Die Niederländisierung Rumäniens

Rumänien zahlt höchste Fördersummen für Windenergienutzung

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Jeder von uns finanziert bereits ein gewisses Quantum an regenerierbarer Energie, wenn er seine Stromrechnung bezahlt. Dies, weil der Stromlieferant, Electrica Furnizare, die so genannten Grünen Zertifikate kaufen muss, zum jeweiligen Marktpreis, und weil der Stromzulieferer natürlich seine Kosten auf den Endverbraucher abwälzt. Und das sind nun mal der Bürger Normalverbraucher und die stromkonsumierenden Firmen.

Wenn also Rumänien weltweit zu einem der attraktivsten Länder für Investitionen in die Windenergie geworden ist, so verdankt das Land dies zwar auch seiner Politik – die (in diesem Fall aus chronischer Geldnot und unter Drohung der EU-Fuchtel) den Rahmen dazu geschaffen hat – aber in erster Linie den Endverbrauchern, die mit ihrer brav und regelmäßig bezahlten Stromrechnung die Nutzung der Alternativenergien fleißig – und meist unausreichend oder überhaupt nicht reflektiert - finanzieren.

Gegenwärtig ist das Gefälle zwischen den EU-Mitgliedern bezüglich der Subventionierung der regenerierbaren Energien sehr groß, und damit auch die Attraktiktivität der Länder für Investoren dieses Bereichs sehr unterschiedlich. Allen (fast) gleich ist nur, dass der gegenwärtig staatlich garantierte Subventionsrahmen für regenerierbare Energien für 15 Jahre gilt und dass sich damit jedes EU-Mitglied einen angemessenen Rahmen für die Erfüllung der EU-Direktive geschaffen hat, derzufolge zum Ende des kommenden EU-Haushaltsjahrs (das ist 2020) in die Energienetze jedes Mitgliedslandes ein gewisses Mindestquantum an regenerierbarer Energie eingespeist werden muss. Wie man den Anteil regenierbarer Energie am Gesamtvolumen der verbrauchten Energie misst? An den Grünen Zertifikaten, die von den Stromlieferanten gekauft werden.
 

Endverbraucher subventionieren Alternativenergien

Rumänien hat vor einem Jahr seine Subventionen für regenierbare Energien erhöht, für Windenergienutzung um 57 Prozent auf 136,6 Euro die Megawattstunde, die ins Landesverbundnetz geliefert wird. Das geschah, nachdem das Subventionssystem (die Energieproduzenten ziehen es vor, von einem „Unterstützungssystem“ zu sprechen) mit zwei Grünen Zertifikaten pro Megawattstunde flächendeckend eingeführt wurde. Dadurch wurde Rumänien zu einem der attraktivsten Länder für die Windenergienutzung.

Und das musste es auch werden, wenn es die Zielvorgaben der EU bezüglich der Nutzung regenerierbarer Energien erfüllen sollte. Der „Alternativenergievertrag“ gilt auch in Rumänien für die kommenden 15 Jahre und nur mittels dieses 2011 aktualisierten Vertrages vermag das Land die EU-Deadlines bezüglich regenerierbarer Energien für 2020 erfüllen. Die Erhöhung der Attraktivität der Investitionen in regenierbare Ressourcen – hier Windenergien – konnte in Rumänien ausschließlich mittels einer solchen Maßnahme geschehen – die auf Kosten der Endverbraucher geht.
 

Alle tun das selbe – auf ihre Art

Zum Vergleich: Frankreich bietet 15-Jahres-Verträge zum Festpreis an, bei festgeschriebenen Preisen, die über zehn Jahre gelten. Konkret: in Frankreich kassiert ein Produzent von Windenergie zehn Jahre lang garantiert 82 Euro/MWh. Dieser Wert wird um die jährliche Inflationsrate angepasst. Die Portugiesen von Energias de Portugal (EDP), einem der europaweit größten Windenergieerzeuger, kassierten in der ersten Jahreshälfte 2012 laut ihrem jüngsten Halbsjahres-Bilanzbericht in Frankreich 88,3 Euro/MWh.

In Belgien gilt ein System, bestehend aus der Kombination von Marktpreis der Energie und Grünen Zertifikaten. EDP kassierte hier in der ersten Jahreshälfte 112 Euro/MWh. Polen, in Rumänien immer öfter als Modell- und Konkurrenzland aus dem ehemaligen Ostblock empfunden, handhabt ebenfalls ein System aus Marktpreis und Grünen Zertifikaten und zahlte EDP im ersten Halbjahr 2012 im Durchschnitt 99,7 Euro/MWh. Rumänien bietet 136,6 Euro/MWh aufgrund von zwei Grünen Zertifikaten, zu denen sich der Marktpreis summiert für jede MWh, die dem Landesverbundnetz zugeleitet wird.

Grundsätzlich beruht das Unterstützungssystem Rumäniens, das die Zustimmung der EU-Kommission genießt, auf Grünen Zertifikaten und Pflichtquoten. Seit 2011 wird die regenerierbare Energie, die ins Landesverbundnetz eingespeist wird, durch eine variable Zahl Grüner Zertifikate kompensiert, deren Wert per Gesetz bei 27 bis 55 Euro festgelegt ist. Für Windenergie gibt es zwei solcher Grüner Zertifikate, die seit Längerem zu ihrem obengenannten Höchstwert gehandelt werden. Bis 2011 gab es dafür ein einziges Grünes Zertifikat (von da her die nun praktizierte 57 prozentige Steigerung der Unterstützungen).
 

Gern bezahlt, da alternativlos

Die Grünen Zertifikate werden von den Stromlieferanten gekauft – in Rumänien die erwähnte Electrica Furnizare – denn diese haben die Verpflichtung, im Energiemix, den sie den Endverbrauchern liefern (im „Energiekorb“, wie er in Anlehnung an die Soziologie unter Energieprofis heißt) einen – von Jahr zu Jahr steigenden – Prozentsatz an regenerierbarer Energie mitzuliefern. Den Beweis, dass dem wirklich so ist, liefern rein zahlenmäßig und unmittelbar nachprüfbar die Grünen Zertifikate, welche der Energielieferant kauft.

Die durch den Kauf der Grünen Zertifikate beim Lieferanten entstandenen (Zusatz-)Kosten werden „selbstverständlich“ auf die Endverbraucher, Privatleute wie Firmen, abgewälzt. Die umweltfreundliche Energie, die wir geliefert bekommen, bezahlen wir uns also selber, ob wir sie nun bestellt haben oder nicht.

Zumindest für Rumänien (aber bestimmt nicht ausschließlich für dieses Land) gilt die Vermutung: hätte der Endverbraucher die Wahl, er würde todsicher die kostengünstigste, nicht bedingungslos die umweltfreundlichste und regenierbarste Energie nutzen – oder es sich vorher gründlich überlegen, was für ihn die beste, also günstigste, Alternative ist! Bis 2020 werden die Verbraucher allein in Rumänien zur Unterstützung der Erzeugung von Windkraftenergie voraussichtlich rund zehn Milliarden Euro aus ihrer Geldkatze zücken müssen.
 

Windenergiekarten zusammengestellt

In Rumänien schießen Windenergieanlagen gegenwärtig wie Pilze aus dem Boden. Allein das Reschitzaer Museum des Banater Montangebiets (MBM) hat seit geraumer Zeit mindestens monatlich eine Feldbegehung bzw. Probegrabung zur archäologischen Pflichtsicherung des Untergrunds dort durchzuführen, wo Windenergieanlagen aufgestellt werden.

Insgesamt sollen allein im Banater Bergland, wo es unter anderem die windenergetisch hochattraktiven Gegenden der Hochplatteaus des Semenik- und des Muntele Mic-Bergstocks sowie den „Windkanal“ des Donauengpasses (und auch noch den parallel dazu, ebenfalls in west-östlicher Richtung, verlaufenden Temesch-Cerna-Durchbruch) gibt, im kommenden Jahrzehnt nahezu drei Dutzend Windenergieparks mit um die tausend „Windmühlen“ entstehen.

Überall, wo man schlanke Stahlsäulen in den Himmel ragen sieht, an deren Spitze sich irgendwelche Windrädchen drehen (oder einfach nur unscheinbare Plastikkästchen angebracht sind), haben wir es mit Monitoringstationen zu tun, wo die Windenergie rund um die Uhr und über mindestens ein Jahr lang unter Beobachtung steht – mit dem einzigen Ziel, an dieser Stelle eventuell anschließend einen Windpark hinzubauen.

Dass Schäfer und streunendes Volk die hochsensiblen und mit ausgeklügelter Computertechnik ausgestatteten Beobachtungstürme immer öfter plündern, davon kann Prof. Dr. Viorel Câmpean von der Reschitzaer Universität „Eftimie Murgu“ ein Lied singen, dessen Team kürzlich die erste exhaustive Windenergiekarte des Banater Berglands zusammengestellt hat. Diese soll bald ein Teil der Windenergiekarte Rumäniens werden, für deren Zustandekommen sich mehrere Universitäten zusammengetan haben.

Dass die Windenergieparks einerseits ein lukratives Geschäft für die Grundbesitzer sein können, die keine Lust und Laune mehr für die landwirtschaftliche Bodenbearbeitung und deren wetterbedingte Risiken aufbringen und ihren Erdboden durch Pacht oder Verkauf loszuschlagen sich bemühen, ist ebenso wahr wie die Tatsache, dass wir gegenwärtig an einer grundlegenden Veränderung der Landschaft Rumäniens teilhaben, die nicht nur ganzen Teilen der Dobrudscha bereits ein ganz anderes Aussehen verlieh, sondern landesweit zu greifen beginnt, durch die zunehmende Zahl an Windmühlen eine Art „Niederländisierung“ Rumäniens.