Die kohärente Entwicklung des Kreises Kronstadt im Blickpunkt

Gespräch mit Mihai Pascu, Direktor der Agentur für Nachhaltige Entwicklung des Kreises Kronstadt

Mihai Pascu, Direktor der Agentur für Nachhaltige Entwicklung des Kreises Kronstadt

Zwei Wisente wurden aus einem Gehege in Frankreich gebracht.
Fotos: der Verfasser

Öffentliche Beamte haben ein schweres Leben: Meistens wird wenig von dem, was sie leisten, anerkannt, und, wenn das doch geschieht, so wird ihnen oft nachgesagt, es stecke irgendwo irgendetwas dahinter, mit der Andeutung, es seien andere Interessen im Spiel. Nun, ob wir es wahr haben wollen oder nicht, seitdem Menschen in Gemeinschaften leben, gibt es auch solche, welche öffentliche Aufgaben wahrnehmen und erfüllen. Die überwiegende Mehrheit macht es mit Gewissenhaftigkeit, ehrlich und tatsächlich bemüht, den Pflichten nachzukommen. Ein meistens sehr präzises Anzeichen für die Art und Weise, wie Gemeinde, Stadt, Kreis oder auch nur das Dorf solche Vertreter wahrnehmen, ist das Verhalten als Wähler, welches alle vier Jahre zutage tritt. Ein Gemeindevertreter im Kreisrat Kronstadt/Braşov, welcher schon vor Jahren das Vertrauen der Bürger gewonnen hat, ist Mihai Pascu, der Hans Butmaloiu über seine Person und Tätigkeit ein Interview gewährt hat.

Wer ist Mihai Pascu? Stellen Sie sich bitte vor.
Also, ich könnte es so formulieren: Ich stamme aus einer richtig europäischen und multikulturellen Familie (lacht), wie es für viele hier in der Umgebung auch der Fall ist. Mein Großvater mütterlicherseites war ein waschechter Siebenbürger Sachse, Thiess Johann, meine Großmutter war eine Szeklerin, daher kam meine deutsch-ungarische Mischung. Mein Vater war Rumäne, aus dem direkten Umfeld, nämlich neben Tartlau/Prejmer. Geboren bin ich hier in Kronstadt, meine Jugend, Schule, Freunde sind an diese Stadt gebunden, und, wenn Sie so wollen, bin ich ein echter Kronstädter Mischling. Meine Kindheit habe ich im Hause meiner Großmutter in der Waisenhausgasse verbracht. Leider, dass ist traurig, habe ich Großvater nicht mehr erlebt. Er hatte so wie viele Siebenbürger Sachsen ein schweres Los: Da er fließend Rumänisch sprach, Deutsch sowieso, war er als Übersetzer während des Zweiten Weltkrieges für das deutsche Militär tätig. Als die Russen kamen, wurde er als Kriegsgefangener sofort in einen Kohlenabbau nach Sibirien verschleppt und man wusste nichts mehr von ihm. Schreiben nachhause durfte er natürlich nicht. Oma, meine Oma, eine gläubige Katholikin, hat ihr Vertrauen in seine Rückkehr nie aufgegeben... und hat alleine drei Kinder großgezogen... Als er endlich wieder daheim war, war er gesundheitlich so arg mitgenommen, dass er bald verstarb. Einige Jahre vor meiner Geburt. Das war sein Schicksal.

Ihre Deutschkenntnisse haben Sie also als Kind in der Familie erworben?
Na ja, Deutschkenntnisse! Von meiner Oma habe ich Ungarisch gelernt, und zwar gut gelernt. Mit dem Deutschen war es ja vor der Wende so wie es war, ich habe natürlich etwas mitbekommen, aber wenig Übung, ich hatte Deutsch auch in der Schule einige Jahre, doch so gut ist mein Deutsch nun doch nicht. Leider. 

Und nun zu Ihrer beruflichen Laufbahn in der Kreisverwaltung...
Ich arbeite in der Kreisverwaltung seit 1993. Dazu könnten jetzt einige sagen, dass sei schon viel zu lang. In die öffentliche Verwaltung bin ich aus dem Sozialwesen gekommen, genauer gesagt war ich vorher Direktor der Vorläuferbehörde, welche heute für Kinderschutz zuständig ist. Es waren die Jahre, als hierzulande ein Experiment eingeleitet worden war, um die Waisenheime durch eine andere Fürsorgeform zu ersetzen. Mein Einstieg in diese Tätigkeit erfolgte über einen britischen regierungsunabhängigen Verein. 1993 begann ich noch sehr jung, mit großen Hoffnungen nach der Wende, Hoffnungen, von denen sich einige erfüllt haben, andere wiederum nicht. Ich habe nie zu einer Partei gehört, nicht einmal zu der kommunistischen (lacht) – wenn ich zurückdenke, war ich bei der Wende Student im zweiten Jahr, also noch sehr jung. Ich habe mich dann auf dem Gebiet der Lokalverwaltung weiter fortgebildet. Das lief auf zwei Gleisen, einerseits durch die Tätigkeit an meinem Arbeitsplatz und nebenbei durch Fortsetzen meines Studiums. Ich habe es geschafft, mehrere Fachausbildungen in Verwaltung abzuschließen. Meinen Doktor habe ich in Soziologie gemacht, eben um eine Ausweitung in meiner Berufslaufbahn zu haben. Heute, nach so vielen Jahren, kann ich sagen, dass ich mit Stolz einige Leistungen vorweisen kann.

Eine davon haben wir schon in unseren Nachrichten erwähnt, das Wisent-Gehege im Bosau/Buzău-Pass. Wie ist es eigentlich zu diesem Projekt gekommen, was war der eigentliche Auslöser?
Es war 2006, als wir eine Gruppe amerikanischer Fachleute in Rumänien hatten, sie kamen über die US-Botschaft in Bukarest. Diese erstellten auch einige Studien über Entwicklungsmöglichkeiten in entlegenen Regionen, darunter auch für den Bosau-Pass, ein Areal um das Ciucaş-Gebirge, unberührt, mit einfach grandiosem Potenzial. Das Konzept einer touristischen Trasse klang schön, es gehörte zu dem Gesamtkonzept, doch es fehlte an allem und wir waren in einem Teufelskreis, den wir zu sprengen versuchten. 

Warum ein Teufelskreis, die Gegend ist doch einmalig schön, unbelastet und voll von frei lebendem Wild, einfach ideal für Tourismus?
Eben, sie verfügte jedoch damals nur über eine Straße, das war alles. Die Urlauber kamen, nicht wenige, doch sie kamen morgens, campten, wanderten, spielten, sonnten sich und fuhren abends wieder heim. Weil es keine Übernachtungsmöglichkeiten und keine Gaststätten gab, blieben sie nicht und die Einheimischen bauten keine Herbergen oder Pensionen, eben weil die Touristen nicht blieben. Als Attraktion und wegen der guten Bedingungen entwickelten wir das Konzept des Wildgeheges und da ich als Kind die Auerochsen/Wisente von Haţeg in Erinnerung hatte, entschlossen wir uns, mit Hilfe der Gemeinde Vama Buzăului und Tartlau zusammen mit der Agentur für Nachhaltige Entwicklung des Kreises, deren Direktor ich bin, dieses Projekt gemeinsam in Angriff zu nehmen.

Ich gehe darüber hinweg, wie wir zu dem Gelände kamen, mit den Wisenten war es aber lustig. Wir haben die drei bereits bestehenden Gehege in Rumänien befragt, wie wir auch einige Exemplare bekommen könnten. Der Preis hat uns umgeworfen: Der betrug damals 300.000.000 Lei! Also, soviel Geld hatten wir entschieden nicht! Wir begannen die Suche nach anderen Gehegen, welche in Europa schon Erfahrung hatten. Die Geschichte dieser Tiere, wie sie von Polen aus wieder vermehrt wurden, wie es dazu gekommen ist, dass wir heute wieder einen steigenden Bestand europaweit haben, die ist bekannt. So haben wir erfahren, dass es ein Netzwerk gibt, über welches von Polen aus Exemplare verschenkt und nicht verkauft werden! Natürlich, wir haben die Transportkosten, Gebühren alles andere bezahlt. Über polnische Vermittlung haben wir dann die ersten fünf Exemplare bekommen, aus Polen, Österreich und der Schweiz, und es ist der eigene Bestand entstanden. Das Gehege wurde umzäunt, mit Futterstellen und allem Notwendigen ausgestattet, es entspricht heute allen Anforderungen auf höchstem Niveau. Das Geleistete beeindruckte ein Jahr später bei der Internationalen Konferenz für Wisente in Polen so sehr, dass wir andere fünf Exemplare aus Frankreich bekamen. Na ja, heute sind es 17, und, gemessen an präzisen Kriterien, nämlich wie viele Geburten es bei welchem Bestand von erwachsenen Tieren gibt, stehen wir hervorragend. Nebenbei bemerkt, jetzt leben im Gehege auch Rehe und Hirsche, welche zugezogen sind, verlassene Jungtiere, verletzte, allerhand. Sie gehören jetzt auch zu unserem Bestand.

Welches ist zurzeit Ihr genauer Aufgabenbereich im Rahmen des Kreisrates?
Formell nennt sich die Abteilung, welche ich leite, „Direktion für Europäische Koordination und Integration“ und ich bin Direktor der Agentur für Nachhaltige Entwicklung des Kreises Kronstadt. Wahrscheinlich sagt diese Amtsbezeichnung nicht viel über die eigentliche Tätigkeit aus. Praktisch besteht diese aus dem Abrufen von europäischen Fördermitteln in verschiedensten Bereichen, aus dem Ausarbeiten und Umsetzen von Entwicklungsprojekten des Kreises. Konkret bemühen wir uns, alle Lokalkommunen in ihrer Entwicklung zu unterstützen und zu fördern, indem wir Investitionen einbringen, welche einerseits zu einer Steigerung der Lebensqualität führen und andererseits zu einem größeren Konzept, einer Strategie gehören, durch die der Kreis kohärent entwickelt wird. Neben diesen Investitionen der Kreisverwaltung bin ich auch für die Bereiche Kultur, die Verbindung mit unseren Partnern im In- und Ausland und noch einiges mehr zuständig.

Welches sind gegenwärtig die Projekte, an welchen Sie arbeiten?
Mehrere, doch auf das jüngste möchte ich direkt hinweisen, es nennt sich „Kronstädter Solidarität“ und wurde am 8. Dezember 2011 vom Kreisrat bewilligt. Es ist eine Partnerschaft zwischen dem Kreisrat, der Metropolie Siebenbürgens und der Agentur für Nachhaltige Entwicklung des Kreises mit dem Ziel, Bürgern des Kreises, welche sich aus objektiven Gründen in Not befinden, Hilfe und Unterstützung zu gewähren. Dazu gehören Kinder, welche die Schule aufgegeben haben, weil die Familie in Geldnot ist, Bürger, welche unfähig sind, sich ein Einkommen zu erwerben, alleinstehende ältere Personen, welche in Not sind. Durch das Projekt entsteht ein Netz, welches Spenden übernimmt und diese weiterleitet und übergibt. Im Kreisgebiet gibt es sechs Sammelstellen, in Hamruden/Homorod, Fogarasch/Făgăraş, Victoria-Stadt/Oraşul Victoria, Kronstadt/Braşov, Rosenau/Râşnov und Săcele. Die meisten davon befinden sich in orthodoxen Pfarrämtern. Durch dieses Netz, welches vorläufig 250 orthodoxe Pfarrgemeinden umfasst, werden Spenden aller Art gesammelt, von Kleidung bis zu Geld oder Lebensmitteln. Nach dem Motto: „Was für dich überflüssig ist, nutzt einem anderen“. Was ich jetzt hoffe und woran ich arbeite ist, möglichst bald auch andere Konfessionen außer der orthodoxen heranzuziehen.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.