Die Kirche als Mittelpunkt der Gemeinschaft

Gespräch mit Albrecht Klein, Kurator der evangelischen Kirchengemeinde Bartholomae, Kronstadt

Die Bartholomäer Kirche ist die älteste Kirche in Kronstadt. Foto: WikimediaCommons

Kurator Albrecht Klein während seiner Ansprache beim diesjährigen Bartholomäusfest. Foto: Ralf Sudrigian

Albrecht Klein (76) entstammt einer christlich geprägten Familie: Sein Vater Albert Klein war Bischof der evangelischen Kirche A.B. in Rumänien zwischen 1969 und 1990. Seit 2007 ist der Zahnarzt Albrecht Klein Mitglied im Presbyterium der Kirchengemeinde Bartholomae. Bereits 1971 war er Mitglied in der Kronstädter Bezirkskirchenversammlung, 1975 wurde Klein in die Bartholomäer Kirchengemeindevertretung gewählt. 2009 folgte die Wahl zum Kirchenvater, und seit 2017 ist er Kurator der Kirchengemeinde Bartholomae. Über die Geschichte und Gegenwart dieser Kirchengemeinde, über die Verwaltung deren besonderen Erbes spricht Klein im folgenden Interview mit Ralf Sudrigian.

Wie hat sich Bartholomae als eigenständige Kronstädter Kirchengemeinde behaupten können?
Die Vorgeschichte wäre kurz zusammengefasst folgende: 1847 ist der Kirchturm eingestürzt und hat das südliche Seitenschiff fast ganz zerschlagen. Die evangelische Stadtgemeinde, zu der Bartholomae damals gehörte, hatte es vorgezogen, eine teure Orgel zu kaufen, anstatt die Bartholomäer Kirche zu reparieren. 1862 kam es zur Trennung von der damaligen Honterusgemeinde, die Trennlinie ist auch heute noch die Rumänische Kirchgasse. Die ganze Vereinsstruktur musste im noch ländlich geprägten Stadtteil frisch aufgebaut werden. Eine neue Schule wurde 1870 gebaut (Ecke Langgasse/Schulgasse), ein Gemeindesaal wurde gebraucht – er entstand dort, wo nach der Verstaatlichung der Saal des Dinamo-Sportklubs eingerichtet wurde. Das Bartholomäer Casino wurde dafür genutzt, heute würde man es eher als Gemeindezentrum bezeichnen. 1920/21 wurden Veränderungen am Saal vorgenommen; die neue Bühne hat der Männergesangverein gestiftet. 1922 wurde die neue Orgel gekauft – alles also in wenigen Jahren nach Ende des ersten Weltkrieges. 1938 wurde das Strandbad eröffnet auf einem Grundstück, wo früher sozusagen der Gemüsegarten der Bartholomäer gestanden hatte. Große Verdienste kommen dabei dem Baumeister und Kurator Haupt zu, der die Bankkredite mit dem eigenen Vermögen garantiert hatte, sowie dem Kirchenvater Fronius von der Schwarzen Kirche. Ein tiefer Brunnen wurde gegraben und das Wasser mit einer Umwälzpumpe heraufbefördert – eine Pumpe, die bis 1998 funktionsfähig war. Das Wasser gelangte auf das von der Sonne erhitzte Blechdach der Kabinen und von dort ins Schwimmbecken. So wurde dieses erwärmt.
 
Heute ist Bartholomae weiterhin eine eigenständige Kirchengemeinde, hat jedoch keinen eigenen Pfarrer...
Auch wenn wir derzeit keinen eigenen Pfarrer haben, bleibt diese Eigenständigkeit erhalten. Mit 172 Mitgliedern sind wir immerhin die elftgrößte Gemeinde der Landeskirche. Es herrscht Pfarrermangel, aber es wird die Zeit kommen, wo auch ein Bartholomäer Pfarrer wieder da sein wird. Der Altdechant Pfarrer Klaus Daniel hält nun seit vier Jahren in unserer Gemeinde die Gottesdienste, wofür wir ihm sehr dankbar sind. Seine lebensnahen Predigten kommen sehr gut an und stehen gerade in diesen Zeiten für Ermutigung und Trost. Die Kasualien übernimmt der Wolkendorfer Pfarrer Uwe Seidner. Als Besonderheit kann in unserer Gemeinde der große Zusammenhalt betrachtet werden: Die Leute kennen sich untereinander, sprechen miteinander und bleiben in Verbindung. Beim jüngsten Bartholomäusfest habe ich in meiner Wortmeldung unterstrichen, dass die sächsische Gemeinschaft die Kirche zum Mittelpunkt hatte und hat, und dass sie ohne diese nicht denkbar wäre.
Das Gemeindeleben ist nach wie vor sehr präsent: In den letzten zehn Jahren haben wir den Frauenkreis neu aufgebaut; der Männerabend (an jedem zweiten Mittwoch im Monat) wird weitergeführt. Wir haben versucht, auch die mittlere Generation mehr einzubinden. Bei den Männern ist uns das gelungen, bei den Frauen nicht. Den Seniorennachmittag mussten wir leider wegen den geltenden Gesundheitsschutzmaßnahmen vorläufig einstellen.
 
Wie werden die Reparaturarbeiten an der Orgel finanziert?
Unsere Orgel wird bald 100 Jahre alt. Die Orgelkommission der Landeskirche befand vor einem Jahr, dass die Orgel einer Generalreparatur unterzogen werden muss. Nach dem Zustandekommen eines Projektes für die Orgelreparatur haben wir eine Ausschreibung vorgestellt. Die Orgelkommission hat uns die Orgelbauwerkstatt in Honigberg empfohlen, die uns angeboten hat, die Orgel Ende Oktober abzumontieren und am 15. Juni nächsten Jahres repariert wieder zusammenzubauen, so dass das Bartholomäusfest im nächsten Jahr mit einer frisch wiederhergestellten Orgel stattfinden kann. Die Kosten werden auf 40.000 Euro geschätzt. 5000 Euro davon sichert uns die Landeskirche aus ihrem Nachhaltigkeitsfonds zu. Wir erwarten auch weitere Spenden und sind zuversichtlich, in keine finanziellen Probleme zu geraten. Wir hoffen, dieses Orgel-Projekt als Projekt der Saxonia-Stiftung durchzuziehen. Die Raten-Abzahlung soll durch die Vermietung des Kindergartens in der Schulgasse gedeckt werden. In fünf Jahren wäre die Orgelreparatur durch diese Mieteinnahmen finanziert.
Die Rückgabe des ehemaligen Gemeindesaales ist noch in Bukarest bei der Landesbehörde für Eigentums-Rückgabe (ANRP) in Bearbeitung. Ein Teil, wo das Casino war, wurde, wie erwähnt, in einen Turnsaal umgewandelt. Kurz nach der Verstaatlichung waren da, wie auch in der Deutschen Schule, die Ämter des russischen Kommissariats untergebracht. Die Schule wurde bereits vor zehn Jahren der Kirche rückerstattet und verkauft, da die Rückgabe in Zusammenhang mit einem Vorverkaufsvertrag stand.
 
Sehr bekannt ist die Bartholomäus-Gemeinde auch durch ihr Gemeindefest.
Unser Gemeindefest ist zum größten Gemeinschaftsfest im Burzenland geworden, hat also einen übergemeindlichen Charakter erhalten. Ein Höhepunkt war zweifellos die Feier im Jahr 2017, als unser seit hundert Jahren als verschollen geltender Kelch zurückgekehrt ist. Wegen der Pandemie musste das Fest in diesem Jahr in bescheidenerem Rahmen abgehalten werden. Aber ein Kirchweihfest wird nie abgesagt. Damit haben wir auch gezeigt: „Wir bleiben unseren Verpflichtungen treu!“
 
Wie sorgt die Gemeinde für Ihren Friedhof?
Unser Friedhof liegt sozusagen rund um die Kirche. Laut unserem ehemaligen Pfarrer Obermayer gehen die Bartholomäer auf ihrem Weg zur Kirche auch am Friedhof vorbei, um ihre Ahnen am Gottesdienst teilhaben zu lassen. Die Gräber sind gepflegt und es ist eine Freude, wenn die Blumen auf den Gräbern blühen. Wir haben Mitarbeiter, die auch für den Friedhof sorgen. Was wir aber untersagen, ist die Abdeckung der Gräber mit Betonplatten. Wir wollen nicht unseren Friedhof in eine Betonwüste verwandeln. Der Friedhof ist ein konfessioneller Friedhof. Wenn es sich um konfessionell gemischte Ehepaare handelt, werden sie selbstverständlich im selben Grab beigesetzt.
 
Wie sind die Beziehungen zu den ausgewanderten Bartholomäern?
Es sind gute Beziehungen, die Heimatgemeinschaft der Kronstädter erhält jährlich Berichte zur Lage in Bartholomae; wir telefonieren miteinander. Der Vorsitzende der Kronstädter HG, Anselm Honigberger, war ja Tenor in unserem Kirchenchor, er hat auch Lieder seines Großvaters, Emil Honigberger, gesungen. Auf die gesamte HOG-Regionalgruppe Burzenland bezogen müsste aber bemerkt werden, dass diese nicht so aktiv ist wie ihre Kollegen aus dem Altland.
 
Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Forum?
Die Kirchengemeinde muss mit dem Deutschen Forum, das ja die weltliche Vertretung unserer Gemeinde ist, zusammenarbeiten. Das geht ja anders gar nicht. Wir haben zweimal unser Festzelt für die geselligen Veranstaltungen des Ortsforums Kronstadt zur Verfügung gestellt. Andrerseits hat das Forum unseren Antrag auf finanzielle Unterstützung für Auf- und Abbau des Festzeltes bei unserem Bartholomäusfest und eventuell für einen Teil der Verpflegungskosten bewilligt. Einen besonderen Dank richten wir Bartholomäer an unseren Abgeordneten Ovidiu Ganț aus, der uns tatkräftig und erfolgreich in unseren Anliegen betreffend Rückgabe von ehemaligem Kircheneigentum unterstützen konnte. Unter den besonderen Bedingungen der geltenden Gesundheitsschutzmaßnahmen haben wir allerdings in diesem Jahr einem mündlichen Anliegen des Kreisforums nicht stattgeben können: Die jüngste Vertreterversammlung sollte in unserem Kirchhof abgehalten werden; bei Regenwetter in der Bartholomäer Kirche. Aber die Kirche ist nicht für solche Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen.
 
Wie steht die Gemeinde ihren Seniorinnen und Senioren bei?
Auf Grund eines Beschlusses von 2008 zahlen wir als Kirche einen Teil der Kosten für Arzneimittel. Damit soll verhindert werden, dass unsere Mitglieder zu Sparmaßnahmen gezwungen werden und verschiedene Verzichte in Kauf nehmen, um zu ihren Medikamenten zu kommen. Wir übernehmen einen Teil dieser Kosten. Dafür muss ein ärztliches Rezept des Hausarztes und der Kassenbon aus der Apotheke vorgelegt werden. Die Medikamentenkosten sind für uns doppelt so groß wie die Einnahmen aus den Kirchensteuern. Durch unsere Hilfen haben wir aber keine Nachzügler bei der Begleichung des Kirchenbeitrags.
 
Wie können Touristen die Kirche besichtigen?
Unser Pfarramt ist von montags bis freitags vormittags bis um 12.30 Uhr geöffnet, und am Nachmittag, am Dienstag und Donnerstag, von 15 bis 18 Uhr. In dieser Zeit kann jeder im Pfarramt nachfragen und wird auch ins Gotteshaus geführt. Wir zeigen jedem unentgeltlich unser Gotteshaus und jeder kann da auch beten, so wie er es für nötig hält. 
Wir haben zwei Kirchendiener, von denen einer eigentlich immer im Kirchhof anzutreffen sein müsste. Wir können allerdings keine richtige Führung anbieten, glauben aber, dass der romanische Baustil der Kirche, die älteste in Kronstadt, schon allein für sich spricht. Anbieten können wir einen Führer durch die Bartholomäer Kirche, eine Broschüre, die für 12 Lei gekauft werden kann.
 
Vielen Dank für dieses Gespräch!