„Die Lenau-Schule lebt weiter“

Ergreifende Momente beim Fest zum 153-jährigen Jubiläum

Lyzeumsschüler, die besondere Projekte in den naturwissenschaftlichen Fächern erarbeitet hatten, wurden mit den Carmen-und-Jakob-Walbert-Förderpreisen bedacht. | Foto: Raluca Nelepcu

Helene Wolf und Franz Quint, die Gastgeber beim Festakt in der Oper | Fotos (2): Zoltán Pázmány

ZfA-Leiterin Heike Toledo und Alexandru Szepesi vom rumänischen Bildungsministerium waren bei der Sprachdiplom-Vergabe bei der Lenau-Jubiläumsfeier dabei.

Es war wie eine große Familienfeier, als am vergangenen Wochenende das 150-jährige Jubiläum der deutschen Nikolaus-Lenau-Schule in Temeswar/Timișoara mit einer pandemiebedingten, dreijährigen Verspätung gefeiert wurde.  Absolventen von fern und nah kamen zusammen, um ihre Schule und vor allem die ehemaligen Kolleginnen und Kollegen wiederzusehen, aber auch, um den „Geist” der Lenau-Schule noch einmal erleben zu dürfen. Dieser Geist macht den generationenübergreifenden Zusammenhalt möglich, meist auch über Grenzen hinweg. Ihm ist ein gesamtes Kapitel in dem jüngst erschienenen, fast 700 Seiten schweren Buch „Die Lenauschule sind wir” gewidmet. 

Das Schuljubiläum begann mit der Vergabe der Deutschen Sprachdiplome (DSD) Stufe II der Kultusministerkonferenz im Festsaal der Schule. Das Deutsche Sprachdiplom ermöglicht den Lenau-Absolventen schon seit vielen Jahren, im deutschsprachigen Ausland zu studieren, es ist auch ein Nachweis der sehr guten Deutschkenntnisse, der oft bei der Jobsuche den Unterschied macht. Zu den Feierlichkeiten war auch Heike Toledo von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) in Bonn nach Temeswar gereist. Seit über 20 Jahren ist die ZfA Partner des Nikolaus-Lenau-Lyzeums. „Die rumänischen Schülerinnen und Schüler gehören zu den besten. Vielleicht auch, weil sich unsere Lernkulturen auch sehr gut ergänzen”, sagte ZfA-Leiterin Heike Toledo. Die ZfA-Fachberaterin für Westrumänien, Annette Richter-Judt, die 37 Schulen betreut, berichtete, dass heuer 750 DSD-Prüfungen in diesem Landesteil abgenommen wurden. Am Nikolaus-Lenau-Lyzeum seien es über 60 Prüfungen gewesen. „Die Bestehensquote an der Lenau-Schule beträgt 82 Prozent – das ist ein sehr gutes Ergebnis und wir freuen uns sehr darüber”, sagt Annette Richter-Judt, die seit Februar 2021 in Rumänien tätig ist. 

Wer am vergangenen Wochenende in die Schule kam, der durfte in den Fluren zwei herausragende Fotoausstellungen besichtigen. Zum einen die Fotos des Chef-Boss-Fotowettbewerbs 2019, zum anderen die Ausstellung „Reisender zwischen Wien und Temeswar” des Künstlerfotografen und Lenau-Absolventen Călin Piescu, die bis Schuljahresende noch dort zu sehen sein werden. Im Festsaal konnte man die Ölbilder von Lenauschülern aus der Kunstakademie 2020 und 2022, die unter Anleitung der Malerin Ottilie Scherer entstanden waren, bewundern, Freitagnachmittag gab es dort eine literarische Lesung mit den ehemaligen Lenau-Schülern Sigrid Katharina Eismann, Katharina Kilzer, Halrun Reinholz, Fred Zawadzki und Walter Roth. Auch ins Kino bzw. ins Deutsche Staatstheater gingen die Teilnehmer an der Lenau-Jubiläumsfeier.  

Ein Festakt mit vielen Auszeichnungen

Ein Höhepunkt der Feierlichkeiten war der Festakt in der Nationaloper am Freitag. Moderiert wurde die Veranstaltung von dem Intendanten des Deutschen Staatstheaters Temeswar, selbst ein Absolvent der Lenau-Schule, Lucian Vărșăndan, wobei der Vorsitzende des Vereins der Freunde der Lenau-Schule, Franz Quint, und die Lenau-Schulleiterin Helene Wolf als Gastgeber fungierten. In dem Saal waren fast alle Plätze besetzt. Aktuell an der Schule aktive Lehrer und Schüler, ehemalige Unterrichtende, Direktoren, Absolventen, Politiker, die deutsche Konsulin Regina Lochner, selbst der römisch-katholische Bischof Josef Csaba Pál und andere Schulfreunde kamen zusammen, um gemeinsam das Schuljubiläum zu begehen. Viele Herzen füllten sich schon beim Anblick des Lenau-Wappens, das auf einen roten Hintergrund auf der Bühne projiziert wurde, mit Stolz und Freude. 

In der Oper wurden auch die Elsa-Lucia-Kappler- bzw. die Carmen-und-Jakob-Walbert-Preise an Schüler mit herausragenden Leistungen in Deutsch bzw. in den Naturwissenschaften verliehen. Der Elsa-Lucia-Kappler-Preis wurde 2009 von Prof. Dr.-Ing. Günter Kappler ins Leben gerufen. Elsa Lucia Kappler (1908 – 1984) hieß die Mutter des Preisstifters, sie war zwischen 1956 und 1960 Lehrerin an der Lenau-Schule. In diesem Jahr erhielten jeweils den ersten Preis beim Kappler-Wettbewerb die Schüler David Mihuța (10. Klasse) und Bernard Rudăreanu (11. Klasse). Den zweiten Preis der 10. Klasse bekam Andreea Babușca, der dritte Preis wurde Daniel Roșu zuteil. Die weiteren Preisträger aus der 11. Klasse waren Anais Dragu und Denisa Marcu (2. Preis), und Christoph Krämer (3. Preis). Die Walbert-Förderpreise im naturwissenschaftlichen Bereich, die seit 2015 von dem Ärztepaar Carmen und Jakob Walbert gestiftet werden, waren in diesem Jahr sehr vielfältig. Die Gewinner im Fach „Biologie“ waren Antonia Silvășan (10. N), die Schüler David Mihuța, Iulia Nicoraș und Daniel Roșu (10. N), Raisa Rasnoveanu und Alexandra Nedela (9. N) und Ioana Sturza (11. N).  Im Fach „Chemie“ gab es drei Gewinner(teams): Denisa Marcu und Dragoș Rusu (11. MI), Carina Păcuraru und Iulia Mornoș (9. MI) und Fiona Gerbl (11. MI). Auch in der Informatik-Technik wurden mehrere Preise vergeben. Die Gewinner waren Mihnea Bucovan und Matei Crăiniceau, Mihai-Alexandru Bloju und Nina Năznean sowie Rebecca Gall und Alessia Ionilă. Im Bereich Mathematik/Chemie gab es zwei Preisträger: Daniel Ciortea-Neamțiu und Eduard Bob. Die Physik-Förderpreise ergatterten Clara Butar, David Mihuța, Iulia Nicoraș, Daniel Cristian Roșu, Robert Korbuly, Maya Tamasi und Luca Mihet-Popa. „Ich habe in vielen Ländern gelebt und gearbeitet und alle Menschen dort hatten einen tiefen Respekt fürs Lernen und fürs Forschen. Denn dadurch wachsen wir nicht nur als Menschen, sondern wir leisten einen Beitrag zur Gesellschaft und zur Menschheit als Ganzes“, sagte Carmen Walbert in einer ergreifenden Rede. Und weiter: „Was ich gelernt habe, ist, dass Bildung nicht nur allein vom Wissen abhängt, sondern auf einem menschlichen Wertesystem basiert, und dazu gehören Aufrichtigkeit, Fleiß, Ehrlichkeit, Empathie, Toleranz und Respekt. Und damit möchte ich sagen: Die Menschen machen den Unterschied. Bleibt diesen Prinzipien treu“, ermahnte sie die Schülerinnen und Schüler, die auf der Opernbühne ihre Preise überreicht bekamen. 

„Lenau-Schüler mit Leib und Seele“

Im Rahmen der Festveranstaltung überreichte der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, Johann Fernbach, die Ehrennadel in Gold an den Vorsitzenden des Vereins der Lenau-Freunde und Prorektor der Hochschule Karlsruhe, Franz Quint. „Ich bin Banater Schwabe, ich bin Hatzfelder und ich bin Lenau-Schüler mit Leib und Seele. Ich betrachte diese Auszeichnung als eine Würdigung der Tätigkeit unseres Vereins, der Schule und damit verbunden den aktuellen Schülern zu helfen, im Sinne eines inversen Generationenvertrages. Es ist eine große Ehre für mich“, sagte Franz Quint, der die Ehrennadel im Namen aller Vereinsmitglieder, die sich für ihre ehemalige Schule ehrenamtlich einsetzen, entgegennahm. Seinerseits würdigte auch der Verein einige Menschen, die der Schule stets nahe gestanden sind: den ehemaligen Bürgermeister und Lenau-Absolventen Gheorghe Ciuhandu und den aktuellen Bürgermeister Dominic Fritz, die die Renovierung der Schule initiiert bzw. zu Ende gebracht haben. Mehrere Gänsehaut-Momente gab es während der Feier in der Oper. So zum Beispiel der Augenblick, als die 94-jährige einstige Mathematiklehrerin und stellvertretende Schulleiterin Barbara Bonfert auf die Bühne trat, um die Ehrennadel des Vereins der Freunde der Lenauschule entgegenzunehmen. Für Barbara Bonfert, die sichtbar gerührt war, gab es anhaltenden Beifall. Auch die Preisstifter Günter Kappler bzw. Carmen und Jakob Walbert, sowie der Abgeordnete der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament und einstige Schuldirektor Ovidiu Ganț, der sich stets für die Belange der Lenau-Schule eingesetzt hat, wurden mit der Ehrennadel des Lenau-Vereins geehrt.
 
„Die Lenau-Schule lebt weiter, sie besteht und überwindet die Zeit und auch wenn sie nicht mehr so ist wie in unseren Erinnerungen, so ist sie eben anpassungsfähig genug, mit den neuen Generationen Schritt halten zu können. (…) Somit lasst uns alle, Jung und Reif, das Wort ‘Alt’ vermeiden, unsere Lenau-Schule gebührend feiern, die uns alle, unsere gesamte Lenau-Gemeinschaft, wie ein Magnet zusammenzieht und vereint“, sagte Deutschlehrerin Lorette Cherăscu in ihrer Festrede. Zwar würde das Lenau-Deutsch, die sprachliche Mischung von Deutsch und Rumänisch, so langsam verschwinden. Dennoch solle man sich freuen, dass die deutsche Sprache nach wie vor sehr gesucht sei – die Lenau-Schule besuchen heutzutage fast 1700 Schüler. 

Zu den besonderen Momenten der Lenau-Jubiläumsfeier gehörte auch der Gottesdienst am Samstag, wie Lenau-Schulleiterin Helene Wolf betonte. Die frisch sanierte Sankt-Georgs-Kathedrale war voll, als Generalvikar Johann Dirschl die Heilige Messe zelebrierte. „Die Botschaft war eine besondere, und auch die musikalische Untermalung, der Chor, die Orgel – alles war sehr bewegend”, äußerte sich die Schulleiterin im Nachhinein. 

Am Samstagabend wurde im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus noch eine große generationenübergreifende Lenau-Party organisiert. Überall fühlte man sich im Lenau-Geist miteinander verbunden.