Die große Fürbitte Jesu

Ignaz Bernhard Fischer, Temeschwar

Wenn wir auf einem fahrenden Schiff sitzen und nur die Gegenstände auf dem Schiff anschauen, so merken wir nicht die Vorwärtsbewegung des Schiffes. Erst wenn wir auf das Ufer schauen, sehen wir, dass das Schiff sich bewegt. So ist es auch im Leben. Wenn alle Menschen als Atheisten leben, sind sie der festen Überzeugung, dass ihre Lebensanschauung die einzig richtige ist. Lautet doch das Sprichwort: „Gleiche Brüder, gleiche Kappen!“ Treten aber Menschen auf, die an Gott glauben, dann hört die Einigkeit auf. Sie suchen zunächst mit Spott und Hohn solche Aussteiger wieder in die Kumpanei zurückzubringen. Gelingt das nicht, wird die demokratische Einstellung aufgegeben und es wird nach dem Dichterwort gehandelt: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!“ Sie werden „militant“. 

Das haben wir in der kommunistischen Diktatur erlebt. Ihre Vertreter handelten nach dem unseligen Sprichwort: „Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns!“ Man begann mit Verleumdungen gegen den christlichen Glauben und seine Verkünder. In einem demokratischen Staat kämpfen nur Ideen gegeneinander, ohne militante Gewalt. Wer die besseren Überzeugungsmotive hat, gewinnt. Atheisten bringen diesen Toleranzgeist nicht auf. Sie spüren, dass ihre Auffassung falsch ist. Deshalb werden sie militant. So wurde im „sozialistischen Staat“ alles Religiöse aus der Öffentlichkeit verbannt, die christlichen Presseerzeugnisse verboten. Die Bibel war in ihren Augen das gefährlichste Buch. Wer von einem Auslandsbesuch zurückkehrte, dessen Gepäck wurde vor allem nach Bibeln untersucht. Es durfte keine Bibel ins Land kommen.

Kann man geistige Überzeugungen mit physischen Gewaltmitteln ausmerzen? Man kann nur ihre Träger quälen, verurteilen, der Freiheit berauben und ihnen sogar das Leben nehmen. Man kann den Leib, aber nicht den Geist töten. Christus hat seinen Jüngern ein solches Schicksal vorausgesagt (Mt 10,17): „Nehmt euch vor den Menschen in acht! Denn sie werden euch vor die Gerichte bringen und in ihren Synagogen auspeitschen. Ihr werdet um meinetwillen vor Statthalter und Könige geführt, damit ihr vor ihnen und den Heiden Zeugnis ablegt.“ – „Sie werden euch aus den Synagogen ausstoßen, ja es kommt die Stunde, in der jeder, der euch tötet, meint, Gott einen heiligen Dienst zu leisten! Das werden sie tun, weil sie weder den Vater noch mich erkannt haben!“(Joh 16,2-4)

Es ist eigenartig: Der Gottlose will mit Gewalt den Gegner „bekehren“. Der Gottgläubige versucht dies mit Gebet. Das Gebet ist wirksamer als physische Gewalt. Ein militanter atheistischer Staat kann sich nur mit Diktatur behaupten – und das nur einige Zeit. Die große „Lenin-Stalin-Diktatur“ brachte es nur auf 74 Jahre.
Im Johannesevangelium betet Jesus für seine Getreuen: „Für sie bitte ich, nicht für die Welt bitte ich, sondern für alle, die Du mir gegeben hast. Ich bin nicht mehr in der Welt, sie aber sind in der Welt. Ich bitte nicht, dass Du sie aus der Welt nimmst, sondern dass Du sie vor dem Bösen bewahrst!“ Das ist die große Fürbitte Jesu für uns: Die Bewahrung vor dem Bösen!

Als treue Christen stehen wir nicht mutterseelenallein in der Welt, Gott ist mit uns! Deshalb muntert der Apostel Paulus uns auf (Röm. 8,31): „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?“ Das gibt uns Mut, falls es nötig wird, auch gegen den Strom zu schwimmen. Auf dem Helm römischer Soldaten standen zwei Buchstaben: S.T. „Semper Talis!“ Das gilt auch für uns: Immer die Gleichen bleiben, in guten wie in bösen Zeiten! Machen wir uns das Gebet des Schweizer Nationalhelden Nikolaus von der Flüe (1417-1487) zu eigen: „O Herr, nimm von mir, was mich abwendet von Dir! O Herr, gib mir, was mich fördert zu Dir! O Herr, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen Dir!“ Dann findet auch die große Fürbitte Jesu an uns ihre Erfüllung: „Bewahre sie vor dem Bösen!“