Die „Schule der Musik und Freundschaft“

Canzonetta feierte 25 Jahre Bestehen mit Konzert und „Großem Picknick“

Ganz zu Anfang: einer der vielen Auftritte im Festsaal der Honterusschule. Fotos: privat

Fleißiges Proben für das 25. Jubiläumskonzert Foto: Petra Acker

Von Anfang an dabei: Georgiana Ion (vorne links) und Petra Acker (vorne rechts) bei einem Auftritt in der Kronstädter Oper zum Anlass der Honterusgala.

Canzonetta, das Ensemble, in dem so viele junge Menschen den Spaß an der Musik entdecken und sich innerhalb einer „musikalischen Familie“, wie es viele „Canzonettisten“ nennen, entfalten konnten, wird  25 Jahre alt! Gefeiert wurde mit einem schönen Jubiläumskonzert am vergangenen Samstagabend in der Kronstädter Redoute und einem schon zur Tradition gewordenen „Großen Picknick“ am Sonntag im Garten von Ensemble-Leiterin Ingeborg Acker in Rosenau. Das Konzert, zu dem wie bei jedem Jubiläum auch gewesene Chormitglieder aus verschiedenen Generationen dazugekommen sind, brachte helle Begeisterung unter die Zuschauer, was alle natürlich sehr gefreut hat, denn eine ganze Woche war für den Auftritt geprobt, vorbereitet, organisiert und komponiert worden. Drei Tage verbrachten die Ensemblemitglieder in Wolkendorf im Erholungsheim, wo ich den großen Spaß hatte, die jungen Leute mit afrikanischen Trommeln, Djembe genannt, bekannt zu machen und ihnen einen kleinen Einblick in die rhythmische Improvisationskunst zu verschaffen. Inge Acker hatte wie immer sämtliche Partituren für die Gruppe und deren komplexes Instrumentarium vorbereitet, viele neue Stücke kamen zu unserem ohnehin schon bunten Repertoire dazu, was wie immer eine schöne Herausforderung für die motivierten jungen Leute war. Ab Montag wurde in der Blumenauer Kirche weitergeprobt und jedes Stück noch extra geschliffen. Premiere im Repertoire waren auch zwei Eigenkompositionen von Canzonettisten und ein improvisierter Djembe-Song, den wir beim Konzert spontan und mit begeisterter Teilnahme des Publikums aufgeführt haben. Das darauffolgende, von Eltern der Chormitgliedern organisierte Picknick war ebenfalls ein großer Erfolg und ein perfekter Abschluss für die schöne Feier.

25 Jahre – für mich als langjährigstes Mitglied der Gruppe wie eine Ewigkeit voller wunderbarer Ereignisse, viel Arbeit an anspruchsvoller Musik und das Erleben einer ganz besonderen Gemeinschaft. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, als meine Banknachbarin zum ersten Mal zu uns nach Hause gekommen ist, um mit mir gemeinsam Blockflöte zu lernen. Damals hatte Inge, die uns beiden Zweitklässlerinnen mehrmals die Woche mit bunt angemalten Noten und einer endlosen Geduld erst ein- dann zweistimmige Kinderlieder beibrachte, noch keine Ahnung, was später aus dieser winzigen Gruppe entstehen sollte. Wir schrieben damals das Jahr 1994. Nicht lange danach kam meine Lehrerin auf die Idee, es müsste doch mehr mit den Kindern gemacht werden, die ja leider so wenig Musik im alltäglichen Unterricht mitkriegen, und sprach Inge darauf an. Gesagt, getan, es wurde sofort ein Kinderchor mit sämtlichen Schülern meiner Generation gegründet. Das Kapitelzimmer der Honterusgemeinde stand für die Proben bereit, erst wurden einstimmige Lieder mit einfacher Blockflötenbegleitung geprobt und bei Schulfeiern, dem Bunten Abend des Deutschen Forums, beim Fasching und anderen Gelegenheiten gesungen.

Es dauerte wieder nicht lang, bis das Repertoire von Kinderliedern auf mehrstimmige Musik aus der internationalen Musikliteratur umgestellt wurde. Vom „Kleinen Grünen Kaktus“ bis zu Werken von Mozart und selbst Honterus war viel dabei, wir Kinder haben damals eigentlich gar nicht wirklich mitgekriegt, welch eine umfassende musikalische Kultur auf uns niederrieselt. Während der Jahre wurde es natürlich immer bunter, dabei kam humorvolle wie auch andächtige Stimmung nie zu kurz, denn wir hatten an klassischer Musik den gleichen Spaß wie an nicht minder komplexen Bearbeitungen der „Vogelhochzeit“ oder Songs von Elvis Presley und George Gershwin. Wer hätte jemals gedacht, dass man den weltweit bekannten „Entertainer“ oder gar die Kleine Nachtmusik in vierstimmigem Blockflöten-Arrangement so glatt über die Bühne bringen könnte? Die Auffassung der Mehrheitsbevölkerung ist ja bekanntlich die, dass die Blockflöte ein Instrument ist, das Kinder (vor allem im Westen) in der Grundschule lernen, warum auch immer, und es kaum erwarten können, diese lästigen Pfeiftöne loszuwerden. Bei uns war das ganz anders, Inge wusste nämlich, dass dies ein äußerst sensibles Instrument ist und zur Blockflötenfamilie nicht nur die Pfeif-Sopranflöten gehören, sondern auch die verhältnismäßig größeren Alt-, Tenor- und Bassflöten, sodass das gesamte Arsenal angeschafft und somit eine gänzlich neues Kapitel in der Kronstädter Musiklandschaft erschaffen wurde. Mehr noch, später kamen auch Orff-Instrumente wie Xylophone in verschiedenen Stimmlagen und Percussion-Instrumente dazu – ein Großteil der heranwachsenden Musiker spielte deshalb abwechselnd, je nach Arrangement der Stücke, Blockföte, Xylophon und sang meist gleichzeitig dazu.

Spaßig war es auch außerhalb der Proben und Auftritte, denn mit den he-ranwachsenden Chormitgliedern wuchs auch ein ganz spezieller interner Humor, der Singfreizeiten in Plaiul Foii und Wolkendorf, Chortourneen durch Deutschland und Österreich, Chorfasching und Reisen im Inland in unvergessliche Begebenheiten verwandelte, die unsere bis dahin viel langweiligeren Existenzen von Grund auf umkrempelten. Immer gab es etwas zum Lachen, ständig war etwas los, was natürlich auch die Musik beflügelte. Vieles wäre an dieser Stelle nennenswert, wie zum Beispiel unser Auftritt in der rumänischen Botschaft in Berlin mit Peter Maffay, wo wir die große Ehre hatten, ein Projekt zur Förderung des deutschen Unterrichts in Rumänien zu unterstützen. Ins-gesamt waren es über 500 Konzerte, die Canzonetta bis zum heutigen Tag hatte, fünf CDs wurden aufgenommen, Hunderte von jungen Menschen kamen im Laufe der Jahre zur Gruppe dazu und gingen, sobald die Schulzeit zu Ende war, Tausende von Seelen hat Canzonetta im In- und Ausland begeistert. Das alles durfte ich als langjährigstes Mitglied des Ensembles miterleben, und es ist ein wahrlich großes Geschenk.
Die „Schule“ Canzonetta, wie sie Adrian Lăcătuș, Dekan der Fakultät für Sprachwissenschaften in Kronstadt nennt, dessen Sohn schon seit Kindesbeinen dabei ist, ist „nicht nur eine Schule der Musik, sondern auch eine Schule der Freundschaft, eine entscheidende Einführung in die Demokratie der Kunst, da sie auf natürlichste Weise klassische und moderne Musik auf spielerische Weise zusammenbringt“, schreibt Adrian Lăcătuș in seinem Brief zum 25. Geburtstag des Ensembles.

Diese „Schule“ hat so einige Musiker hervorgebracht, wie meinen Bruder Michael Acker, der inzwi-schen landesweit einer der besten Musiker an der Bassgitarre ist und bereits auf eine maßgebende Karriere im In- und Ausland zurückblicken kann. Als ständiges Vorbild der jungen „Canzonettisten“ inspirierte er zwei weitere Mitglieder, sich dem Instrument zu widmen. Laura Benedek hat dieses Jahr sogar ihren Abschluss beim Bukarester Konservatorium geschafft, Martin Stoia studiert Gitarre an der gleichen Institution, Christian Medrea spielt Bassgitarre, singt in einer Band, komponiert und schreibt Partituren. Viele „Canzonettisten“ gründeten Bands und ähnliche musikalische Projekte, vielleicht können sich noch einige an „Holtzkopf” erinnern, unsere dazumal in Schulkreisen regelrecht berühmte Band, die auf Initiative von einem der ersten begeisterten Canzonetta-Mitglieder, Alex Müntz, gegründet worden war. Die Band „The Others“ erlangte sogar landesweite Berühmtheit und war jahrelang auf allen großen Festivalbühnen zu hören und zu sehen, alle Bandmitglieder waren seit Kindesbeinen bei Canzonetta dabeigewesen. Ich selbst kann mir ein Leben ohne Musik nicht mehr vorstellen und hatte das große Glück, mit einer großen Anzahl von Musikern aus der ganzen Welt zusammenzuarbeiten. Ebenso glücklich schätze ich mich, weiterhin mit Michael eine Band zu haben und bei Canzonetta, so oft es geht, mitzusingen. 

Das 25. Jahr des Bestehens hat uns eine schöne Überraschung beschert: Canzonetta erhält im September den Georg-Dehio-Kulturpreis, der vom Deutschen Kulturforum östliches Europa e.V. für „besondere Leistungen in der Erforschung, Bewahrung und Präsentation von Zeugnissen des gemeinsamen kulturellen Erbes in Regionen des östlichen Europa alle zwei Jahre verliehen wird“. Zu diesem Anlass fährt die Gruppe in der letzten Septemberwoche nach Berlin, um die Preisverleihung bei der Nationalbibliothek musikalisch mitzugestalten und am darauffolgenden Tag ein eigenständiges Konzert zu geben. Es wird bestimmt, wie jedes Mal, ein unvergessliches Erlebnis. 

Nicht zuletzt möchte ich im Namen aller „Canzonettisten” ein riesiges Dankeswort aussprechen, was nach all den Erfahrungen innerhalb dieser „Familie“ nur schwer in einen einfachen Satz zu fassen ist. Zu danken ist Ingeborg Acker für alles, was sie so vielen Menschen geschenkt hat, es wird für immer in ihren Herzen mitschwingen, wohin auch immer sie der Weg des Lebens führen wird!