Die Osterfreude

In der Nische des Altars der evangelischen Kirche von Neustadt steht ein von Johann Bartel gefertigtes Christusportrait. Flankiert wird dieses von je einem korinthischen Säulenpaar.
Foto: Dieter Drotleff

Der Herr ist auferstanden! Was für eine Botschaft! Der Tod ist also besiegt, das Leben gewinnt am Ende und die Liebe und die Vergebung der Schuld...
Wir werden auch auferstehen wie unser Herr. Unser ewiges Leben ist uns verdient durch Christus.
Aber hat uns das überwältigt? Hat das alle unsere Gedanken gefangengenommen – wenigstens jetzt, an diesem großen Feiertag? Diese Botschaft will uns mit Freude erfüllen.

Ostern ist doch ein Freudentag – selbst für die weltlichsten Leute, die eigentlich gar nicht mehr wissen, was der Anlass dieses Festtags ist, geschweige denn, dass sie diesen Anlass ehrlich feiern.
Ist das aber nicht merkwürdig: Alles und jeder jagt heute der Freude nach – sie will sich aber nicht recht fangen lassen.
Ehrlich! Mit der Freude tun wir uns schwer.
Der erste Hinweis, warum wir’s mit der Freude so schwer haben, war diese Frage der Frauen am Ostermorgen: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“ (Mk 16,3)

Der Felsblock, der das Grab versperrte, war gewaltig groß und schwer! Die drei Frauen hätten ihn beim besten Willen nicht bewegen können. So ist es das Selbstverständlichste von der Welt, dass sie darüber nachdenken: Wer wird uns helfen? Wer wird mit anpacken?
Wer hätte denn das für möglich gehalten, dass Gottes Kraft schon längst getan hatte, worum sie sich Gedanken machten? – Der Stein war weg – das Grab offen.
Da ist ein Gott im Himmel und in der Welt, der hat ein Auge auf alles, was uns sorgt und ängstigt - und er hat die Hand schon an den Stein gelegt!

Ja, darum haben wir’s so schwer mit der Freude: Weil wir Gott nichts zutrauen, weil wir inzwischen immer nur von Menschen etwas erwarten und erhoffen. Weil wir einfach nicht damit rechnen, dass unser Gott eingreift, rettet, hilft...
Und auch bei den anderen Dingen ist das so, bei unseren Sorgen, unseren Ängsten, den Befürchtungen und all den trüben Gedanken: Es gibt auch Hoffnungszeichen angesichts der Bedrohung. Bei manchen Entwicklungen wurden die Weichen schon auf Zukunft gestellt. Wir haben noch Zeit. Gott gibt uns die Zeit, die Hoffnung, die Zukunft...

Und hier ist der zweite Hinweis dieser Osterbotschaft, warum die Freude in uns nicht groß werden kann: Nachdem die Frauen die Macht Gottes erfahren haben und die Nachricht gehört haben, Christus ist auferstanden - gehen sie doch voll Angst und Entsetzen davon „und sie sagten niemandem etwas.“ (Mk 16,8)

Sie schweigen von dem, was sie erlebt haben. Sie verschließen das in sich.
So kann es nicht fruchtbar werden für andere in Ängsten und Zweifeln und für sie selbst auch nicht. Und ist nicht auch das bei uns genauso?
Wir schweigen von den Zeiten, den schlimmen Stunden, in denen wir Gottes Beistand und Kraft gespürt haben. Wir reden nicht davon, wie uns Gott den Felsen der Sorgen von der Seele genommen hat. Wir stellen all das Gute nicht neben die dunklen Befürchtungen und bösen Ahnungen.

Wie würden wir uns aber gegenseitig stärken, wenn wir uns erzählten, wie Gott in unser Leben hinein gewirkt hat, wie er uns geholfen, gestärkt, gerettet hat. Was uns dann unser Gegenüber sagte, würde gewiss wieder unser eigenes Vertrauen stützen! Und bei den Ängsten und Zukunftssorgen ist es genau so: Wenn wir uns nur gegenseitig davon sagten, von der Furcht wie von der Hilfe Gottes. Wenn wir’s nur nicht länger verschweigen wollten, wie Gott den Felsen beiseite gerollt, das Grab der Angst geöffnet hat und bei uns Hoffnung und Zuversicht auferstanden sind! – So kämen wir Ostern und seiner gewaltigen Botschaft auf die Spur: Der Herr ist auferstanden und wir werden auch auferstehen!

Sagen wir doch nicht länger: Wer wird uns den Stein vom Grab wälzen, sondern: Gott wird das tun! Und nicht länger stumm sein und schweigen, sondern von all den wunderbaren Taten Gottes an uns reden! So wird es Ostern. So kommt die Freude zu uns!
Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.


Altdechant Klaus Daniel, Neustadt
Ostern 2018