Die immer noch giftigen Abraumhalden am Rande der Donau

Allein mit gelegentlicher Feuchthaltung ist das Problem der Abraumhalden aus dem Bergbau am Donauufer nicht gelöst

Die Ruinen dessen, was anscheinend einmal eine Kläranlage für den Abraum aus der Kupferanreicherung war, der mittels Wasseremulsion Richtung Donau gespült und in Klärteichen abgelagert wurde. | Fotos: Werner Kremm

Cornel Sturza-Popovici leitet die beharrlichste Beobachterorganisation der Umweltprobleme am Donauufer, GEC Nera

Mit über 2850 Kilometern Länge gilt die Donau, nach der Wolga, als zweitlängster Fluss Europas; sie schlängelt sich durch zehn Länder. Die Donau-Auen gelten als besonders schützenswerte Flächen. Doch genau dort, wo die Donau die Grenze zwischen Serbien und Rumänien markiert, bereitet ein gravierendes Umweltproblem den örtlichen rumänischen Umweltschützern bereits seit Jahrzehnten Sorgen. Da befinden sich Abraumhalden aus Bergbau und Erzanreicherung direkt am Ufer, die umweltgefährdende Schadstoffe aus einer stillgelegten Kupfermine und einem Erzanreicherungswerk enthalten.

Inmitten der von spontaner Vegetation bewachsenen beige-gelben bis grau-braunen Sanddünen, mit blühenden Silber- und Trauerweiden, mit Maulbeerbäumen, Schlehenbüschen und unzähligen Sträuchern und Gräsern ist es recht idyllisch. Hier die leichte Brise Wind, dort die vielen Vögel, die sich in ihrer großen Vielfalt wohlfühlen am rumänischen Donauufer, zwischen den kleinen Siedlungen Alt-Moldova/Moldova Veche und Coronini (zu kommunistischer Zeit, als die habsburgische Vergangenheit des Raums vertuscht wurde, hieß die Ortschaft „Pescari“, um nicht an den Feldzeugmeister und Regimentskommandeur der österreichischen Heere Johann Baptist Coronini de Cronberg – 1794-1880 – zu erinnern, der Erzieher des späteren Kaisers Franz Joseph I und Gouverneur der Wojwodschaft Serbiens und des Temescher Banats war). Der Blick schweift erst auf das serbische Donau-Ufer gegenüber, mit der renovierten und touristisch voll genutzten Festung Golumbac aus Zeiten des Sigismund von Luxemburg – dazwischen liegt die unter Naturschutz stehende Donauinsel Ostrov mit mehreren großen Uferschwalbenkolonien und 130 wilden Pferden –, dann auf eine Anhöhe auf rumänischer Seite, wo am Berg eine riesige Industrie-Ruine steht. Und zwar ist das die Ruine des ehemaligen Erzanreicherungswerkes SC Moldomin SA, des vor anderthalb Jahrzehnten stillgelegten staatlichen Kupferunternehmens Moldomin.

Das Staatsunternehmen hinterließ Probleme

Das hat seinen Betrieb zwar bereits vor vielen Jahren eingestellt. Doch das Erbe liegt direkt am Donauufer – in der Form seltsam anmutender Hügel, die, wenn auf spontane Weise begrünt, idyllisch aussehen. Das Gelände ist voller Abraumstaub: Hubbel, zum Teil weggeschoben mit einer Maschine. Direkt am Donauufer die Ruinen von etwas, was mal eine Kläranlage war: Die typischen Riesenzylinder aus Beton. Interessant ist aber, dass der teils geglättete „Sand“ ringsum verschiedene Farben zeigt: gelblich, gräulich, bräunlich. Es scheint so, dass hier gemischte Reste aus der Kupferanreicherung einfach abgelagert wurden, die nicht über die Kläranlage gegangen sind.

Klingt nicht unbedingt gesund – und ist es auch nicht. „Das Zeugs enthält eine ganze Reihe gesundheitsgefährdender Stoffe: In der mengenmäßigen Reihenfolge findet man dort bei Untersuchungen in erster Linie Kupfer-Partikel. Dann haben wir Zink. Und schließlich Schwefel“, sagt Dr. Cornel Sturza-Popovici, Leiter der rumänischen Umweltschutzorganisation GEC Nera (Grupul Ecologic de Colaborare – Ökogruppe für Zusanmmenarbeit). Sturza-Popovici verweist auf die Resultate von Laboruntersuchungen aus dem Nachbarland Serbien: „Speziell das Zink hat in den zurückliegenden 25 Jahren sehr viele Fälle von Darm-, Leber- und Magenkrebs verursacht, kann man aus Serbien erfahren.“

Denn: Immer wieder wurden durch heftige Winde die Schadstoffe von den Abraumhalden des rumänischen Donauufers hinüber geblasen ins Nachbarland Serbien, das auch wiederholt dagegen protestierte. Umweltschützer Cornel Sturza-Popovici ist sich dessen sicher: Auch auf der rumänischen Seite wurde der giftige Feinstaub der Abraumhalden verwirbelt. Es kann ja gar nicht anders sein. Allerdings: „In Rumänien gibt es keine Daten über Krankheiten, die vom Abraumstaub verursacht worden sind – oder, genauer: es sind keine offiziellen Daten zu erfahren. Sie werden keine solche Daten bekommen können, auch wenn sie vorhanden sein sollten.

Es scheint so, als will man die bewusst nicht erheben. Oder die Daten vertuschen. Die Verschmutzung an sich ist bekannt, aber das Gesundheitsministerium hat es versäumt, das Ausmaß dieser Kontaminierung zu erfassen und zu veröffentlichen.“ Eine große Nachlässigkeit, findet der Umweltschützer. Die Proteste seiner Organisation, aber auch die Proteste Serbiens haben bereits vor Jahren die Europäische Union auf den Plan gerufen: Sie leitete gegen Rumänien ein Vertragsverletzungsverfahren ein und verpflichtete den rumänischen Staat dazu, die Abraumhalden so nachzubehandeln, dass von ihnen keine Gefahr mehr ausgehen kann. Und tatsächlich: Es ist auch etwas geschehen. 

Etwas ist ja geschehen

„Naja, wir haben ja mächtig Ärger bekommen von Serbien, unserem Nachbarstaat, wegen der Staubmengen aus den Abraumhalden, die da ständig hinüber geweht wurden. Deshalb hat Rumänien vor etwa drei Jahren ein Projekt auf den Weg gebracht, das so um die zwei Millionen Euro gekostet haben dürfte. Und das funktioniert so: Wenn ein starker Wind weht, geht automatisch eine Sprinkleranlage, also ein Befeuchtungsgerät, an. Das besprüht die Abraumhalden mit Wasser, der Staub wird verfestigt, so dass keine Staubmengen mehr verwirbelt werden können.“

Erklärt Ghiță Sporea, Berater des Bürgermeisters von Moldova Noua, im Einklang mit den rumänischen Umweltbehörden. Und tatsächlich: Auf den ersten Blick scheinen diese Bemühungen Erfolg gehabt zu haben: „Bislang ist das ok, es funktioniert“, erklärt Ghiță Sporea. Und auch Cornel Sturza-Popovici mag da erst mal nicht widersprechen: Bislang sind wir alle zufrieden, rein formal auch wir, die Umweltschützer.“ 

Nur: Die Sachen hat einen Haken. „Seit dem Jahr 2019, als man die Sprinkleranlagen installierte, gab es hier keine so heftigen Stürme mehr mit Geschwindigkeiten von über 100 Stundenkilometern – wie sie für den Donauengpass am Eisernen Tor mit großer Regelmäßigkeit charakteristisch sind. Da wir weltweit einen Klimawandel erleben, kommen selbst die für diesen Raum charakteristischen Stürme nicht mehr mit jener Regelmäßigkeit, die in den meteorologischen Statistiken nachlesbar sind: Alle zwei Jahre. Seit die Sprinkleranlage steht, gab es nur Winde mit Höchstgeschwindigkeiten von 80 Stundenkilometern. Die haben die Anlage nicht auf eine wirkliche Probe gestellt. Erst bei Stürmen von 100 und mehr km/h möchten wir Umweltschützer sehen, ob das Verfestigungssystem durch Feuchthaltung mittels Sprinkleranlage wirklich funktioniert...“

Doch – da ist sich der rumänische Umweltschützer sicher – der nächste Sturm kommt bestimmt, irgendwann: Und dann, glaubt er, werden die Sprinklersysteme nicht mehr viel gegen die Verbreitung des gesundheitsgefährdenden Feinstaubs aus den Abraumhalden ausrichten. „Im vergangenen Jahr haben wir uns die Sprinklersysteme mal genauer angesehen. Und was haben wir da entdeckt? Etwa ein Viertel der Leitungen war bereits verstopft – mit Staub. Das heißt: Dort war es schon unmöglich, die Oberflächen der Abraumhalden wie vorgesehen zu benässen.“

Die Natur hat die nachhaltigere Lösung

Nach Meinung von Dr. Cornel Sturza-Popovici wäre ein anderes Verfahren wesentlich nachhaltiger: „Als erster Schritt muss das Kupfer, aber auch das Zink und der Schwefel in den Abraumhalden chemisch neutralisiert werden. In einem nächsten Schritt müsste man Düngemittel ausbringen, damit sich auf den Halden leichter spontane Vegetation bildet“. Die dann die Halden stabilisiert und ein Verwirbeln der Staubmassen verhindert. Für immer und ohne weitere Kosten. Im Grunde: Man sollte einfach das begünstigen, was die Natur eh schon durch spontanes Begrünen vorgemacht hat. Durch die Vegetationsinseln, die man überall, auch auf den ansonsten kahlen Abraumflächen, sehen kann.

Der Nachteil des Verfahrens: Bis die Abraumhalden stabilisiert sind, dauert es nach Einschätzung des Umweltschützers um die fünf Jahre. Die EU hatte seinerzeit Rumänien dazu aufgefordert, innerhalb von zwei Jahren eine Lösung zu finden, was zu dem – nach Meinung der Umweltschutzorganisation GEC Nera – wenig effektiven Befeuchtungsverfahren führte. Doch das letzte Wort sei im Fall der Abraumhalden an der Donau noch nicht gesprochen, glaubt Cornel Sturza-Popovici. Denn ein türkischer Investor will in absehbarer Zeit das alte Bergwerk, von dem derzeit nur noch eine Ruine auf der Anhöhe zu sehen ist, wieder in Betrieb nehmen. Mit der Übernahme des Bergwerkes ging auch automatisch die Übernahme der Abraumhalden einher, für die nun der Investor mitverantwortlich ist. Und: „Wir bestehen darauf, dass die rumänische Agentur für Mineralische Ressourcen in den Verhandlungen mit dem türkischen Investor darauf hinwirkt, dass der verpflichtet wird, aus seinem Gewinn einen dicken Batzen in eine ökologisch vertretbare Lösung der Abraumhalden-Problematik zu investieren. Und dass die Agentur ebenfalls auf einen Teil ihres Gewinnanteils zugunsten einer nachhaltigen Begrünung der Abraumhalden – zumindest auf Zeit, in den ersten fünf Jahren – verzichtet.“