
Unser Büro befindet sich in der Augustin-Pacha-Straße Nr. 1, hinter dem Bega-Shopping-Center. Wir sind täglich von 9 bis 11 Uhr im Büro, ich und meine Kollegin, aber natürlich wäre vorher eine telefonische Vereinbarung zu empfehlen. Wir sind unter der Telefonnummer +40-256.293496 erreichbar.