Die Flamme schüren, statt Asche bewahren

Hartmut Koschyk traf sich mit Vertretern des Banater Deutschen Forums

Ein Treffen mit den Vorsitzenden der Banater Foren: Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk (zweiter von links), besuchte das Banat.
Foto: Zoltán Pázmány

Die Begegnung im Adam-Müller-Guttenbrunn (AMG)-Haus dauerte genau zwei Stunden. Der (seit Januar 2014) Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, MdB Hartmut Koschyk, – er weilte im AMG-Haus in Begleitung seiner Mitarbeiterinnen Stefanie Schramm und Maria Therese Müller und des Temeswarer Konsuls Rolf Maruhn – hörte sich jeden an: Vom Vorsitzenden des Banater Forums, Karl Singer, über den Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, Erwin Josef Ţigla, den Vorsitzenden des Arader Forums, Michael Szellner, die Vorsitzende des Temeswarer Forums, Dagmar Şiclovan, bis hin zu dem Vorsitzenden der ehemaligen Russlanddeportierten, Ignaz Bernhard Fischer, dem Vorsitzenden der Adam-Müller-Guttenbrunn-Stiftung, Helmut Weinschrott, und der Vorsitzenden des Banater Jugendforums, Bianca Barbu.

Die Probleme, die sie belastet, und die Art und Weise, wie sie diese vortrugen, sagten viel über ihre Persönlichkeit aus. Karl Singer war ganz der Optimist und zog es vor, über Erfolge zu sprechen. Er resümierte die bald 25-jährige Geschichte des Banater Forums und ging besonders auf den War-Zustand ein. Singer erzählte vom drohenden Aus des deutschsprachigen Schulwesens und der Medien, vom Kampf, auch politisch eine Stimme zu erhalten, und gestand Koschyk, dass er sich manchmal für den guten Ruf des Forums „schämen“ würde, weil es mehr Lob erhält, als es verdient. Schließlich sei das AMG-Haus eine Oase und man dürfe nicht vergessen, dass alle rumänischen Staatspräsidenten seit den 1990er Jahren mindestens einmal in diesem Haus waren.

Auch Ignaz Bernhard Fischer schaut gerne zurück, scheute sich allerdings nicht, davor auch einen strengeren Ton anzuschlagen. Er sprach von den Herausforderungen, die er als Vorsitzender der ehemaligen Russlanddeportierten zu bewältigen hatte. Von seinem Kampf, von der deutschen Bundesregierung Entschädigungsgeld für die ehemaligen Russlandverschleppten zu erhalten, aber auch von seinem aktuellen Bemühen, ein Denkmal für die Opfer der Deportation in Temeswar/Timişoara zu errichten. Man stünde kurz davor, allerdings fehlt noch ein Teil der Finanzierung. Fischers kurze Rede war emotional und bewegend. Sie erinnerte daran, dass er selber in Russland fünf Jahre als Deportierter um sein Überleben kämpfen musste. Darum spendete auch die deutsche Delegation am Ende seiner Ansprache Beifall.

Erwin Josef Ţigla führte Fischers Idee fort, sprach auch im Namen der ehemaligen Russlanddeportierten aus dem Banater Bergland und appellierte an Koschyk, die verbliebenen Opfer weiterhin finanziell zu unterstützen. Das betrifft auch das Geld für die Adventsfeier der Russlanddeportierten, die auf Initiative von Koschyks Vorgänger, Dr.Christoph Bergner, gespendet wird. Für Ţigla sind besonders Projekte wichtig, die interethnische und interkonfessionelle Zusammenarbeit fördern. Schließlich stünde das Banat für ein solches Zusammenleben und darum sei es umso erfreulicher, dass die Arbeit des Deutschen Forums im Banater Bergland nicht nur den Rumäniendeutschen zugute kommt, sondern auch den anderen Minderheiten. Das unterstrich auch Karl Singer. Man habe sich nicht in „Festungen“ verschanzt, so der Forumsvorsitzende.
So wie das AMG-Haus ein wichtiges Zentrum für die Minderheit im Kreis Temesch ist, so ist auch das Reschitzaer Alexander-Tietz-Haus Dreh- und Angelpunkt der Forumstätigkeit im Kreis Karasch-Severin. Dies betonte Erwin Josef Ţigla und erinnerte an das Jubiläum, das in diesem Jahr gefeiert wird: 10 Jahre, seitdem das Haus besteht.

Michael Szellner redete in Zahlen und wurde ganz mathematisch: Es gibt im Verwaltungskreis Arad sechs Lokalforen, rund 3000 Deutsche, davon etwa 2000 allein in der Stadt Arad. Von diesen sind die meisten Senioren und/oder Kinder, somit könnte man von „umgestülpten Gauß’-schen Glockenkurven“ sprechen, meinte Szellner. Dann kam der Physiklehrer und ehemalige Schulleiter auf die Probleme der deutschsprachigen Adam-Müller-Guttenbrunn-Schule zu sprechen. Er beklagte die fehlende Unterstützung seitens der Stadt, obzwar die Verwaltung gerne mit der deutschen Minderheit als „Prestige-Objekt“ wirbt. Für Szellner liege darin der Widerspruch. „Sie brauchen uns, obwohl wir ihnen im Weg sind“, resümierte er die Lage. Zurzeit ist die AMG-Schule immer noch auf mehrere Gebäude verteilt. Eines davon teilt sie sich mit der Forstschule. Diese würde inzwischen nicht mehr die Mindestanzahl an Schülern haben und mehr Klassenräume besetzen, als wirklich notwendig ist, während die AMG-Schule nach wie vor einen Mangel an Klassenzimmern hat. Helmut Weinschrott fasste sich kurz. Er unterstrich noch einmal die Bedeutung des AMG-Hauses und der sozialen Arbeit, die hier geleistet wird.
 
Der Blick nach vorne

Für Hartmut Koschyk dürfte vieles, was gesagt wurde, keine Neuigkeit gewesen sein. An seiner Haltung konnte man erkennen, was ihm besonders wichtig ist: die Zukunft. Darum war er vor allem an dem Qualifizierungsprogramm YOU.PA interessiert. Das Förderprogramm der Otto-Benecke-Stiftung richtet sich an junge Angehörige der deutschen Minderheit in mittel- und osteuropäischen Ländern. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwerben Zertifikate als Jugendmanager, Dozent sowie Bildungsmanager. Dafür erwartet man, dass sich die Absolventen in den Organisationen der deutschen Minderheiten aus Mittel- und Osteuropa engagieren. Koschyk wollte von der Vorsitzenden des Banater Jugendforums, Bianca Barbu, wissen, ob sich die YOU.PA-Absolventen an der Forumstätigkeit beteiligen. Ihre Antwort war ein wankendes Jein. Viele Bewerber würden von vornherein nicht direkt mit dem Forum zu tun haben, darum entsteht auch kaum eine Zusammenarbeit. Erfreulichere Nachrichten hatte Michael Szellner: 12 Mitglieder der Jugendorganisation Banat-JA sind erfolgreiche YOU.PA-Absolventen. Allerdings müsste man das Programm stärker an die Minderheitenorganisationen binden.

Genauso wichtig für Koschyk ist das deutschsprachige Bildungswesen in Rumänien. Man muss etwas gegen den Lehrkräftemangel unternehmen und die deutschen Schulen unterstützen, um so auch die deutsche Sprache zu erhalten. Denn schließlich hieße Tradition nicht, Asche zu bewahren, sondern die Flamme zu schüren. Und Minderheitenarbeit muss sich täglich im Überlebenskampf bewähren.
Das, wovon Singer, Ţigla, Szellner, Weinschrott, Şiclovan und Fischer sprachen, bilde die Grundlage. Auf diesem Fundament muss aber aufgebaut werden. Stichwort Jugendarbeit. Barbu sprach von schrumpfenden Filialen des Jugendforums, weil junge Menschen wegziehen und ihnen die Motivation fehlt. Hier müssten neue Ansätze gefunden werden und neben Volkskultur auch andere Interessen berücksichtigt werden.
2015 feiert das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien 25 Jahre seit seiner Gründung. Im gleichen Jahr werden es 70 Jahre seit der Deportation der Rumäniendeutschen in die Sowjetunion. Diese Jubiläen werden erneut einen Rückblick veranlassen. Doch sie werden auch Gelegenheiten bieten, nach vorne zu schauen. Die deutschsprachigen Schulen und Förderprogramme wie YOU.PA sind der Schlüssel zur Zukunft der deutschen Minderheit, die sich in einem Wandel befindet.