Die Kleidung diktiert die Form des Hutes

Ein Interview mit Kristina Dragomir, der Hutmacherin der königlichen Familie Rumäniens

Kristina Dragomir drückt sich künstlerisch durch Hüte aus.
Fotos: Kristina Dragomir

Dieser Hut der Hutmanufaktur Kristina Dragomir ist mit Schmetterlingen dekoriert.

Königin Elisabeth die II., Prinzessin Margarita von Rumänien, berühmte Sängerinnen, Schauspielerinnen, Models und Influencerinnen wie Lady Gaga, Katy Perry, oder Chiara Ferragni tragen sie. Haute Couture- und Prêt-à-porter-Modedesigner, Theaterhäuser und Filmproduktionen bestellen sie. Die maßgeschneiderten Hüte der rumänischen Hutmacherin Kristina Dragomir sind von London über Paris bis Tokyo, von Los Angeles bis Tel Aviv gefragt. Ihre Kreationen sind auf Titelseiten von Zeitschriften wie „Elle“, „Vogue“, „Glamour“ oder „Schön!“. Acht Jahre nach der Eröffnung wurde die „Hutmanufaktur Kristina Dragomir“ zum Hoflieferanten des rumänischen Königshauses. Im Gespräch mit ADZ-Redakteurin Laura Căpățână Juller erzählt die Hutmacherin über die Bedeutung von Hüten, die Trends in Rumänien oder die Vorteile professioneller Beratung in der Auswahl der Kopfbedeckung.

Was bedeuten Hüte für Sie?

Der Hut ist ein bedeutendes Accessoire für die nonverbale Kommunikation. Er ist ein kostbarer Beweis der Originalität, der durch unterschiedliche zeitgenössische und avantgardistische Formen als nonverbales Kommunikationsmittel dient. Meine Hüte können als Kommunikationsmittel gelten, sie sind die künstlerische Ausweitung der Persönlichkeit derjenigen, die sie tragen, ein selbstverständlicher Ausdruck ihres ästhetischen Diskurses.

Woher stammt Ihre Leidenschaft für Hüte?

Ich übe diesen Beruf seit 15 Jahren aus. Ich habe Malerei an der Kunsthochschule studiert und nach dem Studium all mein Wissen und Können, meine ganze Leidenschaft und Liebe auf diese dreidimensionale Objekte übertragen. Für mich sind Hüte nicht einfache Kopfbedeckungen, sondern eher künstlerische Formen, durch die ich mich sehr gut schöpferisch ausdrücken kann.
Ich habe viel darüber recherchiert. In meiner Doktorarbeit, „Der Hut – Zwischen Kunstobjekt und zeitgenössischem Accessoire“ gehe ich diesem Thema auf den Grund. Ich habe viele Modelle aus der Geschichte studiert und belegt, wie aktuell sie in der Gegenwart sind. Die Muster aus der Vergangenheit stellen eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart dar. Wir wenden fast dieselben Formen an, passen sie aller-dings den modernen und zeitgenössischen Geschmäckern an, wir interpretieren sie neu.

Der Hut war lange Zeit unabdingbar, heute ist er kein Muss mehr. Kann er wieder so beliebt werden wie einst?

Die Kopfbedeckung ist ein Kleidungs-Accessoire, das schon im Paläolithikum unverzichtbar für den Menschen war. Schon die Venus-Statuen deuten die Erscheinung des Hutes an. Der Körper ist bloß, oder größtenteils entblößt, der Kopf ist jedoch immer mit einem Accessoire bedeckt. Es ist ein Akzent, der in der Hierarchie der Accessoires ständig wichtig war.
In Rumänien trug man bis etwa 1947 zu jedem Anlass eine Kopfbedeckung, als Ergänzung des Anzugs. Seitdem diese Tradition unterbrochen wurde führt dieses Accessoire ein Schattendasein.

In der Gegenwart hat sich in den letzten Jahren einiges getan, die Leute haben Mut gefasst und experimentieren – wahrscheinlich auch durch die Migration. Besonders auf internationaler Ebene wird der Hut immer beliebter. Sowohl Männer wie auch Frauen schließen ihn in ihre Alltags-Garderobe ein. Die strengen Beschränkungen von einst, sie nur zu besonderen Anlässen zu tragen, gelten nicht mehr. Die jungen Menschen haben sich die Freiheit genommen, sie unterschiedlich zu interpretieren und anzuwenden. Die Modelle sind jedoch die klassischen.

Was trägt man gerne in Rumänien?

Vor allem der Fedora-Hut ist sehr beliebt (Anm. d. Red.: Fedora ist ein weicher Filzhut, der längs der Krone nach unten geknickt und an der Vorderseite an beiden Seiten eingekniffen ist.  Im späten 19. Jahrhundert galt er als ein Kleidungsaccessoire der Oberschicht). In den letzten Jahren ist es eine etwas unvollkommene Fedora, die man trägt. Es ist ein Trend von Ende der 1980er Jahre, der aus Japan stammt und in den 2010ern wiedergekehrt ist. In Japan haben renommierte Modeschöpfer wie Rei Kawakubo (Comme des Garçons), Issey Miyake und Yohji Yamamoto die klassischen, westlichen Kleidungsstücke dekonstruiert und eine Ästhetik des Unvollkommenen und des bereits Gebrauchten belebt.

Es war eine Art Protest gegen die Haute-Couture-Industrie, die jährlich besonders ausgearbeitete, spezielle Modelle entwarf, die Konsumenten fernhielten. Die Modedesigner haben gezeigt, dass diese Kleider  und Accessoires auch im Alltag getragen werden können, sie haben sie leicht tragbar gemacht. So ist der Hut zugänglich geworden, er ist nicht sehr ausgearbeitet, hat trotzdem aber eine feste Kontur. Die Krempe muss eine Kontur haben, sie muss ausgefeilt, elegant, gestärkt, dekoriert sein. Verliert sie diesen Charakterzug, erhält die Kopfbedeckung einen nachlässigen Aspekt. Eben dieser ist derzeit sehr gefragt.

Sie halten auch Workshops. Was zieht Ihrer Meinung nach die Teilnehmer am Hutmachen an?

Es sind sehr viele, die Mut gefasst haben und etwas mit den eigenen Händen herstellen möchten, die kreativ sein möchten. Das manuelle Herstellen von Hüten ermöglicht es, das Objekt nach Herzenslust zu gestalten, es gibt keine Grenzen.

Zu welchen Ereignissen sollte man die Hüte aus ihrer Kollektion tragen?

In Rumänien werden Hüte bei Gartenparties des königlichen Hauses, bei Botschaften oder zu anderen gehobenen Anlässen getragen. Die Frauen werden ermutigt, extravagante Hüte aufzusetzen. Dann gibt es noch soziale Ereignisse wie Royal Ascot (Anm. d. Red.: ein prestigereiches Pferderennen in Großbritannien) und viele andere, wo man auch mit spektakulären Kopfbedeckungen auftreten kann. Für derartige Veranstaltungen bestellen einige meiner Kundinnen Hüte.

Andere tragen sie im Alltag, auf der Straße. In meiner Kollektion gibt es einfache, aber stilvolle Modelle, wie beispielsweise eine Kappe mit Ohrenklappen, die für drei Jahreszeiten geeignet ist. Die Ohrenklappen sind aus frischem Filz und sehen wie Kopfhörer aus – das erinnert uns an die urbane Geräuschkulisse im Alltag. Dieses Muster ist sehr vielseitig, man kann es zu einer Lederjacke oder zu einem Mantel tragen. Ich habe an jeden Moment des Tages gedacht, an dem man es tragen kann.

Ich gestalte eine große Palette an Hüten, die abhängig vom Zeitpunkt, Anlass und von der Garderobe und vor allem von der Persönlichkeit der Kundin gewählt werden. Die Frauen, die meine Kreationen tragen, wollen mehr von sich selbst, von ihrem Outfit. Sie suchen mutige, unkonventionelle Formen. Sie haben keine Vorurteile und Hemmungen, sie wollen Aufsehen erregen.

Auch internationale Stars tragen Ihre Kreationen. Wie haben sie zusammengearbeitet?

Die Stars haben große Teams von Stylisten, die sie für ihre Auftritte auf dem roten Teppich, bei Galas, in Fernsehshows, in Videos vorbereiten. Die Stylisten geben mir ganz genaue Angaben über die Garderobe, die getragen wird, und über die Art des Ereignisses. Danach richte ich mich bei der Gestaltung der Kopfbedeckung.

Welches ist der Unterschied zwischen einem maßgeschneiderten Hut und Massenware?

Hut-Modelle, die industriell hergestellt werden, findet man in Geschäften. Das macht sie preiswert. Sie sitzen aber nicht perfekt, passen vielleicht nicht zum Stil, zum Charakter des Kunden.
Alles, was mit Eleganz und Koketterie zu tun hat, muss handgemacht, also an die Maße, Persönlichkeit, an die Art des Kunden angepasst werden. Zudem unterscheiden sich die Stoffe, mit denen man manuell arbeitet, von denen, die man in Fabriken verwendet. Ich arbeite ausschließlich mit Material aus London, das gänzlich aus natürlichen Fasern verarbeitet wurde.

Was wäre Ihre Empfehlung für Leute, die Hüte tragen möchten?

Ein Besuch im Showroom ist sehr wichtig, weil der Kunde und ich uns kennenlernen. Der Wunsch und die Vorstellung des Kunden zählen, aber auch dessen Physio-gnomie, Hautfarbe, Frisur, seine Maße. Nur so kann ich ein Hutmodell empfehlen oder eines entwerfen.

Es ist eine professionelle Beratung und ich ermutige Leute, diese Erfahrung zu machen. Auch wenn man letztlich nichts kauft, erfährt man einiges über das eigene Gesicht, den eigenen Stil und darüber, was einem steht. Es ist etwas Besonderes, dass ein Designer eine große Auswahl an Mustern an die Wünsche der Kunden anpassen kann.

Vielen Dank für das Gespräch!